Das Referat

  • David war ein aufgeweckter elf-jähriger der sehr gerne zur Schule ging. Das einzige, was er gar nicht gerne machte, sind Referate, und ausgerechnet an diesem Freitag hatte ihnen der Lehrer eins aufgegeben! Warum nur hatte der Lehrer nicht bis nächste Woche warten können, nun war das ganze Wochenende verdorben. David wollte mit seinen Freunden Fußball spielen gehen, stattdessen musste er jetzt für dieses Referat arbeiten. Das Thema passte ihm auch ganz und gar nicht: Haus- und Nutztiere. Er konnte sich nicht einmal aussuchen, über welches Tier er das Referat halten wollte, sie mussten alle Lose ziehen. Der Lehrer hatte nur gemeint, er wolle nicht zehn Referate über Hunde und Katzen hören und nichts über Kühe, Hühner und anderes mehr.
    „Was ist denn schon interessant an Hühnern und Kühen?“ fragte sich David auf dem Nachhauseweg. Zumindest musste er nicht über Hühner schreiben, aber was wusste er schon über Esel, er hatte in seinem ganzen Leben noch keine Esel gesehen.
    „Am besten frage ich meine Mutter“ sagte er sich selber, „vielleicht weiß sie mehr darüber. Im Zeitalter des Internets müsste man doch was rausfinden, oder etwa nicht?“
    Etwas besser gelaunt kam er zu Hause an und wollte auch gleich seine Mutter fragen, ob sie denn weiterhelfen könne, aber sie war nicht da. David wollte die Aufgabe so schnell wie möglich fertig stellen, vielleicht konnte er ja dann doch noch zumindest für ein paar Stunden Fußball spielen gehen. Er setzte sich hinter den Computer und versuchte, Informationen zu finden. Zu seinem Erstaunen entdeckte er, dass es ganz in der Nähe einen Bauern gab, der Esel hielt.
    „Warum gehe ich nicht einfach vorbei, das ist viel einfacher, als alles aus dem Internet abzuschreiben, und ich bekomme alles aus erster Hand.“
    Er suchte die Telefonnummer des Bauern heraus und rief dort an. Der Bauer war höchst erfreut über Davids Interesse und lud ihn ein, am Nachmittag vorbeizukommen.
    Bewaffnet mit Schreibblock, Bleistift und vielen Fragen machte sich David nach dem Mittagessen auf, um den Bauern zu besuchen. Herr Müller, so hieß der Bauer, kam ihm bereits auf dem Weg zum Haus entgegen und führte ihn zuerst zur Koppel. Dort sah David vier Esel stehen, doch was für Esel waren denn das? Jeder sah etwas anders aus, und klassisch grau, so wie man sich Esel vorstellt, war nur einer. Ein Zweiter war braun-weiß gescheckt, einer war nur braun und der Vierte schwarz mit etwas weiß.
    „Sind das wirklich alles Esel?“ fragte David.
    „Natürlich, die kommen nur aus verschiedenen Erdteilen. Der Graue kommt aus Afrika, die anderen kommen alle aus Asien.“
    Da hatte David doch schon einmal eine sehr interessante Information. Gewissenhaft machte er sich Notizen. Herr Müller erzählte ihm vieles über die Pflege der Esel, und auch, was Esel fressen. Im Gegensatz zu Pferden dürfen Esel kein Gras fressen, und auch das harte Brot, dass sie sehr lieben, darf man ihnen nur ausnahmsweise geben. Er lernte auch, dass man Esel bürsten muss, besonders im Frühling, da sie dann, wie viele andere Tiere auch, das Winterfell verlieren. Herr Müller zeigte David auch, wie man die Hufe der Esel pflegt. Es gab so vieles zu lernen und David begeisterte sich immer mehr für das Thema seines Referates.
    Am Ende seines Besuches fragte David, ob er am nächsten Tag wiederkommen durfte, um noch mehr zu erfahren und vielleicht auch ein wenig zu helfen. Herr Müller freute sich über das Angebot und nahm es gerne an.
    Auf dem Weg nach Hause aß er den Apfel, den er von Herrn Müller erhalten hatte. Eigentlich schade, dass er ihn nicht mit Swifty teilen konnte.
    Das Referat schrieb sich fast von selbst, aber so ganz zufrieden war David noch nicht. Er freute sich sehr auf den nächsten Tag. Da es Samstag war, konnte er, sofern es seine Mutter erlaubte, den ganzen Tag bei den Eseln verbringen. Vielleicht durfte er sogar reiten!
    Pünktlich um 10 Uhr erschien David auf dem Bauernhof, wiederum ausgerüstet mit Notizblock und Bleistift, aber auch etwas trockenem Brot. Herr Müller hatte ihm erlaubt, etwas davon den Eseln zu geben.
    „Wenn man es ihnen nur hin und wieder gibt, und nicht zuviel aufs Mal, dann macht das nichts.“
    Mit Begeisterung striegelte David die Esel, half beim Reinigen der Hufe und führte sie auf die Koppel. Dort bekamen sie dann das trockene Brot, das sie fast gierig fraßen.
    Davids Liebling war der braun-weiß gescheckte, er hieß Swifty und war schon 15 Jahre alt. David fand, dass sei doch schon alt, aber Herr Müller sagte ihm, dass Esel erst mit 7 Jahren ausgewachsen sind und mit 15 im besten Alter sind.
    „Warum halten sie Esel, und wieso gleich vier aufs Mal?“ wollte David wissen.
    Herr Müller lächelte. „Esel sollte man nie allein halten, sonst werden sie böse da sie sich einsam fühlen. Wieso ich gerade vier habe, nun ja, ich habe mich in jeden einzelnen verliebt, als ich sie zum ersten Mal sah. Swifty war der Erste, zusammen mit dem Schwarzen, die anderen beiden kamen erst später hinzu. Warum ich Esel halte? Sie sind gute Arbeitstiere, sie können Lasten tragen, wenn ich mal zu Fuß unterwegs bin. Sie sind auch sehr trittsicher, deshalb nehme ich sie auch gerne mit, wenn ich wandern gehe. Natürlich nicht alle vier zusammen!“ lachte er.
    Der krönende Abschluss für David kam viel schnell. Er durfte auf Swifty reiten.
    Stolz und zufrieden kam David an diesem Abend nach Hause. Das Fußballspiel hatte er völlig vergessen. Obwohl er müde war, schrieb er sein Referat fertig und freute sich auf Montag, der Lehrer würde große Augen machen!

    Mit lieben Grüssen aus der Schweiz
    Nachteule mit drei Pseudo-Stubentigern namens Müsli, Nero und Sandy


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  • Super! Ich finde die Geschichte schön und du hast auch gut beschrieben, wie Davids Einstellung sich gegenüber dem ungeliebten Referatsthema allmählich ändert.
    Über Esel scheinst du dich ja auch informiert zu haben, zumindest wirkt es auf mich so, wie wenn ein bestimmtesHintergrundwissen vorhanden wäre. Weiter so!


    Gruß


    Hundefreund

  • Sehr schöne Geschichte. Sie hat mir wirklich sehr gut gefallen. Und ganz nebenbei hat man auch noch was über Esel gelernt. Sowas mag ich... ;-)

    "Nicht wer Zeit hat, liest Bücher, sondern wer Lust hat, Bücher zu lesen, der liest, ob er viel Zeit hat oder wenig."

    - Ernst Reinhold Hauschka

    Zitat