Groß und immer größer - Thalia übernimmt Karstadt-Buchhandlungen

  • Thalia übernimmt die Karstadt-Buchhandlungen. Ohne das jetzt groß kommentieren zu wollen, hier drei Links:


    Hier klicken für einen Artikel aus der WELT vom 26. Juni 2007;


    Hier klicken für einen kurzen Artikel zum gleichen Thema im „Börsenblatt“;


    Hier klicken für Buchhandelsstimmen dazu.



    Zitat

    WELT 26.06.2007, S. 27
    Dieses wachsende wirtschaftliche Gewicht wird aller Erfahrung nach nicht ohne inhaltliche Folgen bleiben.


    Das dürfte wohl wahr sein. Was das bedeutet, kann sich jeder vermutlich selbst ausmalen.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")


  • Tja, da wird der Mainstream dann wohl endgültig das vorherrschende Bild auf den Büchertischen. Dan Brown und "Bissige Morgengrauen-Bücher" werden dann halt die Bücherschränke beherrschen. Kleinere Verlage werden nun voll ausgebremst oder verschwinden völlig von der Bildfläche. Aber warum sollte es bei Büchern anders sein wie sonst auch im Leben. Man glaubt es gar nicht, aber es geht immer noch ein wenig mehr oberflächlicher. Experimenteliteratur hat dann absolut keine Chance mehr - oder sehe ich jetzt alles zu schwarz? :gruebel

    Ich mag verdammen, was du sagst, aber ich werde mein Leben dafür einsetzen, dass du es sagen darfst. (Evelyn Beatrice Hall)


    Allenfalls bin ich höflich - freundlich bin ich nicht.


    Eigentlich mag ich gar keine Menschen.

  • Zitat

    Original von Voltaire



    Tja, da wird der Mainstream dann wohl endgültig das vorherrschende Bild auf den Büchertischen. Dan Brown und "Bissige Morgengrauen-Bücher" werden dann halt die Bücherschränke beherrschen. Kleinere Verlage werden nun voll ausgebremst oder verschwinden völlig von der Bildfläche. Aber warum sollte es bei Büchern anders sein wie sonst auch im Leben. Man glaubt es gar nicht, aber es geht immer noch ein wenig mehr oberflächlicher. Experimenteliteratur hat dann absolut keine Chance mehr - oder sehe ich jetzt alles zu schwarz? :gruebel


    Da wir in Deutschland Gott-sei-Dank noch die Buchpreisbindung haben, wird das wohl so schnell nicht passieren. Außerdem kann ja jeder selbst entscheiden, ob er bei Amazon, Thalia oder doch lieber in der inhabergeführten Buchhandlung nebenan für Lesenachschub sorgt...

  • Als ob der Mainstream nicht schon vorher bei Karstadt eingezogen war...
    Ich finde die enorme Thalia-Konzentration viel bedenklicher.
    Und wenn ihr euch daran stört, dass nur noch Massenware auf den Büchertischen liegt, dann schaut euch doch mal hier bei den Eulen um: Da kauft doch der Großteil bei Amazon oder den "Großen".

  • Hallo Voltaire,


    ich sehe das eher positiv. Es könnte auch durchaus sein, dass dies eine Chance für Nischenbuchhandlungen ist. Ich weiß, dass spezielle Krimibuchhandlungen ganz gut leben, und in der eigenen Familie erlebe ich, wie begehrt die Beratung in einer kleinen, gemütlichen Kinderbuchhandlung ist. In der werde ich demnächst eine Woche vertretungsweise hinter der Ladentheke stehen (in München) und freue mich schon sehr auf viele interessante Gespräche, zu denen in diesen großen Mega-Buchhandlungen ja gar keine Zeit mehr ist. Da muss das Personal nur noch einräumen, bestellen, wegräumen, Seminare besuchen, Urlaubspläne einhalten etc... Alle sind gestresst, man traut sich kaum, eine Verkäuferin etwas zu fragen, es sei denn, man weiß gezielt, welches Buch bestellt werden soll. Und selbst dann stehen einem schon drei Leute im Nacken und stöhnen, weil man sich auch noch den Preis für die Taschenbuchausgabe heraussuchen lässt.

