Ausbildung zur Buchhändlerin

  • @ BJ:


    Zitat

    Aber ich gehöre auch zu der Sparte Leute, die nicht versteht, warum wir plötzlich studierte Polizisten brauchen oder gar Krankenschwestern mit Abitur.....


    Brauchen wir nicht, aber in den von dir genannten Berufen sicherlich Menschen, die mehr als gewöhnliches Engagement zeigen. Meiner persönlichen Meinung nach braucht ein Polizist oder eine Krankenschwester kein Abitur zu haben und jetzt kommt das Aber: gewichtige Stimmen (u.a. IHK, Handwerkskammern) sind der Auffassung, dass ein Realschulabschluss auch nicht mehr das ist, was er einmal war. Vielleicht zu Recht?
    Ein Beispiel: warum wird hier im nördlichsten Bundesland die Rechtschreibfähigkeit von Polizisten beim Eignungstest überprüft? Reicht ein vernünftiges Zeugnis eines Realschülers nicht mehr?
    Ein anderes Beispiel: meine Freundin ist gelernte Optikerin. Ihr Ausbilder stellte grundsätzlich nur Abiturienten ein. Während ihrer Ausbildung in der Berufsschule merkte meine Freundin sehr schnell, warum das so ist. Die Masse der Berufsschüler verfügte über keine Kenntnisse der Optik aus dem Physikunterricht. Ist das normal?
    Nächstes Beispiel: mein Vater bildete selbst im Handwerksbereich aus. Mit Hauptschülern hatte er kein Problem. Nur traten die Probleme in der Berufsschule sehr schnell zu Tage, weil die Hauptschüler keinen einfachen Dreisatz auf die Reihe bekamen und im Ergebnis Schwierigkeiten bei den Abschlussprüfungen hatten.


    Es gibt bestimmt viele fähige Realschüler, die Berufe wie den des Buchhändlers oder des Polizisten ausüben können. Für den Ausbilder stellt sich nur die Frage, wie er die Spreu vom Weizen trennen soll, wie er jemanden findet, der die Ausbildung mit Interesse durchzieht und wo die Noten im Zeugnis das abbilden, was der Realität entspricht.

  • Zitat

    Original von Seestern
    und weil ich keine besondere Affinität zu Lippenstiften, Waschmaschinen oder sonstigen Gebrauchs- oder Luxusgütern verspüre, bin ich Buchhändlerin geworden.


    In einigen Gegenden gelten Bücher als Luxusgut, in anderen als Gebrauchsgut.
    Bei einer weder-noch-Einstufung würde mich interessieren als was du dann ein Buch betrachtest.
    Reine Neugier.


    (Boah, so viele Edits - ich hab heute den Tastaturkasper.)

  • Ich habe die Diskussion interessiert verfolgt und eigentlich vor gehabt, mich nicht zu äußern. Aber:



    Stichwort "Buch etwas besonderes".
    Bücher sind etwas anderes als andere Güter. Das erkennt sogar - zumindest bisher - der Staat an. Stichwort ermäßigter Umsatzsteuersatz (selbst auf Medikamente gilt der volle Satz!), Stichwort Preisbindung.



    Ich halte es für sehr gewagt, IHK und Handwerkskammern als "gewichtige Stimmen" zu bezeichnen. Mag sein, daß die selber das so sehen. Die absolute und überwältigende Mehrheit der Mitglieder dieser Kammern tut das jedoch nicht. Da gibt es nämlich Zwangsmitgliedschaft - und die Kammern können mehr oder weniger machen, was sie wollen, denn austreten geht ja nicht.


    Ich habe in meinen zwölf Vertreterjahren keinen einzigen Gesprächspartner (soweit der Inhaber einer Buchhandlung war) getroffen, der auch nur ein einziges gutes Wort über IHK verloren hätte - im Gegenteil.


    Dies nur als Zwischenruf.


    SiCollier, Zwangsmitglied einer IHK

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • @ Si Collier:

    Zitat

    Ich halte es für sehr gewagt, IHK und Handwerkskammern als "gewichtige Stimmen" zu bezeichnen. Mag sein, daß die selber das so sehen. Die absolute und überwältigende Mehrheit der Mitglieder dieser Kammern tut das jedoch nicht. Da gibt es nämlich Zwangsmitgliedschaft - und die Kammern können mehr oder weniger machen, was sie wollen, denn austreten geht ja nicht.


