'Die Teerose' war 2006 eines meiner Jahreshighlights. (Obwohl es noch nicht mal die volle Punktzahl erhalten hat. ;-))
Rezension
London 1888: Zu Zeiten, in denen Jack the Ripper sein Unwesen in den Gassen von Whitechapel treibt, träumt die 17jährige Teepackerin Fiona davon, gemeinsam mit ihrer großen Liebe Joe ein eigenes Geschäft zu eröffnen, um der bedrückenden Armut zu entfliehen – bis ihr Vater der Arbeitergewerkschaft beitritt und tödlich verunglückt. Dies ist der Anfang einer Reihe von tragischen Ereignissen, die letztlich dazu führen, dass Fiona zusammen mit ihrem jüngeren Bruder nach New York fliehen muss, wo ihr Onkel einen Lebensmittelladen führt. Trotz weiterer Schicksalsschläge schafft es die junge Frau, mit viel Fleiß und Ehrgeiz sowie der Hilfe lieber Freunde einen erfolgreichen Teehandel aufzuziehen. Immer mit dem Hintergedanken, irgendwann den Tod ihres Vaters rächen zu können. Und schließlich kommt der Tag, an dem sie nicht nur nach England zurückkehrt, sondern auch Joe wieder trifft, der ihr damals das Herz gebrochen hat…
Jennifer Donnelly ist mit ihrem Debütroman ein ganz wundervoller Schmöker gelungen, den ich - einmal angefangen - nicht mehr aus der Hand legen konnte. Geschickt vereint sie eine rührende Liebesgeschichte mit dem packenden Schicksal einer jungen, mutigen Frau vor einer historischen Kulisse, die mich schlichtweg gefangen nahm.
Der Erzählstil ist so flüssig, dass man kaum merkt, wie die Seiten dahinfliegen. Aufgrund der lebendigen, bildhaften Sprache fühlt man sich direkt an die Schauplätze versetzt. Detailreiche Beschreibungen machen die Atmosphäre authentisch und lassen die Szenerie deutlich vor den Augen des Lesers erscheinen.
Donnelly’s Charaktere sind hingegen nicht durchweg vielschichtig gezeichnet. So ist Fiona ein klein bisschen zu perfekt, muss einerseits auf einen Schlag sehr großes Leid erdulden, hat andererseits dann aber auch wieder erstaunlichen Erfolg. Die Liebesgeschichte wirkt an manchen Stellen ein wenig konstruiert, um sie noch dramatischer zu gestalten. So ist der ein oder andere unglückliche Zufall meines Erachtens etwas zu viel. Dennoch agieren die Figuren insgesamt überwiegend glaubhaft und sind trotz ihrer leichten Eindimensionalität überaus sympathisch.
Einziger größerer Kritikpunkt ist, dass die Autorin zu viele historische Fakten entfremdet hat. So sind es ihre Charaktere, denen wichtige Erfindungen dieser Zeit gelungen sind, und auch das Rätsel um Jack the Ripper wird mehr oder weniger glücklich gelöst.
Dies ändert jedoch nichts daran, dass mich Fiona’s Geschichte von der ersten bis zur letzten der über 600 Seiten gepackt und nicht mehr losgelassen hat. Auch wenn der Ausgang der Geschichte ein wenig vorhersehbar ist, so ist der Weg dorthin dennoch ein wirklicher Lesegenuss, der von der ein oder anderen überraschenden Wendung durchzogen ist.
FAZIT: Ein wundervoller Schmöker für gemütliche Stunden, an den ich mich immer wieder gerne zurück denke.
Bewertung: 4/5
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Die Fortsetzung 'Die Winterrose' habe ich übrigens in einer gemeinsamen Leserunde mit der Autorin gelesen. Ein ebenso wunderschönes Buch wie 'Die Teerose'. Und Jennifer Donnelly war auch supersympathisch. Freue mich schon auf den dritten Teil.