Klaras Nein - Soazig Aaron

  • Erscheinungsdatum 11/2005
    184 Seiten


    Kurzbeschreibung von amazon:
    Klara hat 29 Monate im Konzentrationslager Auschwitz verbracht, bevor sie im Pariser Hotel Lutetia von ihrer Schwägerin Angelika aufgegriffen wird. In einer Irrfahrt hatte sie halb Europa durchquert, und nach Dresden, Linz, Prag und Krakau schließlich für drei Wochen in ihrer in Trümmern liegenden Geburtsstadt Berlin Station gemacht. Ende Juli 1945 - Klara ist unter den letzten heimgekehrten Überlebenden, bis zur Unkenntlichkeit abgemagert - beginnt Angelika ein Tagebuch, um festzuhalten, wie sie die Freundin, eine aus Frankreich deportierte Deutsche, nach ihrer Rückkehr erlebt. Sie notiert, was diese sagt, was ihr auffällt, und es ist das Unsagbare, das Unaussprechliche, das sich durch Klaras Stimme, in Bruchstücken und unter größter Anstrengung, nach und nach mitteilt.



    Über die Autorin:


    Soazig Aaron, geboren 1949 in Rennes, arbeitete einige Jahre in einer Pariser Buchhandlung. Sie lebt heute in der Bretagne. "Klaras Nein" ist ihr erstes Buch. Für "Klaras Nein" wurde sie von der Presse gefeiert und erhielt den mit 10 000 Euro dotierten Geschwister-Scholl-Preis. Wikipediaeintrag



    Meine Meinung:


    Alle Eulen, dei der Meinung sind ein von Elke Heidenrech empfohlenes Buch aus Prinzip nicht lesen zu wollen, können sich das weiterlesen sparen.


    An alle anderen: Die verpassen etwas. Nicht weil Jorge Semprun oder Elke Heidenreich diesen Roman als gut empfinden, nicht weil Sigrid Löffler in gut findet oder die Autorin Preise für dieses Buch gewonnen hat- sondern weil es ein Buch ist, das an die Nieren geht.


    Lika die Freundin und Schwägerin von Klara schreibt ein Tagebuch ihrer Gespräche mit Klara, das den Zeitraum 29. Juli 1945 bis 13. September 1945 umfasst. Lika, die als Jüdin den Krieg in Paris relativ sicher überlebt hat stößt auf Klara, die 29 Monate Oswiecim überstanden hat und bei der klar ist, dass sie lebt- aber nicht klar ob sie überlebt hat. Klara erzählt in Bruch- und Versatzstücken von da unten- von Ausschwitz- ein deutsches Wort, dass sie deshalb nie mehr verwendet. Sie ist Deutsche- hat sich nie als Jüdin gefühlt, aber das hat die Nazis nicht interessiert. Sie sagt sie ist gestorben dort in Ausschwitz- Birkenau, ihr Körper hat überlebt aber sie kann nicht beschreiben, was ihrer Seele zugestossen ist, was sie erlebt hat an Grausamkeit an unbeschreibbarem Leid. Der Roman verzichtet dabei auf die zweitausendendste Beschreibung des Apells oder der Details der Versuche von Herrn Mengele, es gelingt aber die Abgründe der Seele Klaras gut zu beschreiben, in den kleinen Stückchen in denen sie sich der Freundin öffnet, auch der Vergleich der von der Berichterstatterin mit der Vorkriegs- Klara gezogen wird zeigt die Entwicklung. Klara stößt auf Unverständnis - ihre Handlungen, ihre Worte und ihre Ideen sind für die Umwelt nicht nachzuvollziehen. Zu unterschiedlich sind die Erfahrungen und es ist doch jetzt Frieden. Kurz vor der Verhaftung hat Klara entbunden, ihre Tochter lebt und Klara weigert sich sie zu sehen- erst langsam kommt heraus wie schwer ihr das fällt und das diese Entscheidung von dem getragen ist, was Klara an Liebe noc geblieben ist.


