Johanna Hoffmann: Die verratene Heilige - Roman um Elisabeth von Thüringen

  • Inhalt (kopiert bei amazon)


    Das Leben der Landgräfin Elisabeth von Thüringen gestaltet diese handlungsstarke, konfliktreiche Erzählung. Weil man Elisabeth manches Wunder nachsagte und ihr exemplarisch frommes Leben weit über den Umkreis der Wartburg hinaus rühmte, wurde sie heilig gesprochen. Der Spannungsgehalt des Buches liegt in der wirklichkeitsnahen literarischen Darstellung nach den geschichtlichen Quellen begründet.



    Die Autorin (Klappentext)


    Johanna Hoffmann, geboren 1930 in Sonneberg, wurde als Verfasserin historisch-biographischer Romane bekannt: "Die verratene Heilige" (1966), "Spiele fürs Leben" (1971, Roman über Friedrich Fröbel) und "Villon, den ganz Paris gekannt" (1973); dazu ihr Hussiten-Roman "Der rote Kelch" (1976).


    Meine Meinung


    Dieses vor gut vier Jahrzehnten verfasste Buch über Elisabeth von Thüringen (1207 - 1231) gehört für mich zu den Lesehighlights des Jahres. :anbet
    Der Hauptakzent liegt nicht so sehr auf der Beschreibung von Elisabeths karitativen Tätigkeiten, sondern auf ihrer Beziehung zu ihrem Beichtvater, dem berühmt-berüchtigten Konrad von Marburg. Unglaublich ist das Martyrium, das Elisabeth unter dem Einfluss dieses Psychopathen / Sadisten durchmachte: Prügel, Geißelungen, Schlafentzug und Fasten fast bis zum Hungertod waren noch die harmloseren Heimsuchungen, am schlimmsten waren der Psychoterror und die Gehirnwäsche, die Konrad seinem Beichtkind angedeihen ließ. Er nahm ihr alles, was ihr Leben noch lebenswert machte, selbst ihr jüngstes Kind. Von Herrschsucht getrieben, die er als Nicht-Adeliger nur im Rahmen eines kirchlichen Amtes ausleben konnte, waren ihm gleichzeitig "normale" Beziehungen zu Frauen untersagt. Dieser Konflikt wirkte sich auf seine geistige Stabilität verhängnisvoll aus.
    Unglaublich und völlig unverständlich ist für mich das Verhalten Elisabeths, die sich bereits zu Zeiten ihrer Ehe mit dem Landgrafen Ludwig von Konrad über Gebühr beeinflussen ließ und ihn nach dem Kreuzfahrertod ihres Mannes zu ihrem Vormund nahm und ihm - einige Jahrhunderte vor Gründung des Jesuitenordens - bereits einen regelrechten Kadavergehorsam entgegenbrachte. Wenn ich das Buch richtig interpretiere, hatte sie sich nach dem Tod ihres Mannes aufgegeben und sehnte sich nur noch danach, ihm möglichst bald in den Himmel zu folgen. Von der dauernden Kasteiung ausgehöhlt, erlag sie dann auch im Alter von 24 Jahren einer Lungenkrankheit.
    Das Buch endet nicht mit ihrem Tod, sondern beschreibt danach noch eindringlich die weiteren Aktivitäten Konrads, der zunächst den Glauben an Wunder an dem Grab der Heiligen schürt, um selbst Ruhm zu ernten und der anschließend als reisender Inquisitor "Ketzer" aufspürt. Als er - inzwischen offenbar völlig unzurechnungsfähig geworden - nicht mehr vor den Adeligen Halt macht, wird er (Gott sei Dank!!!) am 30. Juli 1233 erschlagen.


    Unbedingt empfehlenswert! *****

  • :wow Ich dachte die Sache mit Konrad von Marburg wäre eher überspitzt dargestellt worden beim Pfaffenkönig Buch von Iris. Iris' Buch macht mich gerade sehr, sehr neugierig auf Elisabeth. Deswegen bin ich überaus erfreut über die Rezi zu diesem Buch hier und werde es mir bald besorgen, um noch mehr über diese mir seltsam anmutendende Heilige zu erfahren.
    Andererseits bin ich mir gar nicht so sicher, ob ich das wirklich lesen möchte... :gruebel

  • Wir haben dieses Jahr unser Familienwochenende in Eisenach verbracht und waren da natürlich auch auf der Wartburg und haben eine sehr tolle und kurzweilige Führung mitgemacht. Dadurch bin ich auf die heilige Elisabeth aufmerksam geworden. Nachmitags im Buchhandel wollte ich dann ein Buch mit Lokaleinschlag als Erinnerung an das Wochenende, und so viel Auswahl gab es dann nicht. Ich hätte gedacht, mit Wartburg und Luther sei die Auswahl größer. Letztendlich ist es dann die verratene Heilige geworden.


    Das Buch hat schon mehr als ein halbes Jahrhundert auf dem Buckel, und das merkte ich dem Buch auch an. Grundsätzlich ist das gar nicht negativ gemeint. Aber bei Romanbiographien bin ich etwas mehr Erzählung und etwas mehr emotionaler Schreibstil gewöhnt, Die verratene Heilige las sich teilweise wie ein Sachbuch.


    Inhaltlich geht es hautpsächlich um knapp die Hälfte von Elisabeths Leben, was mit einer kurzen Lebensdauer von 24 Jahren nicht allzu lange ist. Ihr Leben wird ab der Hochzeit mit Landgraf Ludwig geschildert, wobei insbesondere das Verhältnis von Elisabeth zu ihrem Beichtvater (und späterem Vormund) Konrad von Marburg, deutscher Inquisator, herausgearbeitet wird. Diese Beziehung ist erfüllt von Machtmissbrauch, Konrad quält Elisabeth körperlich und geistig so stark er nur kann, und da Elisabeth unwahrscheinlich Leidensfähig ist, schaukelt sich dieses Beziehung immer weiter auf, bis Elisabeth sehr jung völlig entkräftet stirbt. Die letzten Kapitel handeln noch von Konrads weiterem schrecklichen Wirken, er ist schließlich zweiter Hauptprotagonist des Buches. Auch davor werden immer wieder Kapitel über ihn eingestreut.


    Die verratene Heilige ist ein Buch voller Leid, erzählt in einem distanzierten Stil. Ich glaube heutzutage würde das Buch anders geschrieben werden, um uns als Leser*in mehr zu packen, aber dadurch würde die Grausamkeit vielleicht nicht so stark durchkommen, sondern eher als dramatisiert angesehen werden? Es gibt ein ausführliches Verzeichnis für weiterführender Literatur, und ich nehme Frau Hoffmann jede Zeile ab, das es wirklich so passiert sein könnte und sogar ist, vieles ist belegt. Dadurch ist es ein interessantes Buch. Meine Erwartungshaltung, einen fluffig zu lesenden historischen Roman als tolle Erinnerung an das Wochenende war nur vollkommen falsch an dieser Stelle.