Diese Geschichte soll einfach nur unterhalten, mehr nicht. Über Kritik freue ich mich natürlich trotzdem.
Und da die Geschichte zu lang ist (es sind nur 15000 Zeichen erlaubt), poste ich sie auf 2 Mal. Ich krieg sie einfach nicht um 1 Drittel gekürzt.
Eifersucht: Auch Traummänner haben Macken
Sie haben vier neue Nachrichten.
– Nachricht eins: ‚Happy birthday to you – happy birthday to you – happy birthday, dear Tanja – happy birthday to yooouuuu!’ O wie nett! Das war Roland, ein Langzeitkumpel von mir.
Grundsätzlich war ich ja jetzt in einem Alter, wo Geburtstage und Geburtstagsgrüße nicht mehr so wichtig sind.
– Nachricht zwei: ‚Herzlichen Glückwunsch! Ich melde mich die nächsten Tage noch mal.’ Sogar Antje hatte dran gedacht!
Mit achtundzwanzig, fand ich, steht man da drüber.
– Nachricht drei: ‚Na, schon beim Feiern? Alles Gute! Ciao, Lisa.’
Und trotzdem – jede Nachricht war ein Kick für meine gute Laune! Sie prickelte geradezu!
– Nachricht vier: ‚Hallo Tanja, ich bin’s. Es wird heute später.’
Temperatursturz! Klimakatastrophe! Das Prickeln mutierte zum Eisregen und meine Laune war augenblicklich Schock gefrostet. Das passte mir jetzt überhaupt nicht ins Programm! Offenbar deckte sich meine Vorstellung des Abends nicht mit der von Johannes.
Dabei war der Tag bisher sehr zu meiner Zufriedenheit verlaufen.
Nach dem Sektfrühstück mit meinen Kollegen hätte jede konzentrierte Tätigkeit ein Risiko dargestellt. Daher verbrachte ich den Nachmittag damit, Ordnung auf meinem Schreibtisch zu schaffen. Auch in berauschtem Zustand war das völlig ungefährlich.
Pünktlich zum Feierabend war mein Büro tiptop – ich hatte meinen Job eben im Griff. Mit dieser beruhigenden Gewissheit, verließ ich gegen sechs die Firma, um bei Feinkost-Käfer die passenden Zutaten für ein romantisches Abendessen zu erstehen. Dies war mir als perfekte Abrundung eines perfekten Tages vorgeschwebt.
Und nun musste ich feststellen, dass mir nach einem so viel versprechenden Anfang mit der vierten Nachricht die Kontrolle der Situation entglitten war. Ich hatte Geburtstag und der Herr kam später, einfach so. Was dachte er sich eigentlich dabei? Nicht einmal eine überzeugende Entschuldigung hatte er sich einfallen lassen!
Erzürnt marschierte ich in die Küche und packte die Käfer-Tüte aus. Der Anblick von Lachs-Blätterteig-Pastetchen zur Vorspeise, handgemachten, original italienischen Trüffel-Cappallacci als Hauptgericht und einer Mini-Schokokremtorte zum Nachtisch besänftigte mein wogendes Gemüt. Das würde ich mir zur Not auch alleine schmecken lassen!
Ich goss mir ein Glas Moscato ein und machte es mir im Wohnzimmer gemütlich. So – jetzt ging’s mir besser. Nun fühlte ich mich in der Lage, die Situation in aller Ruhe zu überdenken und erkannte, dass noch nicht alles verloren war. Johannes hatte nicht präzisiert, um wie viel es später würde. Es bestand daher immer noch Hoffnung, dass er zu einer akzeptablen Uhrzeit kam. Schließlich war es erst sieben, und er würde sich bestimmt in Kürze melden, um mir genaueres mitzuteilen.
Das Telefon klingelte. Na also, ging doch.
‚Hallo!’ meldete ich mich.
‚Alles Gute!’ rief Moni am anderen Ende der Leitung.
‚O!’ rutschte es mir raus.
‚Stimmt was nicht?’ erkundigte sich Moni.
‚Doch, doch, alles bestens,’ versicherte ich ihr. ‚Ich hatte nur mit Johannes gerechnet.’
‚Ach so. Habt ihr denn heute Abend noch was vor?’
Eine harmlose Frage, die im derzeitigen Stadium durchaus noch eine harmlose Antwort vertrug: ‚Nein, nein, nichts Großes mehr. Nur noch ein schönes Abendessen.’
‚Aha, also Candle-Light-Dinner mit allem drum und dran!’ Moni kannte mich eben sehr gut.
