Der letzte Roman Flauberts, posthum erschienen, blieb trotz achtjähriger Arbeit unvollendet. Seine meisterhaften Recherchen ließen seine Bibliothek auf 1500 Bücher anschwellen. Flaubert behandelt darin den gesamten Wissensstand des 19. Jhts und durchleuchtet es auf Tauglichkeit anhand der beiden Hauptdarsteller, die sich per Zufall auf einer Pariser Parkbank kennen lernten, eine intensive Männerfreundschaft eingingen und sich mittels einer Erbschaft aufs Land niederließen.
Um die Zeit totzuschlagen legen sie sich einen Garten an, jedoch nicht ohne fachliche Unterstützung verschiedener Lexika und Sachbücher, die sich in der Praxis als unbrauchbar oder unzuverlässig herausstellen. Angesichts ihres Wissensmangel oder ihrer Unfähigkeit ist ihr Anliegen zum Scheitern verurteilt. So experimentieren sie in den unterschiedlichsten Fachbereichen, versuchen sich in Geologie und Astrologie, Archäologie und Geschichte, Literatur und Theater, Politik und Religion, Philosophie und Mystik...
Flaubert verspottet die Selbstgefälligkeit seiner Zeitgenossen, alles beherrschen, alles ergründen zu wollen um dabei zu versäumen, den Stoff in seiner Gesamtheit zu erfassen und somit zum Scheitern bringen.
Die theorielastige Schrift ist anfangs mühsam und zäh, die ersten Themen als Aufwärmübung zu verstehen, bevor er sich im weiteren Verlauf auf große Gebiete konzentriert wie die Philosophie, ob Realität real sei (wenn Sterne noch sichtbar sind, wenn sie längst verglüht sind, wer kann da sicherstellen, dass das Kerzenlicht existiert?) oder die Religion, bei der es zum spannenden Streitgespräch mit dem örtlichen Pfarrer kommt. Leider verharrt Flaubert nicht lange bei einem Thema, überfliegt diese meist, hält sich nicht mit Details auf. Auch das Privatleben der Beiden kommt für meinen Geschmack zu kurz.
Insgesamt lohnt die Lektüre, weil sie ein umfassendes Bild der Gesellschaft und des Erkenntnisstandes des 19. Jhts widerspiegelt und nicht zuletzt, weil es ein Buch über Bücher ist und sich so an Dante und Cervantes reihen darf.
Gruß,
chip