    Selbst wenn man IHK und Co. außen vorlässt, was würdest du den selbständigen Handwerksmeistern sagen, denen die Lust am Ausbilden vergangen ist, weil Schulabgänger elementare Regeln der Mathematik und der deutschen Sprache nicht beherrschen?


    Inzwischen hat sogar die Politik erkannt, dass Haupt- und Realschulen in den letzten Jahren vernachlässigt wurden.

  • Zitat

    Original von Waldlaeufer


    In einigen Gegenden gelten Bücher als Luxusgut, in anderen als Gebrauchsgut.
    Bei einer weder-noch-Einstufung würde mich interessieren als was du dann ein Buch betrachtest.
    Reine Neugier.


    (Boah, so viele Edits - ich hab heute den Tastaturkasper.)


    Als Kulturgut.

  • @ Salonlöwin


    Wenn ich hier jetzt offen antworte, ziehe ich vermutlich geballten Zorn auf mich und muß erst mal eine Rüstung gegen Steinigung anlegen. :grin


    *Sich gegen Steinigung wappnet*


    Ich würde raten, nicht auszubilden. Da die Politik ihre Verantwortung, ordentliche Rahmenbedingungen zu schaffen, nicht erfüllt, ist es nicht Aufgabe der "Wirtschaft", diese Fehler auszubaden bzw. auszugleichen. Das Jugendschutzgesetz mit seinen Einschränkungen wurde schon genannt. (Wir haben solche Probleme konkret schon mal erlebt, als meine Frau in ihrer Apotheke noch ausbildete, und eine Azubi dann erhebliche Probleme bereitete - vom nicht-lernen-wollen ganz zu schweigen. Da sie unter 18 und zudem in Ausbildung war, mußten wir uns alles gefallen lassen. Nicht nur auf Grund dieser Erfahrung sind dann im weiteren alle beiden Ausbildungsplätze ersatzlos weggefallen.)


    Zitat

    Salonlöwin
    weil Schulabgänger elementare Regeln der Mathematik und der deutschen Sprache nicht beherrschen?


    Davon kann meine Frau, die immer wieder Schulpraktikantinnen in der Apotheke hat, auch ein gewaltiges Lied singen.


    Im übrigen wurden nicht nur Haupt- und Realschulen vernachlässigt, sondern - entgegen den vollmundigen Versprechungen der Politiker - werden Interessen von Kindern / Jugendlichen und Familien auch weiterhin sträflich vernachlässigt bzw. überhaupt nicht berücksichtigt. Das war schon zu meiner Jugendzeit so (die ist schon eine Weile her), und hat sich bis heute nicht geändert.


    Edit. Präzisierung

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

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  • Zitat

    Original von Salonlöwin
    Ein anderes Beispiel: meine Freundin ist gelernte Optikerin. Ihr Ausbilder stellte grundsätzlich nur Abiturienten ein. Während ihrer Ausbildung in der Berufsschule merkte meine Freundin sehr schnell, warum das so ist. Die Masse der Berufsschüler verfügte über keine Kenntnisse der Optik aus dem Physikunterricht. Ist das normal?



    *räusper*


    Ich bin selbst gelernte Augenoptikerin mit Realschule!
    Bei mir in der Klasse haben die Realschüler überwogen!
    Keine Kenntnis aud der Optik? Mh.. seltsam ich hab das irgendwie alles in der Berufschule gelernt. Sämmtliche Strahlen gägne, Linsen, Spiegelungen, Zusammensetzungen, Krankheiten, Abbildungsfehler, Spiegel....
    Und dafür ist die Berufsschule da! Um es auf noch mal Fachgenau zu vermitteln. Nicht einfach davon ausgehen, die können das alles schon. Für was lern ich denn 3 Jahre? Müssten ja sonst alle Däumchendrehen wenn se nichts mehr lernen brauchen. Wissen se ja schon aus dem Physikunterricht.
    Und die mit Abi haben sich auch nicht besser angestellt. Sogar die Hauptschüler haben es kapiert. Da hatten wir auch n paar!!
    Handwerkliches geschickt, ist ja nicht Schullbildungsabhängig.


