Iain Banks: "Bedenke Phlebas"

  • Der humanoide Formwandler Horza ist als Söldner bei den Idiranern beschäftigt, jener riesenhaften Insektenrasse, die - als einzige in der Galaxis - gegen die "Kultur" ankämpft. Die "Kultur" zeichnet sich dadurch aus, daß ihre Bewohner, Billiarden inzwischen, so gut wie keiner Beschäftigung nachgehen, den Luxus der automatisierten Produktion genießen und das All in gigantischen Schiffen bereisen, vor allem aber dadurch, daß Maschinenintelligenzen denjenigen humaner Lebensformen gleichgestellt sind - sehr zum Ärger der kriegerischen und irgendwie fundamentalistischen Idiraner. Als eine solche Intelligenz, das "Gehirn" eines Sternenschiffes, auf einem sogenannten "toten Planeten" abstürzt, machen sich Horza und einige andere auf die Suche danach. Der übliche Wettlauf gegen die Zeit beginnt.


    Dieser erste Roman aus dem "Kultur"-Zyklus des britischen Autors ist gespickt, nahezu vollgepackt mit Ideen, Entwicklungen und Erfindungen, teilweise mehr davon pro Seite als in vergleichbaren Büchern insgesamt zu finden sind. Banks beschäftigt sich ausgiebig mit den Folgen der Übertechnisierung und den philosophischen Hintergründen einer leistungsfreien Weltordnung, schickt seine Protagonisten auf immer noch obskurere Welten und zeichnet eine Heerschar von Figuren, was gelegentlich dicht an totale Unübersichtlichkeit heranreicht.


    Leider geschieht in diesem Roman trotzdem so gut wie nichts, das man wohlwollend einer durchgehenden Handlung zuordnen könnte. Der eher fade und etwas merkwürdige Showdown steht am Ende einer losen Kette von Ereignissen, die zuweilen etwas willkürlich erscheinen und selten auch nur eine Spur von gemeinsamem Kontext mit der Haupthandlung haben. Das hat "Bedenke Phlebas" mit fast allen Banks-Romanen gemein, das aktuelle "Der Algebraist" eingeschlossen. Nichtsdestotrotz liest sich dieser intelligente und anspruchsvolle SF-Roman gut, und er ist vollgepackt mit verblüffenden Einzelgeschichten. Das Buch gehört inzwischen zu den modernen Klassikern der "Space-Operas", und hierbei durchaus zu den lesenswerteren.

  • Habe das Buch gerade zu Ende gelesen.


    Die Story ist wirklich sehr gut, auch wenn immer wieder Zeitabschnitte übersprungen werden. Das sind manchmal gewisse Solperstellen.


    Was mir jedoch ganz und gar nicht gefallen hat, war die - für meinen Geschmack - extreme Gewalt mit der die Figuren vorgehen. Ich muss in einem SciFi Buch nicht unbedingt detaillierte Fingerabrisse, auf den Boden platternde Gedärme, zertretene Köpfe, usw usw haben.
    Das Buch tut so als wäre es KEIN Splatter-Roman. Streckenweise ist jedoch genau das Gegenteil der Fall.


    Daß die Story an sich gut ist, habe ich erwähnt. Das man für eine Story mit solch rohen Gewaltdarstellungen auch noch Preise bekommt, kann ich nicht verstehen.

    ***Platzhalter für pseudo-philosophischen Dünnpfiff***

    Dieser Beitrag wurde bereits 2 Mal editiert, zuletzt von Dasir ()

  • Ich kann Dasir nur zustimmen, die expliziten Gewaltdarstellungen sind stellenweise wirklich überflüssig da hier nur Grauen und Ekel erweckt werden soll.
    Wenn man Verwundungen und Gewalt innerhalb eines Kampfes ausführlich beschreibt dann wird realistisch dargestellt das es auch in technologisch fortgeschritteneren Kulturen zu Gewalt kommt, wenn aber nur beschrieben wird wie jemandem die Gliedmassen verstümmelt werden ist das ...überflüssig.


    Aber alles in einem ist dieses Buch auf jeden Fall lesenswert da wirklich sehr viele kreative Ideen auftauchen und diese Dichte bis zum Schluss nicht abreisst.
    Ausserdem sind auch die nachfolgenden Kultur-Romane reich an Geschenissen und Eindrücken die dieses fiktive Universum bunt und lebhaft machen.

