Inhalt:
Eine einsame Insel bei Rio de Janeiro, Schauplatz des neuen, im Vorfeld bereits heftig diskutierten Filmprojekts von Quint Buchholz, einem gefeierten Regisseur.
In den Hauptrollen 12 Jugendliche unterschiedlicher ethnischer und sozialer Herkunft.
Ohne Drehbuch und auf drei Wochen begrenzt werden die Jugendlichen von versteckten Kameras gefilmt. Ein Projekt, das Medienphänomene wie Big Brother kritisch beleuchten will, indem es sich deren Mittel bedient.
Eines Nachts eskaliert die Situation und fordert Opfer ...
Meine Meinung:
Die Situation erinnert an Goldings Herr der Fliegen. Die Jugendlichen nehmen zwar freiwillig an diesem Projekt teil, schnell entwickeln sich jedoch gruppendynamische Prozesse, kristallisieren sich Anführerpotenzial und Passivität der einzelnen Jugendlichen heraus.
Die Charaktere sind dabei sehr unterschiedlich angelegt. Es gibt Vera, aus deren Sicht die Ereignisse auf der Insel geschildert werden, ein in sich gekehrtes Mädchen, das eine besondere Vergangenheit mit Rio verbindet. Den charismatischen Solo, ein wortkarger Einzelgänger. Elfe, deren Name gar nicht zu ihrem Körperumfang und ihrer quirligen Art passen will. Darling, das blonde Gift, die mit ihren weiblichen Reizen den Jungs den Kopf zu verdrehen versucht und die anderen Mädchen herablassend behandelt. Die stille Moon, die aus einer anderen Welt zu kommen scheint und sich in ihre Zeichnungen vertieft. Den tapsigen Neander, der die Vogelwelt der Insel erforscht und eine große Liebe zur Natur hegt ....
In den unterschiedlichen Charakteren ist das Konfliktpotenzial schon angelegt, dennoch braucht es noch eine besondere Überraschung von Seiten des Regisseurs, um die Ferienlager-Stimmung in Misstrauen, Angst und schließlich Gewalt umschlagen zu lassen ...
Dieses Buch hat mich fasziniert. Die Beschreibung der Insel war für mich so atmosphärisch und dicht, dass ich am liebsten gleich in den Flieger gestigen und nach Rio geflogen wäre.
Die einzelnen Charaktere sind sicherlich in gewisser Weise stereotyp, schienen mir aber immer lebendig. Empathie bzw. Antipathie habe ich beim Lesen schnell entwickelt. Und doch gibt es Figuren, die zunächst nicht leicht einzuordnen sind.
Isabel Abedi versteht es, den Leser in den Bann zu ziehen, falsche Fährten zu legen und Fragen aufkommen zu lassen.
Die Auflösung hat mich zwar nicht vollkommen überzeugt, dennoch war ich nach der Lektüre euphorischer Stimmung, wie ich es immer bin, wenn ein Buch in meinen Augen überzeugt.
Fazit: Mehr als ein Jugendbuch: ein spannungsgeladener, athmosphärischer Thriller mit übezeugenden Charakteren und sozialkritischem Anspruch.