Groß und immer größer - Thalia übernimmt Karstadt-Buchhandlungen

  • Bevor ich jetzt schlafen gehe:


    Dem Beitrag von giulietta777 kann ich mich eigentlich nur anschließen. Die Sache ist halt komplex und nicht in schwarz-weiß Malerei zu klären.


    Das Problem ist, daß aus jeweils seiner Sicht heraus betrachtet, eigentlich jeder irgendwo recht hat. Letztlich entscheiden tun wir Verbraucher durch unsere Entscheidung, wo wir kaufen. Und da heutzutage überall nur noch die Masse zählt (siehe z. B. Quoten als einziger Maßstab für den Erfolg von TV-Sendungen)...


    Beide Formen haben ihre Berechtigung, und für beide wird es Konzepte für die Zukunft geben. Ich bin selbst in einer sehr kleinen Versandbuchhandlung tätig und habe das Amazon-Vertriebszentrum - also den ganz großen „Konkurrenten“ - praktisch direkt vor meinem Bürofenster. Und wegen Amazon kann ich so einiges meinen Kunden nicht anbieten, weil ich mit dem genannten einfach nicht mithalten kann. Aber daraus ein „Feindbild“ abzuleiten bringt mir auch nix. Doch es gibt anderes, wo der Große nicht kann (oder will), und das ist dann eben meine Chance. Und überall arbeiten Menschen, und wie Fritzi schon feststellte:

    Zitat

    Fritzi
    Wir Angestellten machen leider die betriebswirtschaftlichen Gesetze nicht und wir reiben uns bestimmt nicht die Hände, wenn wir hören, wieviele kleine Sortimenter ständig geschluckt werden!

    Wir sollten uns das Leben doch nicht schwerer machen, als es ohnehin schon ist, und daher hier keinen stellvertretenden „Kleinkrieg“ führen, der letztlich doch nichts verändert.


    Rein auf die Sachthemen bezogen, war die Diskussion für mich sehr interessant, und ich habe viel Stoff zum Nachdenken erhalten. Und ein paar Anregungen, die mir (hoffentlich) helfen werden, auch in Zukunft als „Kleiner“ dem „Großen“ (= Amazon) zwar nicht die Stirn zu bieten, aber doch daneben überleben zu können.


    Und in diesem Sinne erst einmal Gute Nacht.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von Salonlöwin
    Alter Thread, neuer Stand der Dinge:


    Link


    Danke, habe mich schon gewundert als ich dieser Tage in einer Karstadt-Filiale war und in der Buchabteilung hatte sich überhaupt nichts verändert.


    Und vielleicht noch eine Bemerkung zum Buchhandelssterben durch die Buchhäuser:


    In den letzten Jahren haben jede Menge alteingesessene Buchhandlungen in Frankfurt aufgegeben und die FAZ hat in einer Serie über Gründe berichtet.
    Dabei hat sich für mich vorallem herauskristallisiert:


    Der Kostendruck durch Miet-, Energie-, und Lohnerhöhungen, der nicht aufzufangen war, weder durch mehr Umsatz oder durch eine höhere Marge auf einem fast stagnierenden Markt nicht.

    "Sie lesen?"
    "Seit der Grundschule, aber nur, wenn's keiner sieht."


    Geoffrey Wigham in "London Calling" von Finn Tomson

  • Klar ist es Scheisse dass man nur noch in Ketten Bücher kauft. Dazu muss ich aber sagen dass ich z.B. nur englische Bücher die ich in meiner Buchhandlung nicht bekomme bei Amazon kaufe, dass ich lieber zu Hugendubel gehe, als in die Buchhandlung um die Ecke weil man mich da in Ruhe lässt (nein, ich brauche keine Beratung), und es dort auch englischsprachiges gibt. Ich bin verwöhnt durch grosse Konsumtempel ohne Seele, ja is' so.


    Ausserdem ist es natürlich zu beklagen dass das Sortiment immer kleiner wird. Aber die meisten Kunden, Hand aufs Herz, wollen doch eh nur wie alle anderen den momentanen Bestseller lesen. Ob das nun Dan Brown, Karin Slaughter, Harry Potter oder Glennkill ist.
    Und ich...na ich weiss doch woher ich meine Bücher bekommen kann. Und wenn die nicht in jedem Thalia für mich bereit stehen ist mir das auch schnuppe.

  • Ich habe von der Buchhändler auf die Kundensicht gewechselt.
    In meiner Buchkarriere habe ich für kleine Buchhändler gearbeitet und schließlich auch für eine große und auch mal eine ganz große Kette.


    Nach all den zahlreichen Erfahrungen muß ich sagen: als Kunde bin ich nun ein Ketten-Besucher.
    Ich habe in meiner neuen Heimatstadt die kleinen Buchhändler besucht - und bin unverrichteter Dinge wieder gegangen. Zu klein, zu unübersichtlich, zu schlecht sortiert. Wenn ich Taschenbücher in Drehsäulen sehe, gehe ich. Auch, wenn ich nicht die Novitäten kompakt zusammenfinde, sondern das Autorenalphabet durchwühlen muß um zu schauen, was es neues gibt.
    Das ist nichts für mich.


    Also bin ich in einen großen Laden einer Kette gegangen. Seelenlos sagen die einen, gut strukturiert, übersichtlich sage ich. Mir gefällt, daß es Qualitätsstandards gibt in der Präsentation. Mir gefällt, das es großzügige Tische gibt. Mir gefällt, daß die Novitäten im Eingangsbereich alle schön zusammenstehen und ich mich nicht durch sämtliche Regale wühlen muß.