    Außerdem was will ich mit Abi in einem Job der scheiße bezahlt wird und auch noch schlechte Arbeitszeiten hat? Außer es ist meine Leidenschaft. Gut, dann ist es was anderes. Aber nicht jeder sagt unbedingt, dass sein Job seine Leidenschaft ist.
    (Augenoptik war ja auch wirklich nicht meine Leidenschaft :))


    Ach und wegen KfB Ausbildung.
    Ich hatte nur einen 2 1/2 Jahre Vertrag. Da hätte man die Grundlagen der Buchhaltung nicht mehr durch nehmen müssen. Lernt man ja in der 11 Klasse. Bin direkt in der 12 Klasse eingestiegen (Normal 2 Jahr). Man hätten die Abiturienten ohne Buchhaltung alt ausgesehen. Das machen die Lehrer nur von sich aus, dass die das noch mal durchgehen. Einige hatten da gewaltige Probleme durchzusteigen.
    Und dann hab ich auch noch um 1/2 Jahr verkürzt! Auf zwei Jahre gelernt, wie die meisten Abiturienten n Vertrag hatten...

  • Zitat

    Original von Waldlaeufer
    Was ist denn ein Kulturgut?


    Für Dich? Keine Ahnung.
    Für mich sind Bücher weder Gebrauchs- noch Luxus-, sondern Kulturgüter.
    Oder wollen wir in jetzt in den Eskapismusdiskurs einsteigen?
    Dann könnte ich Gebrauchsgut noch durchgehen lassen :-)

  • Bloody Mary
    Es ist eine Sache, den Realschülern Unkenntnis zu unterstellen.
    Es ist eine andere, Abiturienten als Deppen der Nation darzustellen.
    Keines von beiden scheint mir zutreffend.
    Halt dich also auch bitte selbst ein wenig bedeckter.
    Danke.

  • Zitat

    Original von Seestern


    Für Dich? Keine Ahnung.
    Für mich sind Bücher weder Gebrauchs- noch Luxus-, sondern Kulturgüter.
    Oder wollen wir in jetzt in den Eskapismusdiskurs einsteigen?
    Dann könnte ich Gebrauchsgut noch durchgehen lassen :-)


    Ganz simple Frage: Was definierst du als Kulturgut.
    Oder besser: Wie definierst du Kulturgut.
    Die Frage steht noch offen.
    Unabhängig von meiner Meinung oder einem Eskapismusdiskurs.
    Ich kann mit dem Begriff grad wenig anfangen.
    Es klingt aber schonmal toll.

  • @ Si Collier:


    Zitat

    *Sich gegen Steinigung wappnet*


    Ich steinige dich nicht; deine Auffassung ist mehr als verständlich und trotzdem regt sich in mir ein Gewissen, mit unserem Tun eine Zweiklassengesellschaft zu fördern.


    @ BloodyMary:
    Die Ausbildung meiner Freundin liegt mehr als 18 Jahre zurück. Optikerin war auch nicht ihr Traumberuf, so dass sie mit einem Studium der Kunstgeschichte begonnen hat.


    Zitat

    Mh.. seltsam ich hab das irgendwie alles in der Berufschule gelernt.


    Bei ihr wurde in der Berufsschule bereits auf Kenntnisse aus dem Schuluntericht aufgebaut; bei vielen Realschülern waren diese Kenntnisse nicht vorhanden, obwohl vom Schulstand von Realschülern ausgegangen wurde.


  • Es war nicht meine Absicht Abiturienten als Deppen der Ntion darzustellen. Sondern nur das (mir jetzt auch nicht bekannt) sie keinen Rechnungswesen unterricht haben. Und das es nicht Pflicht ist, es im 2. Jahr noch mal durchzugehen. Sie hätten es sich alleine erarbeiten müssen. Außerdem ist es von Person zu Person unterschiedlich. Die einen haben es verstanden, die anderen nicht.



