Angel - Ein Leben wie im Traum

  • Froncois Ozon - Macher u. a. von Swimmingpool und 8 Frauen hat jetzt einen englischen Kostümschinken gedreht ...


    Handlung:
    Aufstieg und Fall einer Kitschromanschreiberin, die sich in ihrer erschaffeneen Idealwelt verliert ...


    Ich werde morgen in den Film gehen ...also bitte klärt mich nicht über das nicht vorhandene Happy End auf ;-)


    Bis morgen dann
    das auch ein rotes Kleid tragen wollende eyre

  • So Ihr Lieben,


    habe den Film gesehen und behaupte mal: ein typischer Ozon. Sehr gut gemacht und nicht das, was ich erwartet hatte. Der Film hält den Zuschauer immer an der Oberfläche - geht nicht in die Tiefe (wie im Kitschroman) und gibt einem beständig das Gefühl, nicht "richtig" dabei sein zu dürfen.


    Nie erreichen den Zuschauer Gefühle wie Bitterkeit, Ironie oder Verzweiflung, denn die Figuren lassen kaum einen Innenblick zu - alles Fassade - alles Getue und alles abgetrennt.


    Erwartet kein Historienschinken, obwohl man manchmal an Scarlett O Hara denken muss ;0)


    Angel, die ihr Leben nach ihren Romanen zu inszenieren versucht, passt in keine Szene - sie ist selbst außen vor und das finde ich ein Kunststück ...die Nebenfiguren brillieren, weil sie erreichbarer erscheinen. Wie gesagt - erscheinen. Der Schluss ist brilliant, aber weil man nicht eintauchen konnte, schockt er nicht.


    Man geht wie nach einem schlechten Buch nach Hause, weil man keine Erlebnisse mit aus dem Kino genommen hat.


    Würde mich über weitere Meinungen freuen, auch wenn wohl wenige Ozon als Regisseur zu schätzen wissen oder? Nebenbei - der Mann sieht fantastisch aus (für alle Schwärmerinnen) !


    das sich inspirieren lassende eyre

  • ich konnt's heute morgen nicht fassen - wirklich durch Zufall habe ich entdeckt, dass sich die Kino-Menschen dieser Kleinstadt tatsächlich ein Herz gefasst haben, ihn doch noch zu bringen! :hop
    Meine Freude darüber war so enorm, dass ich Kinomuffel (nach den Trailern, die ich vor "Angel" verabreicht bekam, wird sich das in der allernächsten Zeit aber wohl ändern) mich tatsächlich am frühen Abend in die Stadt bewegt habe.
    Um mich mit einer kompletten Mogelpackung konfrontiert zu sehen.


    Im Kinoprogramm hiess es nämlich:
    (der website für unsere Lichtspielhäuser entnommen):


    Kostümfilm von Francois Ozon über Aufstieg und Fall einer Schriftstellerin aus einfachen Verhältnissen in Großbritannein zu Beginn des 20. Jahrhunderts.
    Zu Beginn des 20. Jahrhunderts gelingt es der aus einfachsten Verhältnissen stammenden Angel Deverell, als Schriftstellerin Fuß zu fassen. Dank ihrer außergewöhnlichen Vorstellungskraft werden ihre Bücher zu Ereignissen, die auch in der Oberschicht der britischen Gesellschaft auf Begeisterung stoßen. Mit einem Mal stehen Angel Tür und Tor offen. Doch das Glück währt nicht lange.


    Meine Meinung


    Ja, ich geb's zu: ich hatte mich auf einen opulenten Kostümschinken gefreut, mit viel Liebe und Drama und Herzschmerz, einen Film, der von mir so geliebte Etiketten wie "Edel-Kitsch" oder "Edel-Schmonzette" verdient.
    Zumal ich mich schon bei der BBC-Verfilmung von George Eliots "Daniel Deronda" an Romola Garais ausdrucksstarkem Gesicht nicht sattsehen konnte.
    Allein der Name "Francois Ozon", der mich mit "Swimmingpool" so begeisterte, machte mich stutzig.
    Hä? DER und SO ein Film? Passt doch gar nicht...
    Ja, genau.


