Klappentext:
„Abwesend und doch anwesend hat er mich durch meine Kindheit begleitet, in der Trauer der Mutter, den Zweifeln des Vaters, den Andeutungen zwischen den Eltern. Von ihm wurde erzählt, das waren kleine, immer ähnliche Situationen, die ihn als mutig und anständig auswiesen. Auch wenn nicht von ihm die Rede war, war er doch gegenwärtig, gegenwärtiger als andere Tote, durch Erzählungen, Fotos und in den Vergleichen des Vaters, die mich, den Nachkömmling, einbezogen.“ Wer war dieser Karl-Heinz Timm, geboren 1924 in Hamburg, gestorben 1943 in einem Lazarett in der Ukraine? Warum hat er sich freiwillig zur Waffen-SS gemeldet? Wie ging er mit der Verpflichtung zum Töten um? Welche Optionen hatte er, welche Möglichkeiten blieben ihm verschlossen? Wo ist der Ort der Schuld, wo der des Gewissens bei den Eltern, die ihn überlebt haben?
Meine Meinung:
Eine ganz persönliche Geschichte arbeitet Uwe Timm in diesem Buch auf, die Geschichte seines im Krieg gefallenen Bruders, an den er sich kaum erinnern kann, aber auch die Geschichte seiner Eltern und seiner eigenen Kindheit. In seiner Herangehensweise an das Thema erinnert mich Uwe Timm ein wenig an Per Olov Enquist. Er springt im Geschehen vor und zurück, stellt viele Fragen, vermutet, wiederholt sich oft.
Leider hat mich dieses Buch bei weitem nicht so gefesselt und begeistert wie „Die Entdeckung der Currywurst“. Man erfährt einfach zu wenig über den Bruder. Hat er gerne getötet? Hat er die Taten der SS für gut befunden? Wie stand er zum Krieg? Wie zur Judenvernichtung? Sein Tagebuch, das der Autor wieder und wieder liest, gibt keine Antworten. Uwe Timm kennt sie nicht und der Leser kann ebenfalls nur mutmaßen. Interessanter wäre die Gewissheit gewesen, der Bruder hat das alles gut gefunden, um dann dem „Wie konnte es dazu kommen?“ auf den Grund zu gehen. Hinzu kommt, dass die Familiengeschichte recht unspektakulär ist. In Teilen kannte ich sie auch schon aus der „Currywurst“.
Mein Fazit: Gut geschriebene Sätze, aber keine gut erzählte Geschichte.