McEwan, Ian: Amsterdam

  • Inhalt
    Das Buch handelt von vier Männern, die sich auf der Beerdigung einer alten Freundin treffen. Und genau dort setzt die Handlung ein. Clive und Vernon sind lange schon Freunde. George, den Ehemann der Beerdigten Molly mag keiner von beiden leiden. Noch weniger mögen sie allerdings den Politiker Julian, den letzten Liebhaber der Toten. Diese starb an einer kurzen und unidentifizierten Krankheit. Clive und Vernon versichern sich gegenseitig ihre Sterbe-Hilfe, sollten sie vor einem ähnlichen Schicksal stehen. Der Witwer findet verhängnisvolle Fotos des Politikers im Nachlass seiner Witwe und bietet sie Vernon an, der damit seine angeschlagene Zeitung retten will. Als Clive, seines Zeichens Komponist, der seit Monaten an einer Milleniums-Sinfonie schreibt, davon erfährt appelliert er an die Ehre des Freundes und die beiden zerstreiten sich darüber. Clive zieht sich zum Wandern zurück und macht dort eine verhängnisvolle Beobachtung. In Amsterdam schließlich treffen sich die Wege der vier Herren erneut, und nur zwei kommen mit dem Leben davon.


    Mein Eindruck
    Dieses Buch wurde 1998 mit dem Booker-Prize ausgezeichnet und laut Amazon handelt es sich um einen streng komponierten und vielschichtigen Roman in fünf Teilen. Ferner dreht es sich um eine Beschreibung der Medienwelt und deren Auswüchse. Dies lasse ich so stehen.
    Mir haben vor allem die Gedanken und Handlungsentschlüsse der beiden Protagonisten Clive und Vernon gefallen, die Beschreibung ihrer unterschiedlichen Lebens- und Arbeitsweisen. Da ich das englische Buch gelesen habe, bin ich mir sicher, nicht alles bis ins kleinste verstanden und durchschaut zu haben, über den Stil kann ich also nur sagen: es ist ein McEwan, wie ich ihn kenne. Spannend und mit überraschendem Ende, ruhig, überlegt und trotzdem bissig. Vor allem das Ende hat es mir angetan. Der Roman hat mich zum Nachdenken gebracht, über die Beweggründe der Medienmacher und Leser, der Medienbestimmer und solcher, über die bestimmt und geurteilt wird. Über Moral und Ehrlichkeit, oder vielmehr die Abwesenheit der letzteren. Ein weites Feld.


    Fazit
    Für mich ein eigentlich ruhiges und trotzdem spannendes Buch. Etwas zum Setzten lassen und später Wiederlesen.


    Die englische ISBN: 0-09-928957-1

  • Ich bin jetzt fast fertig mit dem Roman - und er gefällt mir gut.
    Ich kann mich da nur deiner Meinung anschliessen.
    Außer Amsterdam habe ich jetzt schon Abbitte gelesen; und
    Zementgarten und Am Strand warten noch im Bücherregal auf mich.


    :-]

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • Titel: Amsterdam
    Autor: Ian McEwan
    Verlag: Diogenes
    Erschienen: Januar 2001
    Seitenzahl: 211
    ISBN-10: 3257232845
    ISBN-13: 978-3257232844
    Preis: 8.90 EUR


    Molly, die umschwärmte Fotografin stirbt an einer heimtückischen Krankheit. Bei ihrer Beerdigung treffen sich ihre ehemaligen Freunde. Darunter der Komponist Clive und der Chefredakteur Vernon. Und auch der Außenminister gehörte zu ihrem speziellen Freundeskreis. Clive und Vernon, betroffen von Mollys Schicksal versprechen sich gegenseitige Hilfe, wenn einer von auch von einer unheilbaren Krankheit heimgesucht wird.


    Doch erst steht für die beiden Männer die eigene Karriere im Vordergrund. Doch Clive und Vernon müssen mit außergewöhnlichen Ereignissen fertig werden und haben große Probleme ihre eingeschlagenen Wege weiterzugehen. Sie bekommen Streit miteinander und treffen sich dann zur Versöhnung in Amsterdam.


    Ian McEwan hat ein teilweise bissiges und durchaus auch böses Buch geschrieben. Es macht ihm offensichtlich Freude mit seinen Fingern in offenen Wunden zu bohren. Er entlarvt gnadenlos Scheinheiligkeit und Selbstgerechtigkeit. In einigen Punkten ist es sogar eine rabenschwarze Komödie die Ian McEwan geschrieben hat. Man staunt über die Verlogenheit seiner Protagonisten und man staunt dann gleich noch einmal, wie die Hauptpersonen dieses Romans immer wieder versuchen, sich überall durch- und herauszulavieren.


    Sehr gelungen ist der groteske Schluss dieses Buch. Ein wirklich lesenswertes Buch.

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Bitter und böse, dieses Psychogramm einer Männerfreundschaft, die so viele Jahre Bestand hatte und zerbricht, als die beiden einander dringend gebraucht hätten.


    Zitat

    Original von Voltaire
    Er entlarvt gnadenlos Scheinheiligkeit und Selbstgerechtigkeit. In einigen Punkten ist es sogar eine rabenschwarze Komödie die Ian McEwan geschrieben hat. Man staunt über die Verlogenheit seiner Protagonisten und man staunt dann gleich noch einmal, wie die Hauptpersonen dieses Romans immer wieder versuchen, sich überall durch- und herauszulavieren.


    Genau so habe ich es auch empfunden, daher spare ich mir die Wiederholung und zitiere ;-)!


    Sprachlich auf jeden Fall wieder ein Genuss und wirklich genial, wie McEwan mit wenigen Worten bzw. Sätzen Persönlichkeiten so treffend skizziert, dass man sie als Leser genau vor Augen hat. Gefallen hat mir hier z. B. wie er auf S. 21 das Auftreten des Politikes beschreibt. "..., ihm war das Huschen der Augen entfallen, die rastlose Ausschau nach neuen Zuhörern oder Abtrünnigen, nach der Nähe einer Persönlichkeit von einem höheren Rang oder einer anderen wichtigen Gelegenheit, die womöglich ungenützt verstrich." :anbet


    Das Ende ist wohl grotesk, aber außerordentlich passend für das Buch. Es zeichnet sich schon eine Weile vor Schluß ab, so dass man sich als Leser darauf einstellen kann ;-).


    9 Punkte

  • Mein vierter Roman von McEwan konnte mich nicht auf ganzer Linie überzeugen, ein wenig ging es mir wie mit "Am Strand": sprachlich genial, inhaltlich schwächelnd.


    Vielleicht liegt es daran, daß dieser Roman gerade einmal 210 Seiten mit großzügigem Zeilenabstand hat, vieles also reduziert und komprimiert ist; jedenfalls fand ich keinen Zugang zu den Protagonisten, auch wenn diese herrlich böse charakterisiert werden. Das Ende ist sehr früh absehbar und die Passagen über das Schreiben der Sinfonie sind in meinen Augen zwar irgendwie beeindruckend (was das Wissen bzw. die Recherche des Autors betrifft), andererseits aber zu ausführlich für den vorhandenen Rahmen.


    "Amsterdam" kommt für mein Empfinden bei weitem nicht an "Saturday" und an "Abbitte" heran.
    6 Punkte