Aller Anfang ist schwer

  • In einem anderen Beitrag hatte ich gesagt, ich würde diesen Text mal hier reinstellen, also, da ist er:


    Aller Anfang ist schwer!



    Mein erster Schrei war nicht ein freudiger Befreiungsschrei, der alle Welt kundtun sollte "Hier bin ich", sondern ein Entsetzensschrei, der über drei Monate andauern sollte.


    Natürlich kann ich mich heute, dreiundvierzig Jahre später, nicht mehr bewusst daran erinnern. Doch so, wie der Urknall auch heute noch als beständiges Hintergrundrauschen von den Radioastronomen zur Kenntnis genommen werden muss, genauso vibriert die entscheidende Sekunde am 26. März 1951 noch heute in mir.


    Danach: Drei Monate beständiges Schreien, nur kurz unterbrochen von Schlafpausen aus reiner Erschöpfung oder dem Kampf mit den Krankenschwestern wegen der Nahrungszufuhr. Wahrscheinlich konnten sie nicht verstehen, weshalb der kleine Bursche so heftig und entsetzt reagierte. Wie sollten Sie auch?


    Nach über drei Monaten holte meine Mutter mich auf eigene Verantwortung aus dem Krankenhaus heraus - und mein Schrei erstarb. Selbst ein drei Monate alter/junger Mensch spürt, wann es an der Zeit ist, den einen Kampf aufzugeben und sich auf den nächsten vorzubereiten.


    Schon im Mutterleib habe ich, zumindest auf dieser Welt, meinen ersten Kampf ausgetragen. Ich habe mich umgedreht und nach dem Weg zurück gesucht. Leider war die Nabelschnur dabei im Weg und bei diesem ersten Versuch legte sie sich sanft um meinen Hals. Das Schicksal zog die Schlinge langsam immer enger. Aber anscheinend wollte ich nicht eines irdischen Todes sterben sondern nur zurück. Ich muss versucht haben, mich von diesem Druck am Hals zu befreien. Meine beiden Hände unter die Nabelschnur geschoben, die zehn Finger so fest in den Hals gepresst, dass die zehn weißen blutleeren Flecken am Hals erst mit zehn Jahren verschwanden, focht ich meinen einsamen Kampf mit mir selber.


    Noch zweimal drehte ich mich. Aber es gab nur einen einzigen Weg aus diesem Gefängnis, nur eine Richtung und mit einer Dreifachschlinge um den Hals kam ich dann, unter Zuhilfenahme eines raschen Kaiserschnittes, auf eine Welt, in ein Leben, dass mich das Grauen packte.


    Ein rotes Muttermal am linken Ringfinger und das beständige Echo meines persönlichen Urknalles erinnern mich daran. Diese beiden Beweise sind stets in und an mir. Eingeätzt, eingraviert, eingebrannt - unauslöschlich und ständige Ermahnung.

    Schon der weise Adifuzius sagte: "Das Leben ist wie eine Losbude, wenn Du als Niete gezogen wurdest, kannst Du kein Hauptgewinn werden.":chen