    Oder meintest du das jetzt wegen Job und Gehalt, Arbeitszeit eines Augenoptikers?
    Ist mein Standpunkt. Damit will ich ja auch net sagen das die Deppen sind.
    Traif. 1.450 € BRUTTO! ist nicht gerade viel für 40 Stunden die Woche. Dafür das ich mit Abi eigentlich auch Studieren könnte.




    Wäre dann ein Meister (egal welcher) der nur Hauptschule gemacht hatte weniger als ein Meister der davor Abitur gemacht hat?


  • Der Wandel der Zeit.
    Schulsystem dazu gelernt und etwas geändert.


    Aber dann kann man auch nicht darauf beharren, dass vor 18 Jahren vorwiegend Abiturienten in der Optik vertreten waren.




    Anders:
    Warum zählen dann eigentlich einige Abis in manchen Bundesländern gar nicht? Ist ja dann auch schwachsinn. (keine Ahnung warum mir das gerade einfällt)

  • @ Waldläufer:


    Dann also Klartext, meine Definition von Kulturgut:
    Ich definiere Kultur nicht im etymologischen Sinne des Wortes.
    Für mich persönlich steht Kultur in engem Zusammenhang mit Kunst. Was jetzt auch wieder einen Rattenschwanz an Diskussionen nach sich ziehen könnte ...
    Jedenfalls sind Bücher für mich keine Ware wie viele andere, die ich benutze, gebrauche, ohne groß darüber nachzudenken, oder mir ab und an mal gönne, weil ich auch gerne in Luxus schwelge. Bücher öffnen mir Horizonte, die ich mir selbst niemals aneignen könnte, da erschließen sich fremde Welten, Schicksale, Denkansätze, Impulse ... Das ist eine Form von Kunst, unabhängig von Genres. Dann zeig mir mal 'ne Waschmaschine, die das kann ... Kauf ich sofort! :grin
    Eine bessere Definition habe ich grade nicht parat, es ist nicht unbedingt leicht, die Gefühle, die man einem "Gegenstand" gegenüber hat, in Worte zu fassen ...

  • Bloody Mary
    Mir gefiel einfach die Polemik gegen Gymnasiasten nicht, ebenso wie sie mir auch nicht gegen Real- und Hauptschüler gefällt. Das war alles.


    Mir ist egal, was ein Meister für einen Schulabschluss hat, solange er seinen Job gut macht. Kann mich jedenfalls nicht erinnern, dass ich meine Optikerin nach ihrem Abschluss gefragt habe. Sie hatte Geduld mit mir, war freundlich und hat mich so gut beraten, dass ich wieder hin bin.



    Seestern
    Nun seh ich etwas klarer. Wenn du es so sehen möchtest, okay.
    Nur Kultur stammt etymologisch gesehen eigentlich aus dem Bereich Landwirtschaft und Ackerbau (colere); Kunst hat mit Wissen und Lehre, eben Fertigkeit (ars) zu tun - artifiziell ja, aber nicht ausschließlich ästhetisch oder pädagogisch artifiziell, wie wir heute Kunst im engeren Sinne verstehen. Insofern kann auch gut und gerne Tischlerei im wörtlichen Sinne eine Kunst und ein Tisch ein Kuturgut sein. Ist es m.E. auch. Ebenso wie es Gebrauchsgut ist.
    Die Sache mit den Horizonten... das ist mir wieder schon zu poetisch. Das mag ein Wesensmerkmal der heute verstandenen Kunst und Kulturträger (als solches würde ich Bücher übrinx erfassen) sein, aber nicht von Kulturgütern. Die Besonderheit von Büchern liegt für mich in ihrem medialen Charakter. Das unterscheidet sie von Gütern.
    Prinzipiell meinen wir anscheinend sogar dasselbe.

  • @ Salonlöwin

    Zitat

    Salonlöwin
    trotzdem regt sich in mir ein Gewissen, mit unserem Tun eine Zweiklassengesellschaft zu fördern.


    Ja, Zustimmung, wobei ich nicht sicher bin, ob es nicht sogar mehr Klassen sind. Aber "wir" wollen das ja so, wie man anhand der öfters in anderen Freds geführten Diskussionen zum Staatsrecht und zur aktuellen Politik erfahren hat.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")