  • Es herrscht Krieg in der Galaxis. Die religiös-fanatischen Idiraner (eine drei Meter große, dreibeinige Spezies mit partiellem Exoskelett) kämpfen gegen die hedonistische, technologisch hoch entwickelte und "heterokratisch" organisierte Kultur, einem Zusammenschluss verschiedenster humanoider Spezies. In diesem Konflikt geschieht es nun, dass ein "Mind" - ein elektronischer Geist - von bisher unbekannter Komplexität versucht, sich aus der Galaxis zurückzuziehen, dabei wird er von einem idiranischen Schiff angegriffen und weiß sich nur zu helfen, indem er sich selbst auf den nahe gelegenen Planeten Schar's World transferiert. Von dort kann er allerdings nicht so leicht wieder zurückgeholt werden, denn Schar's World ist einer der "Planets of the Death", unbevölkerte Planeten mit kriegerischer Vergangenheit, die von der rein energetischen Superspezies der Dra'Azon vor allen anderen Lebewesen abgeschirmt werden, die sich mit gewaltsamen Absichten dem Planeten nähern. Nur einzelne Angehörige politisch unbedeutender und neutraler Spezies werden dort geduldet. Eine solche Spezies sind die "Changer". Daher verfällt der idiranische Kriegsrat auf die naheliegende Idee, den in ihren Diensten stehenden "Changer" Bora Horza Gobuchul nach Schar's World zu schicken, um das "Mind" von dort zu holen und es den Idiranern auszuliefern.
    Natürlich geht alles schief, Gora Horza Gobuchul gerät in die Hände skrupelloser Söldner und muss mit ihnen erst auf eine Reihe erfolgloser Raubzüge gehen, bevor er eine Gelegenheit hat, seine formwandlerischen Fähigkeiten einzusetzen und den Kapitän des Söldnerschiffes zu ersetzen. Mit der verbliebenen Crew und einer gefangenen Geheimagentin der Kultur macht sich Horza auf nach Schar's World. Doch leider hat der Dra'Azon (aus welchen Gründen auch immer) den Planeten nicht gut genug abgeschirmt. "THERE IS DEATH HERE," warnt er Horza und tatsächlich ist das versprengte Häuflein uneiniger Söldner nicht der erste ungebetene Besuch auf Schar's Wolrd.


    Das hört sich jetzt bescheuerter an als es im Grunde ist. Ganz klar: Iain M. Banks, der ohne sein Mittelinitial auch Nicht-SF-Romane schreibt, entwirft hier einen Space-Opera-Plot erster Kajüte - mit allen dazugehörigen Nachteilen. Es gibt unendlich viele spektakuläre Baller- und Katastrophenszenen, nicht immer wird deutlich, wofür Banks sie alle braucht - auf das Kapitel "Temple of Light" hätte man etwa meiner bescheidenen Meinung nach vollständig verzichten können. Auch treten eine Menge interessanter Spezies auf, deren Handeln und Motivation aber nicht immer sehr gut beleuchtet wird (bestes Beispiel hierfür sind die Dra'Azon, die sich doch nicht als so grundsätzliche Gewaltverhinderer erweisen, als die sie für die Kohärenz des Plots eigentlich gebraucht würden).


    Aber ein bisschen mehr ist schon dran an "Consider Phlebas", denn in der vorderhand etwas sinnlos episch breiten Auswalzung dieser Kriegshandlungen en miniature schafft Banks es zum einen eine klare Zuordnung von Gut und Böse zu unterlaufen. Als Leser fragt man sich eigentlich bis zum Schluss, auf wessen Seite man stehen sollte. Banks bringt einen mit seiner unmittelbaren und personalisierten Art der Erzählung in eine sehr ambivalente Situation: Irgendwie kann man alle beteiligten Seiten verstehen. Der auktoriale Erzähler ist stark zurückgenommen und wird manchmal fast personal, sehr nahe an den Figuren, die natürlich für alles, was sie tun, gute Gründe haben oder zu haben glauben.
    Außerdem sind die ganzen gewaltsamen Handlungen nicht auf ein wirkliches Ziel hin geschürzt. Die Figuren wursteln sich eher so mit mehr oder weniger erschütterlichen Überzeugungen durch die Gefahrensituationen, sind aber meistens damit beschäftigt, sich - wenig strahlend - aus überhaupt nicht oder völlig fehlgeplanten Szenarien mit heiler Haut zu befreien, was erwartbar einem guten Teil des Personals nicht gelingt. Natürlich steht am Ende der Wunsch, das "Mind" in seine gewalt zu bringen, doch die Geschehnisse auf Schar's World lassen dieses Ziel dann doch wieder ganz weit in den Hintergrund geraten.


    Das ist eigentlich nicht schlecht gedacht von Mr Banks, gerät aber doch an vielen Stellen etwas beliebig und unnötig langatmig. Auch wirkt der angefügte Anhang, in dem Details über die kriegführenden Gesellschaften und den Verlauf des Krieges referiert werden, reichlich unelegant und wie Stückwerk, das nicht in die Diegese hat eingewoben werden können - aus welchen Gründen, sei dahingestellt.
    Ich habe trotz des interessanten Erzählstils nicht so schnell vor ein weiteres Buch aus der losen Folge des "Kultur"-Zyklus, dessen Auftakt "Consider Phlebas" bildet, zur Hand zu nehmen, wenn Banks auch sicher nicht für alle Zeit von meiner Leseliste gestrichen ist.


    Es fehlt bei diesem Buch für mein Empfinden ganz klar am Handwerk. Die Idee ist da und gut, die Umsetzung schlottert aber auch an Stellen, an denen sie es aus sich selbst heraus nicht sollte und lässt in der reinen Konstruktion, nicht im Handlungsverlauf zu viele Fragen offen.


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