Kein Wunder, wir hatten uns vor neun Jahren kennen gelernt, zu Beginn unseres Studiums. Seither nahm Moni bei mir so wichtige Funktionen wie die der Psychotherapeutin oder der Telefonseelsorge wahr.
Vor allem zu Studienzeiten hatte ich ständig auf diesen Service zurückgegriffen. Dank Johannes – er machte schon damals nichts als Ärger!
Während ich über die geistige Klarheit und den Weitblick verfügt hatte, um nach wenigen Tagen zu erkennen, dass wir beide füreinander geschaffen waren, hatte Johannes Jahre dazu gebraucht – und es war ein hartes Stück Überzeugungsarbeit gewesen!
Moni kannte alle Details. Wir hatten sie mehrfach gemeinsam analysiert …
Als ich auflegte, war der Moscato-Effekt verflogen.
Wut kroch in mir hoch.
Ich würde jetzt den Tisch decken. Das war ein hervorragendes Training für meine Selbstbeherrschung, denn die Kristallgläser verlangten nach sorgsamer Behandlung.
Ich breitete eine nachtblaue Tischdecke über den Esstisch. Es war die edelste und – was noch wichtiger war – größte Tischdecke in unserem Bestand. Sie war bodenlang und hatte den immensen Vorteil unser Monstrum von einem Esstisch komplett zu verdecken. Das war mir an diesem sowieso schon gefährdeten Abend wichtig, um meine Stimmung nicht noch zusätzlich zu reizen. Auch wenn es jedes Mal eine Tortur war, die Tischdecke hinterher zu bügeln.
Der Esstisch war ein Erbstück von Johannes’ Großmutter. Besser gesagt, er war ein zukünftiges Erbstück, denn Johannes’ Großmutter hatte ihm den Tisch schon mal vorab vermacht. Und jetzt waren wir mit diesem Teil in Eiche rustikal geschlagen, das weder dem Stil unserer Wohnung – drei Zimmer in renovierter Gründerzeitvilla – noch meinem Geschmack entsprach. Johannes’ matte Hinweise, dass es sich um massive Eiche und echte Handarbeit handelte, konnten meinen Verdacht nie ganz ausräumen, dass auch er sich unsere Esszimmereinrichtung ursprünglich anders vorgestellt hatte.
Der Tisch war binnen fünf Minuten gedeckt.
Ich liebte es nicht, in meinem Tun von den Entscheidungen anderer abhängig zu sein, vor allem wenn ich diese Entscheidungen nicht kannte. Die Planungsunsicherheit wuchs dabei ins Unermessliche.
Wie sollte ich denn jetzt wissen, ob ich schon mal die Lachspastetchen in den Ofen schieben konnte, oder ob noch genügend Zeit für eine Anti-Stress-Gesichtsmaske war, die meine Zornesfalten wieder glätten würde? Wer weiß, vielleicht hätte ich sogar problemlos einen Frisörtermin einplanen können?
Ich hing völlig in der Luft.
Jegliche weitere Vorbereitung war zwecklos, wenn ich nicht wusste, wann der Herr sich die Ehre geben würde.
Eigentlich hatte ich von Johannes genügend Feingefühl erwartet, um ihn nicht extra darauf hinweisen zu müssen, dass heute mein Geburtstag war, und dass man an solchen Tagen lieber Rücksicht auf die Gefühle seiner Lebensgefährtin nimmt.
Tja, so konnte man sich in dem Mann täuschen, mit dem man seit fast vier Jahren Tisch und Bett teilte.
Es half alles nichts – ich wählte seine Handynummer.
Das Handy klingelte. Nicht nur in der Leitung, sondern auch in unserem Arbeitszimmer. Na großartig! Er hatte es liegen lassen. Gott sei Dank war sein Kopf wenigstens angewachsen! Aber was nützte das, wenn er keinen Gebrauch davon machte?
Ich polierte die Kristallgläser noch mal nach – kurze Auffrischung für meine Selbstbeherrschung.
Das Telefon klingelte, es war meine Großmutter. Sie gratulierte mir und fragte, ob wir zufällig einen Esstisch brauchen könnten.
‚Du weißt ja, ich ziehe ins Seniorenheim und da passt mein Tisch nicht mehr.’
‚Ja, natürlich!’ rief ich spontan. Nur um Johannes zu ärgern, hätte ich den Tisch am liebsten sofort abgeholt.
‚Wie schön,’ hörte ich meine Großmutter sagen. ‚Da habt ihr dann genug Platz für eine ganze Familie.’
