Nach einem ausgesprochen sinnvoll verbrachten Sonntag bin ich jetzt auch damit fertig. "Der König der purpurnen Stadt" hat ernsthafte Konkurrenz als für mich beste bisher gelesene Gablé bekommen. (Sentimentaler Favorit bleibt immer "Das Lächeln der Fortuna".)
Das Buch hat sich komplett von selbst gelesen und obwohl zwischendurch absolut klar war, daß die Lancastrianer noch lange nicht triumphieren können, das Happy End aber dennoch vorprogrammiert war, fand ich es trotzdem ausgesprochen spannend stellenweise. Erfreulich daß die Schlachten immer sehr kurz gehalten wurden. Gute und lange Schlichtschilderungen kann nicht jeder und muß auch nicht jeder können.
Auch als Umsetzung der von mir so verhaßten Rosenkriege halte ich es für sehr gelungen. Ich vertraue darauf, daß die Abläufe im großen und ganzen richtig sind und man hat einen schönen Begriff vom Auf und Ab der beiden (oder, aller) Parteien bekommen, warum mal die und mal die anderen die Oberhand hatten.
Gleichzeitig hat sie es geschafft, trotz ihrer unverkennbaren Liebe zu den Lancasters (zumindest den frühen) einigermaßen ausgeglichen zu bleiben. So konnte man durchaus verstehen, daß die Yorkisten ihrer Seite ebenso treu waren, wie die Lancastrianer. Besonders schön, die Andeutung, daß Julian unter anderen Umständen durchaus einen König Edward IV hätte schätzen können und vice versa.
Richard III kam mir nicht so negativ dargestellt vor, wie erwartet. Klar, er tut hier viel Übles, aber das taten seine Vorgänger auch. Besonders aufschlußreich die Szene ganz am Ende, als Julian seine Gedanken über ihn und die Krone wälzt. Daß Richard hier seine Neffen auf dem Gewissen hat und nicht Henry VII sollte in einem Gablébuch nicht überraschen.
Nun wurde mir auch klar, warum sie den gewagten Schritt gegangen ist, ihre Waringhams zu Lancasters zu machen. Nur so konnte Julian eine bedeutende Rolle spielen, die aber dennoch immer noch dezent genug ist, um ihn und die seinen aus der Geschichte wieder rauszuflechten.
Ihre Tricks, ihn ungeköpft davonkommen zu lassen, sind recht charmant. Ein kluger Schachzug, ihn zu Warwicks Cousin und vor allem Beinahefreund zu machen.
Besonders freut mich aber, daß ich erraten habe, daß sie das Schicksal ihrer Waringhams tatsächlich an die Tudors und speziell Jasper knüpft, diesem Glückspilz, der als einer der wenigen ungeköpft und ungefallen geblieben ist.
Von den Figuren mochte ich Julian selbst und Lucas Durham mit seinem losen Mundwerk. Fand ich auch sehr nett, so viele bekannte Namen wiederzutreffen.
Julian hat mir besonders gut gefallen, weil er weit entfernt ist vom heiligmäßigen Großvater und auch noch Vater, obwohl es bei John noch dezenter war. Gerade, daß er kein wirklich überzeugter Lancastrianer, sondern eher "Tudoraner" ist, fand ich erfrischend. Auch, daß er absolut keine Hemmungen hatte, seinen Knappen zu schlagen oder andere unfeine Taten zu begehen, bei den Robin wohl schwer die Krise gekriegt hätte. Gut auch, daß er kein Pferdeflüsterer ist.
Von den historischen hat mir Warwick am besten gefallen, obwohl Richmond und seine Mutter auch gut rübergekommen sind. Die meisten anderen haben ja nicht lange genug gelebt, um Eindruck zu hinterlassen.
Marguerites Darstellung fand ich auch gut gelungen. Man hat durchaus gesehen, daß es Gründe für ihren schwierigen Charakter gibt.
Was meine persönlichen "bêtes noires" bei Gablé betrifft, rebellische, heilkundige Schwestern und Klischeeehen, bin ich auch zufrieden. OK, Blanche ist sowohl rebellisch als auch heilkundig. Aber dennoch fügt sie sich zunächst widerspruchslos in ihre Rolle und bricht erst aus, als sie keine andere Wahl mehr hat. Mit ihr konnte ich, ganz im Gegensatz zu Anne und Wiehießsiecaedmonsschwester. Das heilerische blieb zumindest dezent.
Und was Julians Ehe betrifft, bin ich sehr zufrieden. Vor allem der Beginn war ausgesprochen innovativ. Aber ich fand es auch gut, daß er, ganz Mann seiner Zeit, gar kein Problem mit ehelicher Untreue hat. Ein weiterer Schritt zur Ablösung von den zeitreisenden Helden, die besser sind als ihre Zeitgenossen. Ich mag es mir einbilden, finde es aber nichtsdestotrotz schön, daß sich Gablé in der Hinsicht weiterentwickelt.
Sehr geschickt gemacht ist auch, daß sie ausgerechnet die ewig seekranken Waringhams nun zu Seefahrern macht. Sollte sie ihr zweites Niemalsnie doch umsetzen und über die Tudors schreiben, könnte ich durchaus einen Waringham sehen, der an Drakes Seite Abenteuer erlebt. Immer vorausgesetzt natürlich, sie überleben die religiösen und sonstigen Konflikte. Aber, nachdem sie sie heil durch die Rosenkriege gebracht hat, traue ich ihr alles zu. Lassen wir uns überraschen.
Ein Kritikpunkt, der aber von Herzen kommt: Zuviele Waringhams mit J. John und Juliana und Julian und Janet.
Die Stammbäume waren eine wertvolle Hilfe. Ohne die wäre man aufgeschmissen, speziell bei den historischen Personen.
Abschließend läßt sich sagen, daß es für mich zwar nach wie vor nur ein Buch hätte geben dürfen, daß "Das Spiel der Könige" heißt und das stammt nicht von Gablé, aber dafür kann ihr Buch ja nichts, das mir nichtsdestotrotz wunderbare Lesestunden beschert hat und für mich eines ihrer besten bislang ist.