Herder Spectrum
Erscheinungsjahr 10/2005
167 Seiten + 52 Seiten Anmerkungen
Kurzbeschreibung von amazon:
Sie wurden als Bedrohung empfunden, man hat sie bedroht und verfolgt: die Beginen. Selbstbewusste Frauen im Mittelalter, eine religiöse und soziale Aufbruchsbewegung. Die umfassende Darstellung der europaweiten Frauenbewegung: farbig, vielfältig und faszinierend.
Über die Autorin:
Klappentext:
Helga Unger, Dr.phil., Leitende Bibliotheksdirektorin a.D. Wissenschaftliche Publikationen: Editionen und Untersuchungen zur Literatur des Mittelalters und der Neuzeit sowie zur Geschichte der Frauenmystik, bibliothekswissenschaftliche Arbeiten und Ausstellungskataloge. Literarische Publikationen: Erzählungen, mehrere Lyrikbände. Lebt in München.
Meine Meinung:
Wer wegen des eher reißerischen Untertitels ein mehr politisches als historisches Buch erwartet, wird enttäuscht. Ein solides wissenschaftliches Werk über die Geschichte der Beginen, von den unbekannten Anfängen bis in die Gegenwart. Unterteilt in die Kapitel
"Ursprünge des Beginentums" ,
"Beginen in der Stadtgesellschaft, Ausbreitung, Wohnformen, Lebensordnung, Arbeitswelt, religiöse Praxis",
"Beginen im Kreuzfeuer von Kritik, Unterdrückung und Verfolgung"
"Beginen als schreibende Mystikerinen"
"Ausklang: Beginen im Spätmittelalter und in der Reformationszeit"
mit 660 (!) Anmerkungen. Die Lesbarkeit des Buches erhöht es sehr, dass diese Anmerkungen durchnummeriert sind und in einem Anhang zusammengefasst sind, nicht in Fußnoten.
Helga Unger stellt den aktuellen Forschungsstand umfassend dar. Sie setzt sich dabei auch mit den verschiedenen Theorien über das Entstehen der Beginenbewegung und die Motivation der Frauen auseinander und stellt die Bezüge der Beginen zu ihrer Umwelt dar. Sie vertritt dabei die Auffassung, dass das grundlegende Motiv der Frauen in einem tiefen Streben nach einer religiösen Lebensführung nach dem Vorbild der Apostel und Christi selbst sei. Dabei betont sie, dass eine Bewegung im Sinne der Frauenbewegung oder Arbeiterbewegung bei den Beginen nicht vorlag. dazu waren die einzelnen Gruppen zu unterschiedlich, es gab keine Regularien von einem Gedanken ausgehend. Zu beachten ist auch, dass ein individueller Freiheitsbegriff, wie wir ihn heute verwnden im Mittelalter völlig unbekannt war.
Frauengemeinschaften wurden von der Kirche mit ihren männlichen Herrschaftsstrukturen stes mit Mißtrauen betrachtet- nicht wenige Beginen endeten auf dem Scheiterhaufen als Ketzerinnen. Aber auch mit den Stadtoberen bekamen die wirtschaftlich oft zu erfolgreichen Frauen Ärger, wenn es ihnen gelang besser zu werden als die Zünfte. Auf der anderen Seite waren sie für das Funktionieren der Stadtkultur zwingend nötig- waren sie doch die Krankenpflegerinnen und die Sterbebegleiterinnen des Mittelalters.
Ich wollte ein Sachbuch zu den vielen Mittelalterromanen lesen- allen voran natürlich Andrea Schachts Kölnromane- in den Beginen eine Rolle spielen. Das sehr informative und kompakte Büchlein hat diese Ansprüche voll erfüllt.