Wie bitte?! Ein letzter Funken gesunden Menschenverstands glühte in mir auf. War ich eigentlich noch ganz bei Trost? Zwei solche Teile? Johannes’ Tisch hatte schon Gewohnheitsrecht. Er würde ihn bestimmt nicht abschaffen!
Mit Engelszungen versuchte ich diese Trotzreaktion wieder auszubügeln: ‚Weißt du Oma, das ist lieb von dir, aber wir sind ja schon ganz gut eingerichtet. Und unser Tisch sieht fast genauso aus, wie deiner.’
‚Ach ihr habt schon einen Esstisch! Na, das ist aber schade. Dann werde ich ihn wo anders unterbringen müssen. Ich dachte nur, ich frag mal nach.’
Die Gefahr eines zweiten Esstisches in der Ausführung Eiche rustikal war gebannt. Meine Nerven!
Ich polierte die Kristallgläser ein drittes Mal und rief mich energisch zur Ordnung. Schließlich verfügte ich über genügend Selbstbeherrschung, um die Situation nicht eskalieren zu lassen.
Ich würde Johannes jetzt unter seiner Geschäftsnummer anrufen und seine Vorstellung des restlichen Abends in aller Ruhe mit meiner eigenen Vorstellung abstimmen.
Gewöhnlich rief ich Johannes nicht unter seiner Geschäftsnummer an. Man konnte da die ungünstigsten Momente erwischen. Einmal war ich mitten in eine Gehaltsverhandlung geplatzt. Johannes hatte mit dem Anruf eines wichtigen Kunden gerechnet und abgenommen. Er konnte ja nicht ahnen, dass ich es war.
Seither rief ich ihn nicht mehr unter seiner Geschäftsnummer an. Höchstens in Notfällen. Für Privates hatte er schließlich sein Handy.
Aber was blieb mir in dieser Situation anderes übrig? War ich schuld, dass er sein Handy vergessen hatte?
Außerdem konnte man die Lage inzwischen durchaus als einen Notfall einstufen. Es bestand die Gefahr, dass ich die Kristallgläser ein viertes Mal polierte. Und dann würde ich nicht mehr für meine Selbstbeherrschung und die Gläser garantieren können!
Ich ließ es ungefähr zehnmal läuten – ohne Erfolg. Bestimmt war er auf der Toilette.
Zehn Minuten später ging er immer noch nicht ran und noch mal zehn Minuten später auch nicht. Er hatte wohl Durchfall oder um acht Uhr abends noch eine Gehaltsverhandlung! Für wie blöd hielt er mich eigentlich?
Er war nicht im Büro, er rief nicht an, um sich zu entschuldigen, er hatte nur diese schnöde Nachricht hinterlassen, und das alles an meinem Geburtstag. Da konnte man zu Recht misstrauisch werden! Hatte er vielleicht eine andere?!
Das war doch nicht das erste Mal in letzter Zeit, dass er spät heim kam. Um genau zu sein, hatte sich seine Abwesenheit seit drei Wochen auffällig gehäuft.
‚Diese Kampagne, verstehst du? Die muss unbedingt fertig werden.’
Und ich hatte die Verständnisvolle gemimt. Wahrscheinlich hieß seine Kampagne Laura oder Carmen oder so ähnlich!
Draußen fuhr mit jaulendem Martinshorn ein Krankenwagen vorbei.
Und wenn er einen Unfall hatte? Möglicherweise lag er bewusstlos im Krankenhaus und war gar nicht in der Lage mich über seinen Verbleib zu informieren.
Ich hörte den Verkehrsfunk – nichts. Schaute im Internet nach irgendwelchen Meldungen – ebenfalls nichts. Und dann rief ich die Münchner Verkehrspolizei an. Nein, es war nichts von einem Unfall bekannt.
Ha! Jetzt wäre ich fast auf diese dusselige Sirene reingefallen!
Das war ja wohl klar und eindeutig! Er hatte eine andere!
Vielleicht war es eine Kollegin? Oder die Sekretärin der Chefin? Oder vielleicht die Chefin selbst, um schneller Karriere zu machen?
Damit könnte ich noch am ehesten leben – schließlich musste jeder hin und wieder ein Opfer für seine Karriere bringen. Aber alles andere war nicht akzeptabel. Und wenn Johannes mir nicht umgehend eine glaubwürdige Erklärung lieferte, würde ich mir grundlegende Gedanken über unsere Beziehung machen müssen!
