Ich habe dieses Buch gekauft, weil ich einen Roman lesen wollte, der auf Malta spielt. Sehr viel hat Amazon mir da nicht gefunden, also habe ich es mal hiermit probiert. Und es hat sich sehr gelohnt!! Das Buch, erstmals 1999 erschienen, gibt es nur auf Englisch; ich glaube nicht, dass es übersetzt werden wird.
Das Thema ist Malta im Zweiten Weltkrieg. Im Brockhaus findet man zu dem Thema genau den einen Satz, dass Malta im Zweiten Weltkrieg schwer unter deutschem und italienischem Beschuss gestanden habe. Sonst nix. Nicholas Rinaldi hat eine Geschichte drumrum geschrieben, die sehr gut recherchiert zu sein scheint und sehr gut erzählt ist.
Das Buch
Rocco Raven, Automechaniker aus Brooklyn, hat sich zum Militärdienst gemeldet und ist als angelernter Funker nach Malta geschickt worden. Dort erhält er seine Anweisungen von einem zwielichtigen Geheimdienstoffizier, Jack Fingerly, der immer mal wieder abtaucht, der Rocco seinen Sold immer erst mit Verspätung zahlt, der aber letzten Endes doch meistens am richtigen Ort ist, wenn Rocco ihn braucht.
Nach wenigen Tagen verliebt Rocco sich in die junge Malteserin Melita. Die beiden beginnen sehr schnell eine Beziehung - wer weiß, wie viel Zeit sie noch haben. Melita hilft ihrem Cousin Sammit beim Bauen und Warten von Jukeboxen (Sammit hat sich darauf spezialisiert, aus alten Möbeln und Trümmerstücken Jukeboxen zu bauen, weil auf regulärem Wege in Kriegszeiten keine zu bekommen sind), und Rocco begleitet sie oft bei ihren Trips über Land.
Roccos Kriegseinsatz ist zu bewältigen - er muss lediglich jeden Tag am Funkgerät auf einer abgelegenen Farm für ein paar Stunden Funksprüche abfangen bzw. absetzen -, aber dennoch bekommen die beiden den Krieg über Monate hautnah mit: Malta steht unter Dauerbeschuss der deutschen und der italienischen Luftwaffe. Freunde und Verwandte kommen ums Leben oder verlieren Hab und Gut, sind für Tage und Wochen verschollen. Roccos Kollegen, vor allem amerikanische und britische Piloten, riskieren jeden Tag ihr Leben im Luftkampf. Lebensmittel werden immer knapper. Die Nerven aller sind zum Zerreißen gespannt. Viele sind kriegsmüde, manche drehen durch. Welche Chance hat die Beziehung von Rocco und Melita unter diesen Bedingungen?
Der Autor
Nicholas Rinaldi ist Amerikaner, aber der Name könnte sehr gut maltesischer Herkunft sein; leider habe ich darüber nichts gefunden. Er unterrichtet an der Fairfield University in Connecticut, wo er mit seiner Frau lebt. Dies ist der zweite von drei Romanen, die er geschrieben hat. Der erste hieß "Bridge fall down", der dritte "Between two rivers" (dieser beschäftigt sich mit dem 11. September). Außerdem hat er drei Gedichtbände veröffentlicht.
Meine Meinung
Man merkt, dass der Autor auch Gedichte schreibt. Nicht weil das Buch schwer zu lesen wäre, sondern weil er ab und zu traumartige Sequenzen einfügt, die das Geschehen bzw. die Gedanken Roccos verdeutlichen, die aber die Realität etwas mystisch übersteigern. Das hat mich manchmal zuerst etwas verwirrt, hat dem Ganzen aber eine zusätzliche Dimension gegeben, die mir gut gefallen hat.
Es ist ein "Kriegsbuch", daran führt kein Weg vorbei. Zwar haben Rocco und Melita noch Glück; sie leiden keinen Hunger, weil sie meistens irgendetwas zum Tauschen haben und somit meistens Lebensmittel haben und sich manchmal sogar ein bisschen Luxus leisten können. Dennoch wird ihre Beziehung oft zermürbt durch die ständigen Luftangriffe, durch die Angst umeinander und um Verwandte und Freunde, durch die Unsicherheit, was nach dem Krieg aus ihnen werden wird. Bedingt durch die Umstände muss ihre Beziehung sehr schnell reifen; sie haben keine Zeit, sich lange zu beschnuppern und aufeinander einzustellen, und manchmal holen ihre eigenen Zweifel sie ein. Sehr glaubwürdig dargestellt, fand ich.
Atemberaubend auch das, was die Flieger mitmachen. Einer von ihnen ist beispielsweise eigentlich ein schlechter Pilot, aber er schafft es immer wieder, dass bei seinen Flügen die feindlichen Flugzeuge vom Himmel fallen, egal, wie dumm er sich anstellt. Dieses Glück bringt ihm immer wieder Ehrungen ein - dabei wünscht er sich nichts sehnlicher, als endlich rausgeworfen und woanders hin verbannt zu werden; alles wäre besser als der maltesische Hexenkessel.
Ein Buch, das auf Malta spielt, wollte ich lesen. Ich WAR beim Lesen in meinem Kopf auf Malta, in der Hitze, in der kargen Landschaft, zwischen den sirrenden Bomben - und unter den liebenswürdigen, unerschütterlichen Menschen, unter den verrückten Fliegern, die nicht wie unsereiner morgens ins Büro gehen, wenn sie zur Arbeit gehen, sondern mit ihrer Spitfire in den Himmel steigen, um deutsche Stukas und Messerschmitts abzuschießen, auf einem Boot im Mittelmeer, das von einem italienischen Tiefflieger ins Visier genommen wird.
Ich verrate nicht, ob es ein Happy End für Rocco und Melita gibt. Die beiden sind sehr glücklich miteinander, auch das vermittelt das Buch. Es ist ein Wechselbad zwischen einer realistischen Liebesgeschichte mit Höhen und Tiefen und einem mitreißenden Einblick in das Leben von Militärpiloten, die mitten im Krieg stehen und mit einer Mischung aus Mut, Können, Leidenschaft, Zynismus, Galgenhumor und Fatalismus ihre Tage und ihre Einsätze bestreiten.
Es wird verglichen mit "Catch 22" von Joseph Heller. Das habe ich seinerzeit nach wenigen Seiten abgebrochen, also kann ich nichts dazu sagen, ob dieser Vergleich gerechtfertigt ist. Mir scheint die "Jukebox queen" weniger zynisch zu sein.
Ich habe das Buch eine Weile im RUB hin- und hergeschoben, und ich hätte nicht gedacht, dass es mir so gut gefallen würde. Nach mehreren Romanen über Deutschland vor dem und im Zweiten Weltkrieg hat es mir aber auf unterhaltsame, spannende und tiefgründige Weise mal eine andere Perspektive dieses Krieges gezeigt, und ich habe außerdem Malta kennen gelernt - eine Insel, die das Pech hatte, den Deutschen auf dem Weg nach Nordafrika strategisch wichtig zu sein.