Die Engländerin Kate Le Vann ist Journalistin, sie schreibt für Zeitschriften wie CosmoGirl oder Vogue. Sie hat auch zwei Romane veröffentlich. Livias Geschichte war ihr erster Roman für Teenager.
Das Stichwort ‚CosmoGirl’ stimmt einen zunächst auf eine muntere Teenager-Liebesgeschichte ein, das rosa-silbrige Cover der englischen Originalausgabe verstärkt diesen Eindruck noch. Die Geschichte ist aber alles andere als typisch.
Der Einstieg ist witzig. Die Ich-Erzählerin, die achtzehnjährige Livia, ist unterwegs zu ihrem Bruder, der ein Studienjahr in Princeton verbringt. Sie ist fest davon überzeugt, daß das Flugzeit abstürzen und sie ums Leben kommen wird. Was zunächst nach Komödie klingt, ist tatsächlich eine Einstimmung auf eines der Grundthemen des Romans, Sterben.
Livia, so erfährt man schon auf den nächsten Seiten, erkrankte mit knapp fünfzehn an Leukämie. Sie hat langwierige Behandlungen und endlos erscheinende Krankenhausaufenthalte hinter sich. Einen wichtigen Teil ihres Teenagerlebens hat sie verpaßt. Nun aber haben die Ärzte sie für gesund erklärt, der Albtraum scheint überstanden. Livia will endlich ein normales Leben führen und sich dem widmen, was sie für das Wichtigste hält, der Liebe. Weil Liebe nämlich das Schwierigste ist.
Um das Ganze wirklich systematisch anzugehen und zugleich kein Fitzelchen ihres neuen Lebens zu vergessen, hat Livia ein Blog angelegt, aber ganz privat, nur für sich, von außen nicht zugänglich. Diesem Tagebuch vertraut sie alles an, was sie erlebt.
Im Vordergrund steht ihre Reise, die Wochen in Princeton mit ihrem Bruder Jeff und ihre Begegnung mit dem Informatikstudenten Adam, in den sie sich verliebt. Ihr Lebenswille, ihre Offenherzigkeit, ihre Fähigkeit zur Freude, die schiere Wärme, die die Hauptfigur ausstrahlt, lassen das Buch vor Lebendigkeit nur so funkeln.
Unter dem Aspekt der Liebe gesehen gewinnen Livias Beobachtungen aber Tiefe und einen solchen Ernst, daß die Geschichte nicht leicht wegzustecken ist.
Da geht es um die Wut, die einen erfaßt, wenn man erfährt, daß man todkrank ist. Um das schlechte Gewissen darüber, was man damit denen antut, die einen lieben. Um den Druck, der auf einem lastet, weil man das Gefühl bekommt, man sei ihnen etwas schuldig. Man erfährt, wie jemand sich fühlt, die sich verliebt, aber verlassen wird, weil der Junge den Gedanken an Krankheit nicht erträgt. Wie man mit Zorn, Abscheu und vor allem dem wachsenden Mißtrauen gegenüber Menschen umgehen muß.
Gleichzeitig ist die Erzählerin ein ganz normaler Teenager. Sie mag ihre roten Haare nicht und findet, daß sie krumme Beine hat, sie hat Schüchternheitsanfälle, wenn sie ganz cool sein will und wenn sie aufgeregt ist, kiekst sie zu ihrem eigenen Entsetzen.
Livia ist schmerzhaft ehrlich, bis ins Kleinste geht sie ihrem Leben auf den Grund. Wer ist ehrlich, wer ist unehrlich, macht Liebe Menschen besser oder schlechter? Wem kann man trauen? Wie trennt man Liebe und Fürsorglichkeit? Wo beginnt die Eigenliebe, wann ist sie richtig, wann falsch? Kann es sein, daß die eigene Mutter zur Freundin wird? Was passiert, wenn man sich trotzdem von ihr ablösen muß, weil sie eben doch Mutter ist?
Sie analysiert ihre Beziehungen, sie systematisiert sie und versucht,Antworten zu finden.
Die Beschreibung ihrer Liebesbeziehung zu Adam ist ungemein anrührend, vor allem wegen der Knappheit der Schilderung und der Innigkeit, die sich hinter der witzigen Sprache voller flapsiger Teenagerausdrücke verbirgt.
Um die Gestalt von Adam ein wenig hervorzuheben, läßt die Autorin auch ihn ein kleines Tagebuch beginnen. Man sieht die Geschichte also von zwei Seiten.
Adam ist vielleicht ein bißchen zu gut, um wahr zu sein. Damit wie auch in manchen anderen Details der Liebesgeschichte und schließlich bei der Ausgestaltung des Endes schlug mein Kitschdetektor an. Aber das tut dem Roman in meinen Augen keinen Abbruch. Die Liebe und der Tod sind Themen, die letztlich jede Überhöhung aushalten.
Über eine letzte Frage kann man streiten, heftig sogar. Darüber nämlich, ob man sein Leben um jeden Preis leben soll oder es langsam angehen lassen. Obwohl man sowieso nie weiß, was morgen sein wird.
Ein in leichtem Ton gehaltener, einfühlsam wie gefühlvoll erzählter Liebesroman, dessen schwerwiegende Grundthemen lange nachwirken.