Bestimmt war es die Chefin selbst. Ich hatte sie beim letzten Sommerfest von Johannes’ Firma kennen gelernt, und eins war mir sofort klar geworden. Sie hatte Johannes nur wegen seines Aussehens eingestellt – er war groß, blond und blauäugig, und sah meines Erachtens unverschämt gut aus – denn sie liebte es, von einem Schwarm attraktiver Männer umringt zu sein. Johannes’ innere Werte und seine Kompetenz zählten bei ihr überhaupt nicht.
Zugegeben, sie war selbst recht attraktiv. Zumindest, wenn man diesen Typ Frau gut fand. Ich meine, die einen würden sie als schlank bezeichnen, das konnte aber auch eine höfliche Umschreibung für mager sein. Busen hatte sie natürlich gar keinen, und Hintern auch nicht. Dafür hatte sie aber auch keine Cellulite an den Oberschenkeln. Aufgrund des Superminis, den sie beim Sommerfest trug, drängte sich eine solche Diagnose geradezu auf.
Natürlich war sie mit Johannes per Du.
Ob Johannes wohl klar war, dass seine Begabung unter dieser Person völlig verschwendet war? Ich meinte natürlich seine fachliche Begabung.
Nein, auch damit könnte ich nicht leben! Nach reiflicher Überlegung kam ich zu der Erkenntnis, dass auch die Variante mit seiner Chefin nicht akzeptabel war. Selbst wenn er es als reine Pflichtübung zur Förderung seiner Karriere betrachtete.
Um meinen Verdacht vollends zu bestätigen, könnte ich jetzt einen Kontrollanruf bei ihr machen. Ihre Nummer war in Johannes’ Handy gespeichert und das Handy lag im Arbeitszimmer. Natürlich verwarf ich diesen Gedanken gleich wieder. So was tut man nicht.
Zum ersten Mal in meinem Leben entdeckte ich eine Kehrseite der Emanzipation der Frau. Vor fünfzig Jahren hatte es keine Chefinnen gegeben!
Es war schon eine Schande, in was für einer Welt wir heute lebten. Früher hatte man sich in den Firmen noch gesiezt und Superminis waren tabu gewesen.
Das alles hatte sich mit der Erfindung von Marketingabteilungen geändert. Seither war man ständig dem Druck der Lässigkeit ausgesetzt. Und Benimmregeln waren da genauso unangesagt wie zum Beispiel Ärmelschoner.
Oder konnte man sich die Worte ‚Diese Rothaarige da drüben mit dem knallengen Mini, die finde ich rattenscharf!’ aus dem Munde eines Buchhalters vorstellen?
Aber ich hätte es ja in der Hand gehabt. Schließlich hatte ich im Studium die Schwerpunkte Marketing und Finanzen gehabt. Da hätte ich mir reihenweise Buchhalter anlachen können, wenn mir der Sinn danach gestanden hätte.
Ich ging rein zufällig ins Arbeitszimmer und mein Blick streifte sein Handy. Nein – so was tut man einfach nicht. Unter gar keinen Umständen.
Ja und?! Was interessierten heutzutage noch Anstand und Benimm? Schließlich arbeitete ich auch im Marketing! Ich würde jetzt seine Chefin anrufen, ganz egal ob man so was tut oder nicht!
Außerdem würde sie sich sowieso nicht melden. Entweder sie war gerade mit Johannes zu Gange, oder sie war schon längst daheim. Wozu hatte sie denn so ehrgeizige Jungmanager, wie Johannes, die sie für sich schuften ließ?
‚Schambach,’ meldete sie sich nach zweimal läuten und überrumpelte mich völlig. Nun wusste ich nicht was ich sagen sollte. Waren wir eigentlich auch per Du oder siezten wir uns. Ich war mir nicht mehr sicher.
Vorsichtshalber entschied ich mich fürs Sie und sagte: ‚Guten Tag Frau Schambach, hier ist Tanja Hoffmann. Entschuldigen Sie die Störung, aber ich versuche Johannes Singer zu erreichen.’
‚Johannes ist schon vor zwei oder drei Stunden gegangen,’ klärte sie mich auf. Ich beendete das Gespräch sofort.
Vor zwei oder drei Stunden! Das war die Höhe!!
Dieser Anruf stellte zwei Dinge klar. Erstens, es war nicht seine Chefin. Zweitens, es war eindeutig eine andere. Warum sonst würde er sich stundenlang ohne offizielle Entschuldigung an meinem Geburtstag rumtreiben?
Die Geschichte geht im gleich weiter (falls es jemanden interessiert).