Pandora im Kongo - Albert Sanchez Pinol

  • "Im Rausch der Stille" war eines meiner besten Bücher dieses Jahres, wenn nicht überhaupt das beste. Entsprechend begeistert habe ich mich auf "Pandora" gestürzt. Dies wiederum war eine der größten Enttäuschungen dieses Jahres.


    Kann sein, dass es ein paar gute, große Szenen hat, ähnlich wuchtig und bedeutungsvoll wie "Im Rausch der Stille". Leider fehlt "Pandora" ein Schuss von dem, was den "Rausch der Stille" so faszinierend macht, nämlich Stille. Statt dessen endlose geschwätzige Ergüsse des Erzählers bis hin zum peinlich Slapstickhaften. Die Krönung war die Szene mit der Schildkröte, die über die Schreibmaschinentastatur läuft.


    Ich habe es nicht mal ausgelesen. Allerdings ruht es noch im Schrank; ich werde ihm bei Gelegenheit eine zweite Chance geben, weil ich "Im Rausch der Stille" so phantastisch fand. Den dritten Pinol werde ich mir aber nicht mehr kaufen.


    Schönen Gruß von Zefira

  • Ich habe "Im Rausch der Stille" noch nicht gelesen, fand "Pandora im Kongo" aus den schon von anderen Foristen genannten Gründen jedoch so Klasse, dass ich das Thema nochmal nach oben schiebe. :anbet

    Wenn ein Buch und ein Kopf zusammenstoßen, und es klingt hohl, ist das allemal im Buch?
    Georg Christoph Lichtenberg (1742-1799)

  • Auch wenn nun schon viele Worte über Piñol hier getippt wurden, meine Begeisterung ist groß genug, um auch meine Bewertung zu hinterlassen :-) Also nochmal zum Inhalt:


    Unser Held mit dem klangvollen Namen Thomas Thomson ist ein brotloser Schriftsteller im Jahre 1914. Über eine unterhaltsame Schicksalsverwicklung – beginnend in London der damaligen Zeit – kommt er mit einem Mordfall in Kontakt, der ihn zumindest schriftstellerisch auf eine Reise in den Kongo schickt. Ein Anwalt ersucht ihn durch die Umsetzung der Ereignisse um den Mord an zwei Adelsnachkommen in Form eines Buches für einen wohlwollenden Blick gegenüber dem Angeklagten zu sorgen. Wie er den Auftrag umsetzt, sich in die Geschichte hineinsaugen lässt und ob er auch tatsächlich selbst in den Kongo fährt, bleibt am Anfang des Buches ein kleines Geheimnis…ich habe mich entschieden zu der Frage ein Mäntelchen des Schweigens auszubreiten, möchte jedoch anklingen lassen, dass die Geschichte eine fast utopische Wandlung erfährt.


    Zur Bewertung:


    Ihr kennt das sicherlich alle, es gibt gute Bücher, erfreuliche Bücher, lehrreiche Bücher, schlechte Bücher und Bücher, die man nie wieder aus dem eigenen Buchgedächtnis streichen wird. „Pandora im Kongo“ zählt für mich zu dieser letzten Sorte. Der spielerische Schreibstil und der nicht endend wollende Wortschatz des Autors lassen mich den Hut ziehen. Trotz teilweise langer und auch zuweilen verschachtelter Sätze fiel mir das Lesen niemals schwer.


    Mit jeder Seite versank ich tiefer im Jahr 1914 und tiefer in dem heißen, wilden Urwald des Kongo. Die Umgebung entstand mühelos vor meinem inneren Auge und die einzeln beschriebenen Grausamkeiten der beiden Adelssöhne, sprich der to-be-Leichen, jagten mir Schauer den Rücken runter. Auf diese Weise dem vermeintlichen Täter zuhörend, schlüpfte ich automatisch in die Rolle von Thomas Thomson. Ich konnte seine widersprüchlichen Gefühle der Geschichte gegenüber, seine Mühen an dem eigenen Buch und seine Verzweiflung, je mehr er dem Angeklagten Glauben schenkte, selbst nachspüren.


    Um Euch noch einen Vergleich ob meiner Begeisterung zukommen zu lassen: Daß ich einem Erzählstrang mit solch einer Atemlosigkeit gefolgt bin, ist mir zuletzt im Fall der „Stadt der Diebe“ von David Benioff (CoProduzent bei Game of Thrones) widerfahren und auch davor eher selten.


    Zum Ende des Buchs sei gesagt, dass man um jeden Preis bis zum allerletzten Buchstaben lesen muss. Die Wendungen hören nicht eher auf und auch der Emotionsregen für den Leser nicht.


    Ich werde mir so schnell wie möglich die beiden weiteren Büchern des Autors besorgen und hoffentlich mit vergleichbarer Begeisterung verschlingen können. Mit „Im Rausch der Stille“ gelang Albert Sánchez Piñol bereits 2003 der internationale Durchbruch. Ferner ist auf Deutsch auch „Der Untergang Barcelonas“ erschienen. Alle drei im Fischer-Verlag... wie gesagt, ich bleib dran!


    Ich wünsche Euch weiterhin eine belesene Zeit und vielleicht ja auch viel Spaß mit Thomas Thomson im Kongo… :-] :anbet