Wolfsnacht - Alice Hoffmann

  • Kurzbeschreibung Amazon:

    Seit sie ihren Mann mit einer anderen erwischt und vor die Tür gesetzt hat, ist Robins Leben hart und einsam geworden. Doch dann fährt sie eines Tages nach New York zu ihrem Bruder Stuart, der als Arzt in einer Klinik arbeitet. Und dort, im Flur des Krankenhauses, begegnet sie dem Mann, der ihr Schicksal wird: Stephen, einem Patienten ihres Bruders, der völlig verwildert und stumm in den Wäldern von Michigan aufgefunden wurde und den sie seitdem den "Wolfsmann" nennen...

    Rezension:

    Dieses Buch ist eines meiner ältesten Exemplare und tauchte im Rahmen eines halbherzigen Versuchs, Ordnung im Bücherregal zu schaffen, wieder auf. Ich erinnerte mich daran, dieses Buch damals sehr gemocht zu haben und blätterte darin herum, um die Erinnerung aufzufrischen. Und da es eine nicht grade umfangreiche Geschichte ist, die man gut und gerne an einem Abend schafft, habe ich es mir noch einmal vorgenommen - passenderweise zu strömendem Regen, der lauschig gegen das Dachfenster über meinem Sofa klatschte.


    Die Geschichte handelt von einem jungen Mann, der den Großteil seines Lebens in den nördlichen Wäldern verbracht hat - innerhalb eines Wolfsrudels. Die Passagen, die von diesem ungewöhnlichen Dasein berichten, wecken Sehnsucht. Sie muten anrührend einfach und ursprünglich an, sprechen von Freiheit und einem Leben ohne Zwänge (lässt man mal den Zwang zu essen, zu jagen und zu *räusper* und zu *piep* außer Acht, denn solcherlei Dingen müssen selbst die freiesten Wesen frönen).


    Als unangenehmer Gegensatz dazu treten die Passagen auf, in welchen der Wolfsmann zwangsweise mit unserer zivilisierten Welt klarkommen muss. Zunächst aus einer Falle gepflückt und anschließend wieder zusammengenäht, landet er erstmal im Krankenhaus, wo man ihn eine Weile studiert, kahlrasiert und in eine vergitterte Zelle sperrt - um ihn anschließend nach erfolglosen Zivilisierungs-Versuchen in eine geschlossene Anstalt zu überweisen. Denn den Menschen fällt einfach nichts Besseres ein - schon gar nicht kommt ihnen in den Sinn, das Häufchen Elend einfach dorthin zurückzubringen, wo es herkam. Unglücklich hockt der Wolfsmann also fernab seiner vertrauten Wälder hinter Gittern und starrt auf das winzige Stück Himmel hinter den Stäben. Glücklicherweise für den armen Kerl wird er schließlich von der mitleidigen Robin aufgenommen und lernt so endlich eine etwas angenehmere Seite des menschlichen Lebens kennen. Die beiden verlieben sich, wobei des Wolfsmanns tierische Ambitionen hin und wieder für lustige Begebenheiten sorgen. Als jedoch brutale Tierquälerei und schließlich Mordfälle stattfinden, wenden sich die braven Bürger schnell gegen den andersartigen Mann. Denn für sie ist klar, dass nur dieser unter Tieren aufgewachsene Freak dazu fähig sein kann. Natürlich ist es ganz anders als man denkt - und am Wesen des Menschen wird intensiv Kritik geübt. Eine Hetzkampagne gegen den Wolfsmann beginnt, und das anrührende Ende der Geschichte verstärkt im Leser die Sehnsucht, selbst der modernen Welt den Rücken zu kehren.

    Mein Fazit: Eine kleine, anrührende Geschichte über das ursprüngliche Leben in Freiheit, aber auch über die traurigen Seiten unserer zivilisierten Welt. Die Geschichte eines Menschen, der aus einem freien Leben zwangsweise in die Kälte einer modernen Welt entführt wird, geht an die Nieren. Natürlich mutet die Geschichte altbekannt an (andersartiges Wesen weckt zunächst Interesse, wird jedoch schnell Opfer menschlicher Vorurteile) doch ist sie ideal für ein paar gemütliche Lesestunden an verregneten Abenden - wenn auch mit traurigem Beigeschmack. Zudem regt Alice Hoffmanns poetische Sprache, die selbst alltäglichen Dingen einen gewissen Zauber verleiht, zum Träumen an.

  • Danke für die Rezi - schon bestellt. (Nur wirds Wolke leider nicht viel nutzen - bei dem Preis. Aber "Kleinvieh macht auch Mist").

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")