Das alte Buch Mamsell - Peggy Wehmeier

  • Wieder einmal war es der ein wenig rätselhafte Titel, der mich bewogen hat, mir dieses schmale Bändchen zuzulegen. Beim näheren Hinsehen gab der Untertitel Märchen für Kleine und Große nähere Hinweise auf den Inhalt. Es handelt sich tatsächlich um ein ‚modernes’ Märchenbuch, dreizehn Geschichten erwarten die Leserinnen und Leser.
    Gleich die erste erzählt, wie das Buch zu seinem Namen ‚Mamsell’ kam, damit war zumindest dieses Rätsel gelöst. Zugleich ist diese einführende Geschichte eine Geschichte übers Schreiben. Danach geht es stracks in die beseelte Natur. Bäumchen voller Sehnsucht, besorgte Winde, Wolkenfänger, Zaubervögel, kleine außerirdische Wesen tun ihr Bestes, um die Welt der Menschen besser werden zu lassen. Wie diese Welt aussieht oder eines Tages aussehen könnte, erzählen vier Geschichten, die mangelnde Mitmenschlichkeit als Thema haben. Dazu kommen Weihnachts - und Engelsgeschichten.
    Das alles ist sehr nett erzählt, in schönen Bildern, der Stil ist durchgängig poetisch.


    Aber es genügt nicht wirklich. Die Geschichten sind wenig originell, sie sind vor allem brav, geradezu bieder. Klischees finden sich allenthalben, Konflikte werden mit Mühe angerissen, um dann schleunigst zu einem viel zu süßen Ende gebracht zu werden. Es gibt keine Bewährungsproben, ja, wenn man genau hinsieht, gibt es nicht einmal eine echte Geschichte. Es gibt viel Gutmeinen, viel Fühlen, Glaube, Liebe, Hoffnung. Es gibt die funkelnden Sterne, aber der schwere Weg dahin ist längst in Vergessenheit geraten. Es sind keine Geschichten, die zum Nachdenken anregen, sondern vielmehr die Überzeugung stützen, daß am Ende eben doch noch alles gut wird. Irgendwie. Wenn wir nur auch gut sind. Irgendwie.
    Wer Zeit und Lust hat, vergleiche einmal Wehmeiers ‚Wolkenfänger’ mit Storms ‚Regentrude’, um zu verstehen, welche Untiefen, Schrecken, Ängste Märchen wirklich ansprechen, wie wenig heimelig sie sind, wie un-heimlich.


    Ausgestattet ist das Buch mit Bildern von Schülerinnen und Schülern - ich gehe davon aus, daß sich auch Mädchen beteiligt haben, das Vorsatzblatt spricht allein von ‚Schülern’, wie es sich in einem Buch gehört, dessen Geschichten die Menschen besser machen sollen - des Immanuel Kant Gymnasiums Bad Oeynhausen. Die Auswahl der Illustrationen ist interessant. Die Bilder fangen etwas sehr Kindliches und zugleich Chaotisch - Düsteres ein, das den Geschichten eigentlich fehlt und bringen auf ihre Weise einen atmosphärischen Mehrwert in dieses gedanklich eher schlichte Büchlein.


    Wer Versöhnliches, Freundliches, Liebes mag, ist mit diesen Geschichten gut versorgt.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

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