  • Die Karstadt-Buchabteilung hier in der Innenstadt ist so grottig, dass das sicher kein Verlust ist, wenn sie daraus einen Thalia machen. Wenn das ein Thalia wird, ist das für mich eher positiv, weil ich dann einen Thalia in der Innenstadt habe. Der Thalia meines Vertrauens in meinem Stadtteil hat ja leider zu gemacht. :cry

  • @ Delphin:


    Zitat

    Die Karstadt-Buchabteilung hier in der Innenstadt ist so grottig, dass das sicher kein Verlust ist, wenn sie daraus einen Thalia machen.


    :write für meine Stadt. Dazu kommen schon seit Jahren die miesepetrigen Gesichter der Angestellten.
    Aufhalten kann ich diesen Trend wohl nicht, letztlich bleibt mir dann nur noch die Wahl zwischen Pest und Cholera (Thalia und Weiland).

  • also mal ganz ehrlich:


    Die Buchabteilungen der Kaufhäuser können nur davon profitieren!
    Das Angebot in diesen Abteilungen war sowieso schon immer Mainstream und die Verkäuferinnen auch nicht wirklich motiviert und interessiert. Ich hoffe, dass da Thalia etwas mehr Schwung in die Abteilungen bringt.


    Welche Auswirkung die stärke "Macht" von Thalia hat, hmmm, da fehlt mir ein bißchen das Wissen über den Buchhandelsmarkt.

  • Die Richtung zum „Mainstream“, wie Voltaire es ausdrückte, gibt es schon sehr lange. Ich bin zwischen 1987 und 2000 als Verlagsvertreter gereist. Am Anfang, völlig unbekannt und mit wenigen kleinen Verlagen, bin ich dennoch (fast) überall empfangen worden, sofern die Bücher ins Sortiment gepaßt haben. Am Ende hatte ich eine ganze Latte Verlage, auch einige sehr bekannte Autoren, aber es wurde immer schwieriger. Es waren halt keine ganz großen Verlage, und hätte ich nicht aus familiären Gründen das Reisen aufgeben müssen, hätte mich ein paar Jahre später wohl der Strukturwandel erwischt. Denn entweder sind die Kunden gestorben (= Buchhandlung geschlossen), oder es wurden eben zusehend nur noch die „Mainstream“-Verlage und Bücher eingekauft.


    Zu den Kaufhausbuchhandlungen selbst kann ich nicht viel sagen. Hier in der Nähe gibt es keine, und wenn ich mal in einer größeren Stadt war und durch eine solche gegangen bin, habe ich nicht viel entdeckt, was mich interessierte. Gehöre wohl nicht zu deren Zielpublikum ;-) . Und zumindest in Deutschland tun auch die „Großen“ etwas fürs Buch; wenn ich recht entsinne, hat vor einiger Zeit Jörg Kastner aus seinem Buch in der Buchhandlung Weiland, die ja auch nicht gerade klein ist, gelesen.


    Das Problem sehe ich auch nicht im Internet oder Versandhandel. Ich selbst bin seit Jahren ein typischer Versandhandelskunde, meine Frau würde im Versand nur kaufen, wenn sie etwas im stationären Handel nicht bekäme. Das Problem sind m. E. die Größenverhältnisse, aus denen sich schiere Macht ergibt:


    Zitat

    WELT 26.06.2007, S. 27 (bzw. Online)
    Zu Thalia gehören bereits über 260 Filialen, die einen Jahresumsatz von mehr als 600 Millionen Euro ansteuern. Zusammen mit den Karstadt-Abteilungen wird die Kette, sagen Fachleute, einen Marktanteil von zwölf Prozent am deutschen Buchhandel (ohne Internet- und Versandhandel) erreichen. ...
    Bereits Klett als zweitgrößte Verlagsgruppe, hat, dem Branchenblatt "Buchreport" zufolge, nur einen Jahresumsatz von 400 Millionen, Random House von 230 Millionen Euro. Die größten Publikumsverlage wie Rowohlt oder Fischer nehmen mit rund 70 Millionen dazu aus wie Winzlinge.