    Nach ca. 5 Minuten ging mir die Figur der Angel sowas von auf die Nerven. Garai spielt diese anmaßende, arrogante Person derart überzogen und künstlich, dass ich kaum hingucken konnte. Als dann eine Kutschfahrt "wie früher" inszeniert wurde, d.h. mit schaukelndem, aber statischem Gefährt vor schlecht reinkopiertem bewegtem Filmhintergrund, war ich drauf und dran, entnervt zu gehen.


    Ich bin froh, dass ich es nicht getan habe.


    Denn die zentralen Themen der erzählten Geschichte, Fiktion vs. Realität, Kitsch vs. Kunst, Künstlichkeit vs. Echtheit (wie sie auch durch das Paar von Angel und Esmé personifiziert werden), Sein und Schein setzt Ozon kongenial um und für mich ist dieser Film hinsichtlich dieser Themen ein sehr passendes Gegenstück zu "Swimmingpool".
    Es gibt Szenen, in denen er Pathos und Kitsch soweit auf die Spitze treibt, dass eine Steigerung nicht mehr möglich ist, dafür unfreiwillig komisch. Angel MUSS aber künstlich sein, denn sie inszeniert sich selbst, bis zu ihrer allerletzten Szene. Darin liegt ihr Aufstieg ebenso wie ihr Fall begründet. Noch weiter kontrastiert wird sie durch Esmés Schwester Nora, die Angel erst vergöttert, dann liebt, in all ihrer Fehlerhaftigkeit, Oberflächlichkeit und Künstlichkeit. Lucy Russell spielt diese Nora mit einer im Vergleich zu Garais Angel wohltuenden Sparsamkeit, Wärme und Emotionalität, dass es mir tief unter die Haut ging. Nur in ganz ganz wenigen Augenblicken zeigt der Film Risse in Angels selbstinszenierter Oberfläche, in denen hervorschimmert, dass sie als Person doch nicht ganz so leer ist wie es den Anschein hat. Und ich glaube, die überzogene Künstlichkeit der Figur Angel Deverell braucht es, damit das so spürbar wird.


    Beeindruckend fand ich auch die Bildersprache Ozons. Angels Welt ist knallig, kitschig, schwülstig, später fast schon "gothic" - die von ihr abgetrennte "Realität", die sie um keinen Preis wahrnehmen will, dezent in Grau-Brauntönen - wie Esmés Bilder.
    Ozon zitiert ständig - Kunst, Literatur, Film, und ich schätze, ich müsste den Film mehrfach anschauen, um alles erfassen zu können, was er an Zitaten da so wunderbar hineingebastelt hat.
    Es gibt Einstellungen, die in Licht, Perspektive, Farben, Kameraführung an "Gone With the Wind" angelehnt sind. Szenen, die winzige Details enthalten und mich z.B. an die Vanitas-Gemälde des Barock erinnerten. Symbole sind als Details am Bildrand versteckt oder tauchen immer wieder auf - wie z.B. der Pfau als Symbol für Angels maßlose Eitelkeit.


    Ne, ein Schinken zum Mitfühlen und Mitleiden ist das auf keinen Fall - "grottiger Klappentext" würde ich sagen, wenn es sich um ein Buch handelte.
    Schade, dass mir diese falschen Erwartungen (auch noch von ein, zwei ähnlich klingenden Besprechungen in Zeitschriften geschürt - haben die Rezensenten den Film echt angeguckt???? :wow) doch zumindest die erste Hälfte des Filmes vermiest hatten.
    Es ist ein gewagtes Experiment, das Ozon mit diesem Film unternommen hat.
    Und es ist geglückt, wie ich finde.
    Chapeau, Monsieur Ozon! :anbet


    Für mich war der Film insofern ein Glückstreffer, weil gerade diese Kontroversen von Kitsch vs. Kunst mich ohnehin beschäftigen, und ich habe eine Menge an Eindrücken, Gedanken, Überlegungen und Fragen mit nach Hause genommen, für die ich sehr dankbar bin.
    Außerdem ist die Inszenierung des Filmes eine Freude fürs Auge, die Musik für das Gehör sowieso.
    Gestört hat mich nur die gähnend langweilige Vorhersehbarkeit des plots - obwohl ich mir da nicht sicher bin, ob das nicht auch zur Illustration der zentralen Themen diente.


