Der Karatehamster legt los - Tina Zang
Kinderbücher, in denen sich Tiere gebärden wie Menschen, umschiffe ich in der Regel weiträumig. Tieren menschliche Eigenschaften zuzuschreiben, kann gerade bei Kindern zu sehr falschen Erwartungen an Tiere führen. Die Folgen trägt das Tier.
Aber ich habe so meine Schwächen, leider, und eine dieser Schwächen heißt: Goldhamster. Nachdem ich mich vor Jahren vergnügt durch Dietlof Reiches Freddy-Abenteuer gekichert habe, war es nur logisch, daß vor drei Tagen ein frischgebackener Karatehamster bei mir einsegeln durfte.
Auf dem Titelbild schon tritt er uns schwungvoll entgegen, Neo, der Held. Aber das wissen wir noch gar nicht, wenn wir das Buch aufschlagen. Die Geschichte beginnt nämlich in einem Hamsterkäfig in einer Tierhandlung. Dort leben drei Hamster, Laschi, Schmatzi und, ähm, Schraubelocker. So nennen jedenfalls Laschi (das hypochondrische Weichei) und Schmatzi (der gemütliche Freßsack) den dünnen, Entschuldigung, den drahtigen Dritten. Sie wagen das ja nur, weil sie nicht wissen, daß er ein echter Sportler und Detektiv und supermutig ist!
Schraubelocker, der sich zunächst als unfreiwilliger Clown in unser Herz schleicht, wäre eigentlich ziemlich glücklich, wenn er Weichei und Freßsack loswerden könnte, aber das Schicksal will es anders. Die zwölfjährige Kira und ihr Bruder Heiko lassen sich vom Besitzer der Tierhandlung beschwatzen, alle drei Hamster zu kaufen. Was kann ein kleiner Hamster schon dagegen tun?
Kaum mit Kira unterwegs, wird das Leben aber spannend. Nicht nur begegnen sie zwei Kerlen aus Heikos Schule, die den Armen böse unter Druck setzen, nein, es stellt sich auch heraus, daß Kiras Vater eine Kampfsportschule führt. Auch Kira kann schon Karate und sie kennt alle Karate-Filmhelden. So werden aus Laschi, Schmatzi und Schraubelocker (Bruce) Lee, (Jackie) Chan und - Neo (Matrix). Für Neo, ehemals Schraubelocker, ist schnell eines klar: es wird nicht nur beim Namen bleiben, er wird auch ein echter Karatekämpfer werden. Flugs macht er sich ans Werk.
Als er es geschafft hat, sich in den Dojo zu schmuggeln, um beim Unterricht dabeizusein, fängt das eigentliche Abenteuer an. Einem Sportlehrer wird der Geldbeutel aus der Kabine gestohlen. Wer kann so etwas getan haben? Kiras Bruder etwa, der von den zwei Typen aus seiner Schule erpreßt wird?
Mithilfe von Kira, ihrem Freund Jan (der ein wahres Herz für Hamster und ihre Nöte besitzt) macht sich Neo an die Aufklärung des Falls. Und als er wirklich in der Klemme sitzt, zeigt sich, daß auch auf Weicheier und Vielfraße Verlaß sein kann.
Die Geschichte ist flott und voller Witz erzählt, hin und wieder mit einer Prise Ironie, die von Kindern ab ca. acht sicher verstanden wird. Sie kommt leichtfüßig daher, auch sprachlich richtet sie sich eher an ein frühes Lesealter. Es gibt ein paar Grundinformationen über Goldhamster, einige Hinweise auf Karate. Im Vordergrund stehen Freundschaft und Zusammenhalten und die gemeinsame Bewältigung von Schwierigkeiten. Lustig sind bereits die Kapitelüberschriften, die fast alle ‚auf Reim’ gebaut sind, In hohem Bogen kommt ein Hamster geflogen, lautet etwa die Überschrift des ersten Kapitels. Das ist zuweilen sprachlich etwas gewalttätig, wird Kindern aber sicher Vergnügen bereiten.
Sehr gut gefallen haben mir die Illustrationen von Claudia Fries, die ein wenig frech angelegt sind und gut zum Text passen. Die Hamster sind einfach zum Knuddeln.
Wenn die geplanten Folgebände sowohl beim Text als auch bei den Zeichnungen noch eine Prise forscher werden, schadet das aber nicht.
Eine Sache entlockte mir unversehens ein lautes Quietschen. Beim Auspacken stellte ich nämlich fest, daß Neos Bauch auf dem Cover aus Kunstpelz besteht. Ich wage ja kaum, mir vorzustellen, wie der weiße Bauch nach ein paar Tagen Kinderfinger aussehen mag, manchmal leide ich unter Etepetete -Anfällen. Beim näheren Überlegen, will sagen, Streicheln von Neos Bäuchlein, mußte ich aber feststellen, daß es mir gleichgültig ist, was aus dem Plüsch wird. Die Idee mit dem Pelz auf dem Cover ist einfach nur - paß auf, was Du schreibst, magali, ‚krass’ gehtnichtmehrbeidenEulen, ‚cool’ gehtnichtmehrbeidenEulen, ‚geil’ gehtschongarnichtmehrbeidenEulen und ‚fett’ sollmanauchnichtbeidenEulen - , also, die Idee mit dem Kunstpelz-Hamsterbauch ist einfach genial.
Ein ziemlich witzig gemachtes und spannendes Kinderbuch, das Kindern sicher Spaß bereitet.