Eine etwas satirische Rezension
Kurzbeschreibung Amazon:
Der erfolgreiche englische Schriftsteller Wilbur Smith führt in seinem Roman in die Welt des alten Ägypten. Hauptfigur ist der Erzähler Taita, ein hochgelehrter Eunuch, der als persönlicher Erzieher der Fürstentochter Lostris fungiert. Er widmet Leben und Arbeit seiner Herrin und dem Wohl des Staates. Lostris wird vom Schicksal zur Frau des Pharaos auserkoren, kämpft aber ein Leben lang um ihre Jugendliebe, um Tanus, den Retter Ägyptens.
Rezension:
Hier haben wir eine uneingeschränkte Schmöker-Empfehlung für alle, die sich nicht vor dickeren Büchern scheuen und die wie ich alle drei Augen zukneifen, wenn es um korrekte historische Genauigkeit geht. Wie ich darüber denke, steht bereits in meiner Apocalypto-Rezi auf Blackhaven.de, und auch hier wird man so gut unterhalten, dass man getrost die historische Authenzität über Bord werfen kann. Auch hier gilt: zurücklehnen, Schokoladentafel her und schmökern.
In diesem Buch lernen wir den eitelsten Gockel kennen, seit es männliche Zicken gibt. Der Herr kann und weiß einfach alles, und als wäre das nicht nicht genug, brettert er uns ständig vor den Schädel, wie schön er sich doch selber findet. Während einer brandgefährlichen Nilpferdjagd, in der sich selbst den Hartgesottensten vor Angst die Zehennägel aufkrempeln, guckt unsere Zicke lieber ins Wasser und bewundert sein Gesicht eingerahmt von blauen Lotosblüten. Wen jucken die rasenden Nilpferdbullen, die herumfliegenden Menschenteile und dreitausend Liter Blut, wenn das Wasser doch so herrlich spiegelt! Teilweise kriegt sich Taita gar nicht mehr ein vor lauter Selbstverliebtheit, doch man muss dem Kerlchen zugestehen, dass er wohl gar nicht so falsch über sich denkt. Diverse Annäherungsversuche von Männchen wie Weibchen lassen vermuten, dass er tatsächlich eine recht leckere, altägyptische Schnitte sein muss. Amüsant sind die Szenen, in der Taiti den einen oder anderen dreisten, fummelnden Soldaten nachts am Feuer mit dem Messer piekt, oder wenn er als Frau verkleidet den Feind im wahrsten Sinn des Wortes ins Koma knutscht.
Schon in jungen Jahren entmannt - übrigens eine Szene, die recht ausführlich beschrieben wird, und angesichts von Taitas Größenwahnsinn denkt man unwillkürlich "Mein Gott, was hätte er angestellt, wenn man ihm das Ding gelassen hätte?" - ist er doch nicht gefeit vor männlichen Gefühlsregungen. Und angesichts seines überaus hübschen Mündels erleidet er manch grausamen Anfall von "wollen, aber nicht können". Doch unser strahlender Held ist eben ein disziplinierter Alleskönner, der im Laufe der Geschichte nicht nur das Tier in sich bezähmt, sondern gleich auch mal das Rad erfindet, den Streitwagen, die Reiterei, diverse medizinische Behandlungen perfektioniert, aus Sternen liest, die Zukunft weissagt, gynäkologische Untersuchungen vornimmt (danach weint er sich unbefriedigt in den Schlaf), Pharao über seinen Winz-Piephähnchen hinwegtröstet und sich auf eine lange, beschwerliche Odysse in dunkelste Gebiete begibt (nein, gemeint sind keine gynäkolischen Untersuchungen, sondern Afrika), wobei letzteres sich als der absolute Höhepunkt des Buches erweist. Natürlich wäre der ganze Trupp auf jener Reise ohne Taita völlig aufgeschmissen, und für unseren Held gibt es allerlei Gelegenheiten zum Zusammenflicken, Erfinden, Operieren und schlichtem Ich-nerv-euch-mit-meinem-Allroundtalent. Erst gegen Ende bekommt er in Form eines Pfeils einen ordentlichen Dämpfer. Unser Held operiert ihn sich natürlich selbst raus, und zwar mit einem mal eben schnell erfundenen Pfeil-Entfernungs-Löffel. Nebenbei - ich vermute mal nicht nur wegen seines medizinischen Könnens - beeindruckt er den Feind schwer und entgeht so (wen wundert´s?) seinem Schicksal als tote Wüstenleiche.
Allein Taitas Eitelkeit gepaart mit seinem Genie sind unterhaltsam genug, hinzu kommen wunderbar beschriebene Handlungsorte, lebendige Figuren und diverse mitreißende, dramaturgisch atemberaubende Szenen (sei es der Angriff der Hyksos, das erste Treffen auf Elefanten tief in Afrika oder ein grausames "Theaterstück").
"Das Grabmal des Pharao" ist ein farbenprächtiger, sehr unterhaltsamer und humorvoller Historienschinken, den man trotz seiner Dicke mühelos bewältigt. Das alte Ägypten wird - wenn auch nicht durchweg realistisch - stimmungsvoll und lebendig beschrieben. Eben intensives Kopfkino. Sogar diese unsägliche Zicke Taita gewinnt man irgendwie lieb, auch wenn man sich mehrmals vor den Kopf schlägt, wenn das Kerlchen mal wieder eine neue bahnbrechende Erfindung präsentiert, sich selbst wahnsinnig schön findet oder á la MacGyver selbst dem größten Schlamassel entkommt. Diese Figur würde ich absolut unmöglich und unrealistisch nennen, wäre da nicht der Gedanke an Personen wie Leonardo da Vinci. Alle paar tausend Jahre taucht womöglich so ein Superhirn auf, wirft alles über den Haufen, macht ordentlich Brainstorming und taucht wieder mit einem Paukenschlag unter. Wie auch immer, ich habe dieses Buch sehr genossen und seither nicht wieder einen ähnlich unterhaltsamen Schinken gelesen. Gäbe es Taita heute, würde er wohl maßlos aufgebrezelt durch die Clubs dackeln und - neben Zickereien bis der Arzt kommt und zahllosen Ohmmachtsanfällen bei beiderlei Geschlecht - wohl nebenbei noch mit abgespreiztem kleinem Finger die Welt retten. Achja, und das Ganze als Chronik bei YouTube reinsetzen.