    Da das Drehbuch von Francois Ozon und Martin Crimp auf dem gleichnamigen Roman von Elizabeth Taylor (nein, nicht DIE! ;-) )beruht, werde ich mir den mal bei Gelegenheit bestellen und lesen - ich bin neugierig, ob diese Doppelbödigkeit darin schon angelegt ist oder Ozon die erst hineingelegt hat.

  • wärmstens empfehlen möchte ich aber auch noch den Soundtrack für OST-Fans, den ich mir ursprünglich als Trost dafür bestellt hatte, dass der Film hier nicht angekündigt war.
    Bei amazon kann man probeweise reinhören, und ich finde ihn absolut gelungen! :-]

  • Nicole


    Danke für Deine ausführliche Meinung ... mir ging es ebenso wie Dir ... erst Empörung, Enttäuschung, Neugierde und dann Faszination ... schade - die meisten anderen GEsichter im Kino haben den letzten Eindruck nicht gehabt ;0)


    Ich bin immer wieder für gutes Kino zu haben und "Monsieur Ozon" gehört dazu.


    das :wave eyre

  • @ eyre


    fast eine Woche später spuken mir Szenen und Bilder aus dem Film und Gedanken dazu immer noch im Kopf herum... :wow
    Ozon ist genial! :anbet


    Mir tut es nur leid, dass ich durch die falschen Besprechungen so in die Irre geführt wurde - und zwar derart extrem... :-(
    (Oder war das seitens Monsieur Ozon gezielte Pressearbeit, um die Wirkung des Films noch zu steigern?? Habe ich mich durchaus auch schon gefragt... :gruebel Zutrauen würde ich es ihm fast! :grin )

  • Nicole


    Also aus seinen Interviews kann man das nicht herauslesen ... es war einfach eine neue Herausforderung und ich gebe Dir Recht ... es ist mir mehr als zweimal dieses Jahr passiert, dass ein Film "FALSCH" beworben wurde, was sich sogar bis auf das DVD-Cover streckt ...


    Wie hätten wir Beide "Angel" beworben?


    das mal grübelnde eyre

  • @ eyre


    puha... ich bin im Schreiben von solchen Sachtexten wie Exposés eh nicht sonderlich gut :schaem , und Wortschatz und Formulierungsfähigkeit gehen grad komplett für die Arbeit drauf :-(


    Deshalb mal so ins Blaue hinein gebrainstormt...


    Ich hätte grundsätzlich Hinweise auf das Experimentelle dieses Films gut gefunden. "Kostümfilm" als Kategorisierung fand ich schon völlig irreführend, im Nachhinein. Da erwarte ich persönlich wirklich einen Schinken zum Mitseufzen.
    "Parodie" träfe es für mich aber auch nicht... :gruebel
    Ah, "Satire" vielleicht - Satire auf Kostümfilme, auf "period dramas". "Satire" auf den Literaturbetrieb, dachte ich auch ein paarmal (z.B. bei Angels Buchpremiere).


    Eine Satire, die die Konflikte zwischen Fiktion und Realität, Schein und Sein dramaturgisch und bildlich umsetzt.


    Sowas in der Art.


    (Ich überlege gerade, ob der schlechte Werbetext aus Marketing-Gründen entstand - der Film soll ja auch was einspielen. Und welche Art von Film wird wohl besser besucht sein: Satire oder Kostümfilm? :gruebel Bis die Zuschauer merken, dass sie einer Mogelpackung aufgesessen sind, ist der Eintritt ja schon bezahlt :chen Also doch der typische grottige "Klappentext" zur Steigerung des finanziellen Erfolges :lache)