    Gute und schlechte Buchhändler gibt es überall. Und meine Erfahrung lehrt mich, daß die Ketten nicht die schlechtesten Buchhändler haben (was daran liegt, daß sie zum Teil einfach besser bezahlen, weil sie das können).



    Das ganze hat für mich aber nichts mit dem Karstadt Deal zu tun.
    Denn hier wechselt Kette zu Kette (wie übrigens bei einem vorgenannten Beispiel Buch Habel - Hugendubel letzlich auch).
    Und ganz ehrlich: hat irgendjemand einen Unterschied bei Karstadt nun feststellen können?

    :lesend
    If you can read, you can empathize, luxuriate, take a chance, have a laugh, hit the road, witness history, become enlightened, turn the page, and do it all again
    Oprah Winfrey

  • Zitat

    Und ganz ehrlich: hat irgendjemand einen Unterschied bei Karstadt nun feststellen können?


    Ich wage es nicht zu sagen:
    Es hat noch keine Umfirmierung von Fabulus (zu Karstadt gehörend) zu Thalia gegeben. Eine Sache fiel jedoch merklich ins Auge, nämlich, dass das Angebot abgenommen hat und alles so übersichtlich präsentiert wird, dass kaum noch ein Angebot da ist. Mainstream und Geschenkartikel, diese Waren überwiegen, Hörbuchbereich ist okay, Sachbücher sind extrem ausgedünnt worden, ebenso Bildbände und Co, extreme Verschlechterung im Bereich Belletristik und Krimis, ebenso bei Phantasy. Im Bereich Reiseführer und Sprachen hat sich etwas getan. So zumindest meine Beobachtung für die Stadt Kiel. Die Kunden gehen dann gleich zu Weiland, der nur ein paar Meter entfernt ist.

  • Zitat

    Original von janda


    Ich habe in meiner neuen Heimatstadt die kleinen Buchhändler besucht - und bin unverrichteter Dinge wieder gegangen. Zu klein, zu unübersichtlich, zu schlecht sortiert. Wenn ich Taschenbücher in Drehsäulen sehe, gehe ich. Auch, wenn ich nicht die Novitäten kompakt zusammenfinde, sondern das Autorenalphabet durchwühlen muß um zu schauen, was es neues gibt.
    Das ist nichts für mich.


    Jeder wie er mag, keine Frage, allerdings möchte ich hier betonen, dass das aber längst nicht in allen kleinen Buchhandlungen so ist!


    Zitat


    Mir gefällt, daß es Qualitätsstandards gibt in der Präsentation.


    Auch das kann man leider nicht "in general" behaupten :nono. Sicherlich haben die "Großen" mehr Platz, allerdings wird dieser oft verschenkt um auch noch den 5001 Ken Follett auf den Tisch zu hieven, anstatt mehr verschiedene Titel frontal zu präsentieren.


    Zitat


    Gute und schlechte Buchhändler gibt es überall


    Das stimmt! :-)


    Zitat


    Und meine Erfahrung lehrt mich, daß die Ketten nicht die schlechtesten Buchhändler haben (was daran liegt, daß sie zum Teil einfach besser bezahlen, weil sie das können).


    Meine nicht, große Ketten bieten auch oft, weniger Gehalt und werben stattdessen mit Aufstiegschanchen, die oft nichts anderes heißen, als mehr Arbeit, mehr Verantwortung und gleichbleibender Vergütung
    Vor allem die Einsteiger sehen anfangs oft alt aus. Verdi sei Dank! :fetch


    Großkonzernmüde Grüße von Elbereth :wave

    “In my opinion, we don't devote nearly enough scientific research to finding a cure for jerks.”

    ― Bill Watterson

  • Zitat

    Original von Salonlöwin


    Ich wage es nicht zu sagen:
    Es hat noch keine Umfirmierung von Fabulus (zu Karstadt gehörend) zu Thalia gegeben. .


    Die Karstadtbuchabteilungen werden auch letztlich nicht von Thalia übernommen. Scheinbar konnte man sich nicht einigen.
    Die Karstadtbuchabteilungen sind seit Jahresbeginn von der DBH (Hugendubel- Weltbild) übernommen.
    Ich persönlich habe absolut keinen Unterschied feststellen können.

    :lesend
    If you can read, you can empathize, luxuriate, take a chance, have a laugh, hit the road, witness history, become enlightened, turn the page, and do it all again
    Oprah Winfrey

  • Zitat

    Original von Elbereth
    Meine nicht, große Ketten bieten auch oft, weniger Gehalt und werben stattdessen mit Aufstiegschanchen, die oft nichts anderes heißen, als mehr Arbeit, mehr Verantwortung und gleichbleibender Vergütung
    Vor allem die Einsteiger sehen anfangs oft alt aus. Verdi sei Dank! :fetch


    Ein Einsteigergehalt ist auch in den kleinen Buchhandlungen dürftig.
    Ich habe vor 20 Jahre meine Lehre begonnen und war nun 15 Jahre im Buchhandel (inzwischen bin ich nur noch Buchhandelsverwandt, aber letztlich in einer anderen Branche).
    Auch Ketten zahlen zu wenig - keine Frage. Die Gehaltsstruktur im Handel ist miserabel. Aber meine Erfahrung ist, daß Ketten sich gute Buchhändler auch mal was mehr kosten lassen können, als die kleinen, die mit jedem Cent rechnen müssen.

    :lesend
    If you can read, you can empathize, luxuriate, take a chance, have a laugh, hit the road, witness history, become enlightened, turn the page, and do it all again
    Oprah Winfrey