    Es sind diese Größenverhältnisse, die mich beunruhigen. „Random House“ sind die Bertelsmann-Verlage - man lasse sich allein nur diese Relation durch den Kopf gehen.


    Groß ist schlecht - klein ist gut. So einfach ist es sicher nicht. Es hängt immer von den beteiligten Menschen ab. Man kann bei einem Großen gut und in einer kleinen Buchhandlung schlecht beraten werden. Und der Hinweis von Seestern auf die Buchpreisbindung ist richtig; die gibt es ja WEIL Bücher eben etwas anderes sind als Butter, Schuhe oder Klamotten.


    Nochmal: mich haben die Größenverhältnisse beunruhigt. Das wächst in Dimensionen, die nachhaltig alles verändern. Und das macht mir denn doch etwas Angst.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Irgendwie macht mich das als junge Buchhändlerin echt traurig.
    SiCollier : Was du erzählst erinnert mich sehr an unseren Arbeitsalltag grade. Ich arbeite bei Buch Habel und wie manche vielleicht wissen, ist die Kette Anfang des Jahres von Hugendubel aufgekauft worden. Vorher hatten wir immer eine ganze Reihe Vertreter im Haus, durchaus auch von kleineren Verlagen. Diese Einkaufsrunde gerade ist die erste, die wir nicht mehr nutzen dürfen, um Einkaufszahlen durchzugeben, sondern nur noch zu Informationsgesprächen. Dazu haben wir bis auf die allerwichtigsten auch die meisten Vertreter "ausgeladen", was einfach nur traurig ist. Wir dürfen nur noch bei einer Handvoll Verlagen direkt bestellen, der Rest läuft über die Barsortimente (mal von regionalen Titeln abgesehen). Natürlich ist das Hugendubel-Zentrallager riesengroß und es ist erstaunlich, wie viele Titel tatsächlich dort gelistet sind. Trotzdem...es macht einfach nicht mehr so viel Spaß und natürlich geht viel Individualität verloren.
    Und eins könnt ihr mir glauben...uns Buchhändlern gefällt das genauso wenig wie euch Kunden. Leider kann man gegen diese Übernahmen nicht viel ausrichten.

  • @ Giulietta777


    Ich weiß, wovon Du sprichst. Mir ist das (vor Jahren) als Vertreter so gegangen, und ich habe dadurch meinen besten Kunden verloren. Du bringst die Entwicklung gut auf den Punkt. Schade, daß es so gekommen ist bzw. sich so entwickelt.

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

  • Zitat

    Original von LuellaLu
    Als ob der Mainstream nicht schon vorher bei Karstadt eingezogen war...
    Und wenn ihr euch daran stört, dass nur noch Massenware auf den Büchertischen liegt, dann schaut euch doch mal hier bei den Eulen um: Da kauft doch der Großteil bei Amazon oder den "Großen".


    Das kann ich nur voll und ganz :write


    Gibt es hier auch nur eine einzige Eule, die tatsächlich nur und ausschließlich im kleinen Buchladen um die Ecke kauft? :rolleyes


    Und die Buchabteilungen in den Kaufhäusern können es sich erst recht nicht leisten, Nischen anzubieten!

    ...der Sinn des Lebens kann nicht sein, am Ende die Wohnung aufgeräumt zu hinterlassen, oder?


    Elke Heidenreich


    BT

  • Hallo Eulen der Nacht


    Ich finde so besonders war die Karstadt-Buchhandlungen nun auch nicht !
    Also im Grunde eigentlich kein besonderer Verlust denke ich mal !


    Davon abgesehen !aufhalten kann man es auch nicht !


    Jedenfalls ist es der "Lauf der Dinge " (typisch Wim Wenders berühmtester
    Film!


    L.G. teufelchen :wave

  • Ich habe das Gefühl, das eigentliche Problem wird gar nicht erkannt. Es geht doch nicht um den Verlust des Buchsortiments von Karstadt (nein, das war wohl kaum toll), sondern um die Konzentration im Buchmarkt.
    Die "Kleinen" werden immer mehr verdrängt, gehen massenhaft pleite, was natürlich die Vielfalt enorm einschränkt und zum Mainstream führt.
    Bei Karstadt sehe ich nicht sooo ein Problem, wo vorher Massenware liegt, kommt nun wieder Massenware hin, das Publikum bleibt das gleiche.