    Ein vom Lesestil und vom Umfang her leicht und schnell zu lesendes Buch- aber schwer verdaulich, es wird mich sicherlich noch einige Zeit gedanklich begleiten und in mir nachwirken. Unbedingt lesenswert.

  • Dieses Buch hat mich tief beeindruckt. Auch wenn es von der Heidenreich empfohlen wird, kann es trotzdem ein lesenswertes Buch sein. Manchmal hat halt auch diese Dame einen Treffer.


    Herzlichen Dank für diese Rezi. Eine Rezi zu diesem Buch war nämlich schon lange überfällig. Ich kann mich deinem Urteil nur uneingeschränkt anschließen.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Vielen Dank für die sehr zutreffende Rezi.
    Ich habe dieses Buch vor Monaten gelesen und ich finde dieses Buch außergewöhnlich. Die Autorin vermittelt die Sprachlosigkeit und das Verweigern von Gefühlen, die durch das grauenvolle Erlebte hervorgerufen wurden, durch die Art Ihres Schreibstils hervorragend. Dieses Buch ist ergreifend, erschütternd: sehr lesenswert.


    Und es zeigt sich wieder einmal: man sollte jedes Buch selbst lesen und sich seine eigene Meinung bilden. Frau Heidenreich hat das Buch ja nicht geschrieben :-)

  • Der Roman "Klaras Nein" stammt von der 1949 geborenen Französin Soazig Aaron, die deutsche Übersetzung von Grete Osterwald. 2003 erhielt die Autorin den Geschwister-Scholl-Preis für ihren Roman.


    Paris im Juli 1945. Die Deutsche Angelika trifft in einem Hotel, in dem Shoah-Überlebende aus Deutschland eine erste Anlaufstelle finden, ihre Schwägerin Klara wieder. Sie hat 29 Monate in Auschwitz überlebt. Angelika, die Klaras kleine Tochter Victoire zu sich genommen hat, erkennt die Freundin kaum wieder. Im folgenden Monat, den Klara bei Angelika und ihrem Mann Alban verbringt, erfahren die beiden in bruchstückhaften, oft stockenden Berichten, was Klara im Lager erlebt hat. Sie müssen akzeptieren, dass es für Klara keine Rückkehr in ihr altes Leben und damit auch zu ihrer kleinen Tochter gibt. Klara verlangt, dass sie dem Mädchen später erklären, die Mutter sei in Polen gestorben. Letztlich ist dies nicht gelogen, da Klara sich selbst als tot betrachtet, weil sie in dem Lager das verloren hat, was ihr Menschsein ausmachte.


    Dieser Roman ist der gewagte Versuch, den Bericht einer Auschwitz-Überlebenden in literarische Form zu gießen - der vollkommen gelungen ist. Soazig Aaron schildert nicht nur die äußeren Leiden, die aktiv zugefügten Qualen der Klara, sondern vor allem, wie diese Auschwitz überlebt und zu einem völlig anderen Menschen wird. Ihr neues Ich hat nichts mit dem früheren Leben zu tun, sie lehnt es ab, ihre kleine Tochter auch nur zu sehen, um diese nicht zu "vergiften". Faszinierend, wie Soazig Aaron, die nicht aus eigener Erfahrung schreibt, gleichermaßen in die Rolle der Klara und ihrer Freunde und Verwandten taucht, die mit der völlig veränderten Frau umgehen lernen müssen. Klaras Geschichte führt noch einmal die vielleicht größte Perversion der KZ-Erfahrung vor Augen: dass sich viele Opfer als Schuldige fühlten, weil sie überlebt hatten, weil sie sich um des Überlebens willen erniedrigt hatten.


    Ein tief beeindruckendes Buch, das ich aus literarischen und menschlichen Gründen nur empfehlen kann.