Ich hänge auch etwas hinterher, hab aber nun den ersten Abschnitt geschafft.
Zuerst muss ich sagen, dass der Schreibstil von Charlotte Bronte mir sofort gefiel. Unaufdringlich aber einprägsam, das einsame Kind mit seinem Buch, dass sich auf der Fensterbank versteckt und mit dem Vorhang vor dem Rest der Welt abschirmt war ein ganz starkes Bild. Es liest sich ganz wunderbar flüssig.
Über die himmelschreiende Ungerechtigkeit im Hause Reed kann man nur den Kopf schütteln. Kein Wunder, dass Jane am Anfang noch alles glaubt was man ihr vorwirft. Aber dann regt sich schließlich der Kampfeswille in ihr. Sie sagt Mrs. Reed direkt ins Gesicht was sie von ihr hält und diese scheint seltsamerweise sehr getroffen. Nur ist die Frage... trifft es sie, weil sie in dem guten Glauben ist wirklich das allerbeste für Jane zu tun, oder vielleicht doch eher, weil diese damit droht es jedem zu erzählen wie sie behandelt wurde?
Als sie nach Lowood kommt hat man das Gefühl, es beginnt eine Internatsgeschichte wie die, die sicher viele aus ihrer Jugendzeit kennen (da gibts ja weiß Gott genug). Helen sticht fast wie eine Heilige zwischen allen Figuren heraus, ihr direkt nach folgt Miss Temple, die für Jane Vorbild und Mutterfigur wird.
Ich besitze ebenfalls die Reclam-Ausgabe. Es wird dort drauf hingewiesen, das praktisch die komplette Zeit in Lowood ein sehr genauer Bericht von Charlotte Brontes eigener Schulzeit in "Cowan Bridge", einer Schule für Töchter von Geistlichen, ist. Die Rolle der Helen ist dabei, wie schon erwähnt wurde, in Wirklichkeit ihre Schwester Maria. Sowohl die schlechte Behandlung durch Miss Scatcherd als auch ihr ganzes Wesen und viele der Dialoge sollen dabei so wirklichkeitsgetreu und wörtlich wie nur möglich gewesen sein. Auch die ganzen Verhältnisse in und um Lowood. Die Figur der Miss Temple hat dabei auch eine wirkliche Entsprechung in der damaligen Leiterin von Cowan Bridge, Miss Anne Evans. Dieser Abschnitt des Buches scheint also tatsächlich in größtem Maße ein autobiografischer zu sein.