Manche tun es nicht - Ford Madox Ford

  • Klappentext:


    Christopher Tietjens ist ein vermögender englischer Gentleman mit fast unmenschlicher Selbstbeherrschung - und so läßt er auch die Romanzen und Amouren seiner attraktiven Frau scheinbar ohne sichtbare Regung über sich ergehen.
    Doch je unnahbarer und kühler er sich gibt, desto perfider und demütigender die Versuche seiner Frau, die Maske der standesgemäßen Selbstlosigkeit zu zerbrechen...



    Zum Autor:


    Ford Madox Ford wurde am 17.12.1873 in Merton, ein Vorort Londons, als Sohn eines Deutschen und einer Engländerin, geboren. Sein Vater war der aus Münster, nach London emmigrierte, stammende Dr. Franz Hüffer. Seinen Künstlernamen nahm er nach dem ersten Weltkrieg an, an dem er auf englischer Seite teilnahm (Juli 1915, Somme-Schlacht). Er hinterließ über achtzig Buchpublikationen, davon 30 Romane, ungezählte Besprechungen, Artikel und Aufsätze. Er war Herausgeber zweier epochemachender Literaturzeitschriften, der "english review" und der "transatlantic review". Er entdeckte und förderte Autoren wie Ezra Pound, Wyndham Lewis, Ernest Hemingway, D.H. Lawrence, Basil Bunting und Jean Rhys.
    Insbesondere unter der engen Zusammenarbeit mit dem Schriftsteller Joseph Conrad (1857-1924) wandelte sich Ford zum professionellen Künstler. Als sein Hauptwerk gilt "Die allertraurigste Geschichte" (The Good Soldier) das in der Zeit zwischen 1913-1915 entstand.
    Ford teilte sein Leben mit 4 Frauen, und galt als einer der größten Konversationskünstler seiner Zeit und als Begründer des modernen Romans. Momentan wird er als einer der größten Autoren des zwanzigsten Jahrhunderts wiederentdeckt.
    Er starb 1939 in Deaville, Frankreich, als armer Mann.



    Meine Meinung:


    Christopher Tietjens, ein Nachkomme alten Adels in North Yorkshire, ist unglücklich verheirat. Seine Frau Sylvia, eiskalt, wunderschön und gelangweilt, lässt keine Gelegenheit aus, ihn zu betrügen und ihn bloßzustellen. Er versucht hingegen, dem Verhaltenskodex seiner Klasse zu entsprechen, ganz englisch Gentleman like, lässt er sich die Demütigungen seiner Frau gefallen, versucht sich davon zu distanzieren, ja diese sogar noch zu entschuldigen.
    Als er auf einem Golfturnier die Frauenrechtlerin Valentine Wannop kennenlernt, nimmt sein Leben eine Wendung...


    Der Einband betitelt diesen Roman als eine Liebes- und Eifersuchtstragödie. Das ist er zwar auch, aber nicht nur. Ein Streifzug durch die englische Gesellschaft. Eine oberflächlich stabile Welt wird demaskiert, alte Werte und Traditionen geraten ins Wanken und inmitten dieser Turbulenzen versuchen die beiden sich Liebenden, durch moralische Reinheit und ein Ethos persönlicher Verantwortung zu überleben und einen sicheren Hafen zu erreichen.