  • @ LuellaLu:

    Zitat

    Die "Kleinen" werden immer mehr verdrängt, gehen massenhaft pleite, was natürlich die Vielfalt enorm einschränkt und zum Mainstream führt.


    Meine Beobachtung geht dahin, dass die "kleinen" inhabergeführten Läden in mittelgroßen Städten, deren Geschäft funktioniert, von den Großen übernommen werden. Wenn ich davon ausgehen darf, dass hinter kleinen, teilweise auch spezialisierten Buchläden keine Aktiengesellschaften stehen, die geschluckt werden können, dann muss ich mich fragen, ob das große Geld der Ketten und die dahinter stehende Sicherheit für den Inhaber nicht wichtiger als seine Unabhängigkeit sind. Nach dem Kauf lassen die Ketten diese kleinen Buchläden unter ihrem alten Namen weiterlaufen und der Kunde bemerkt die Konzerneingliederung erst an den ausliegenden Thalia-/Weilandwerbebroschüren.

  • Nun ja, die großen Buchhandlungen übernehmen ja nicht nur, sondern drängen auch ein gewisses Konzept auf, was dazu führt, dass Buchhandlungen vereinheitlicht werden. Finde ich schade.
    Und gerade in kleineren Städten hat man ganz arg zu knabbern, wenn ein Filiale in der Stadt in 1a Lage aufmacht. Ich selbst habe von sooo vielen Insolvenzen gehört und wenn ich demnächst auf Jobsuche gehe, werde ich mir 3 Mal überlegen müssen, ob ich nicht doch besser zu einer Kette gehe. Die Entwicklung find ich einfach schade.
    Man kann nur hoffen, dass Thalia & Co sich ein wenig übernehmen und selbst zu Grunde richten.

  • Die Ketten kaufen zwar zu den gleichen Bedingungen ein wie die kleinen Buchhändler, eben wegen der Buchpreisbindung, aber sie kaufen ganz andere Stückzahlen. Und ich habe gerüchteweise gehört, daß die Grossisten nur dann höhere Stückzahlen vorordern, wenn die Verlagsverteter zum Beispiel gleichzeitig zusagen, den kleinen Buchhändler zwei Ecken weiter nicht mehr zu beliefern. Es ist ein sehr, sehr harter Verdrängungswettbewerb. Inwieweit sich dadurch das Sortiment ändert, ist eine ganz andere Frage. Tatsächlich kann sich Karstadt nur verbessern; die Buchabteilungen bei denen verdienen diese Bezeichnung eigentlich nicht.

  • hmmmm, ich frage mich gerade, was ich persönlich von einer Buchhandlung erwarte. und ich muss ehrlich sagen - die kleinen vollgestopften und trotzdem im Sortiment recht beschränkten Buchhandlungen bringen mir nicht so wirklich viel.


    Mich reizt es, wenn ich in eine Buchhandlung gehen kann und in einem reichhaltigen Angebot in Ruhe stöbern kann, wenn es dabei auch noch Orte zum zurückziehen gibt: also Sitzecken, wo ich meine Beute anlesen kann, vielleicht sogar noch ein Cafe dabei ist zum entspannen.


    Beratung brauche ich eher selten. Die hole ich mir selbst hier oder an anderen Stellen im Internet, da gibt es genug. Eigentlich lasse ich mich ganz gern von Covern, Titel und Klappentexten inspirieren. Das mir eine kleine Buchhandlung alles bestellen kann, ist ja schön und gut, aber das bedeutet, dass ich dort wieder hinfahren muss - zu den Öffnungszeiten (für mich eher schwierig!), Parkplatz suchen... da greife ich dann doch lieber auf amazon zurück.


    für mich ist es also tatsächlich eine möglichst große Auswahl und vor allem viele verschiedene Genre, auch Sachbücher und Platz und Ruhe. Tut mir leid, aber gerade die Kleinen können das oft nicht bieten.


    mir fällt gerade ein: Lesungen sind noch eine Sache, mit denen mich eine Buchhandlung anlocken kann.