    Die Sprache, derer sich Ford hier bedient, mutet zunächst etwas seltsam und schwer verständlich an. Als Leser habe ich am Anfang fast nichts verstanden, das ging ca. 150 Seiten so. Ich wusste weder, wer die handelnden Personen sind, noch was sie tun, und in welchem Bezug diese zueinander stehen. Immer damit beschäftigt, die Sinnzusammenhänge zu verstehen, ging das Lesen nur recht langsam und mühsam vor sich. Aber mit der Zeit entwickelte ich dann ein gewisses Verständnis für diese Form der Erzählung: innere Monologe, indirekte Formen der Präsentation, Assoziationsketten und vor allem die Zeitsprünge. Diese Dinge bekommt man irgendwann mal "intus", und dann machts erst richtig Spaß. Durch diese Erzähltechniken bekommen die handelnden Personen eine derartige Kompliziertheit und Komplexität, das ich nur noch am Staunen war, was man mittels Sprache alles machen kann.
    Ford selbst bezeichnete sich als 'Impressionisten', er war der Meinung, dass das Leben selbst keine Geschichten erzählt, sondern nur Eindrücke hinterlässt, und so kam er zu dem Schluss, dass er als Schriftsteller keine Geschichten erzählen dürfe, sondern Eindrücke wiederzugeben habe, um diesselbe Wirkung wie das Leben erzielen zu können ...
    Ganz treffend und witzig kommt dies z.B. in einer Passage des Romans zum Ausdruck, als Tietjens und sein Bruder spazieren gehen. Mark ist aufgefallen, dass sein Schirm nicht ordentlich zusammengefaltet ist, und er sinniert wirklich darüber nach, ob er das Malheur gleich selbst beheben könne, was für ihn doch mit einigem Aufwand verbunden wäre, oder ob er noch warten solle, bis er in seinem Club war. Das hieße dann aber, noch die restliche Strecke von eineinhalb Meilen mit einem nicht korrekt zusammengefalteten Schirm durch London zu gehen, was ihm auch unangenehm war :grin .
    Den Ausspruch "...ja ja, die gute, alte Zeit..." hat bestimmt jeder schon mal gehört. Als ich das gelesen habe, kam so ein etwas wehmütiges Gefühl in mir hoch, vielleicht gab es diese 'gute alte Zeit' ja doch, in der, aus unserer heutigen Sicht völlig grotesk anmutende, 'Banalitäten' einen enormen Stellenwert besaßen.


    Dem 400-seitigen Roman folgt noch eine 26-seitige sehr interessante Autobiographie über den Autor. Aus dieser ist zu entnehmen, das "Manche tun es nicht" zwar in sich abgeschlossen ist, es aber dennoch noch 3 Fortsetzungsromane mit Christopher und Valentine gibt. "No more Parades (1925, in deutsch veröffentlicht unter dem Titel 'Keine Paraden mehr')", "A Man Could Stand up (1926)", und "Last Post (1928)" heißen die Romane. Aus der Biographie wird darüber hinaus deutlich, das Ford in dieser Tetralogie, wie auch in "Die allertraurigste Geschichte", ein großes Stück seines Lebens darin verarbeitet hat.


    Da Band 2 inzwischen als Taschenbuch erhältlich ist, reizt es mich ja doch, die Geschichte weiter zu verfolgen, mal gucken ... :-)

  • Vielen Dank für die ansprechende Rezension!


    Sollte ich es irgendwann endlich mal schaffen, Ford Madox Ford zu lesen, dann werde ich es mit diesem Roman versuchen.


    Erst mal setze ich das Buch auf meine Wunschliste! Es ist wohl eher ein langfistiges Ziel.

  • Zitat

    Original von Herr Palomar
    Vielen Dank für die ansprechende Rezension!


    Biddeschön :-]



    Zitat

    Original von Herr Palomar
    Erst mal setze ich das Buch auf meine Wunschliste! Es ist wohl eher ein langfistiges Ziel.


    Das denke ich auch, aufgrund der wirklich nicht einfachen Sprache ließt sich das nicht so einfach im 'Handumdrehen' weg.

  • Das klingt wirklich interessant! Und du bringst es in deiner Rezi so schön rüber, dass es mich schon in den Fingern juckt.


    Ich habe "Die allertraurigste Geschichte" von Ford Madox Ford gelesen, was mir gut gefallen hat. Nach dem Nachwort gibt es in meinem Buch einen Aufsatz über den Autor von Kenneth Young. In "Manche tun es nicht" ist also eine Autobiographie hinten drin, also von Ford selbst. Klingt interessant.


    "Manche tun es nicht" gibt es bei uns in der Stadtbücherei. Da werde ich bei einem meiner nächsten Besuche mal nach Ausschau halten.