Arnaldur Indridason: Frostnacht

  • Inhalt (Klappentext bei amazon kopiert)


    Ein offenbar kaltblütig ausgeführter Mord lässt den Menschen in Island das Blut in den Adern gefrieren - mehr noch als die eisigen Stürme, die in diesem ungewöhnlich kalten Winter über die Insel im Nordatlantik hinwegfegen: Ein kleiner Junge isländisch-thailändischer Abstammung wird erstochen aufgefunden. Im eigenen Blut am Boden festgefroren. Wie kann es zu einem derart grausamen Mord kommen? Wer bringt so etwas fertig? Die Ermittlungen von Erlendur, Sigur ur Óli und Elinborg von der Kripo Reykjavík konzentrieren sich zunächst auf das direkte Umfeld des Kindes: die Lehrer, die Mitschüler und die Angehörigen. Je mehr sie dabei in Erfahrung bringen, desto tragischer erscheint der Tod des kleinen Jungen. Kommissar Erlendur Sveinsson ermittelt in seinem siebten Fall, der ihm auch aus persönlichen Gründen schwer zu schaffen macht ...



    Meine Meinung


    Dieser 7.Roman der Erlendur-Reihe ist weniger spannend als die anderen Bände, ich würde ihn eher bei den "gesellschaftskritischen" Romanen als bei den "Krimis &Thrillern" einordnen.
    Das vorherrschende Thema ist diesmal Fremdenfeindlichkeit, ein Problem, auf das die Deutschen sichtlich kein Monopol besitzen. Ein Teil der Isländer fürchtet um die isländische Sprache (nur von 300000 Menschen gesprochen - eine sehr kleine Sprachgemeinschaft) und Kultur. Außerdem geht es auch um Jugendkriminalität.
    Aufgrund der traurigen Tatsache, dass ein 10-jähriger Junge das Mordopfer ist, verfällt Erlendur noch stärker als in den Vorgängerbänden in düstere Reminiszenzen hinsichtlich des Todes seines eigenen Bruders, der in ungefähr demselben Alter in den Bergen bei einem Lawinenabgang verschollen war und dessen Leiche nie gefunden wurde.
    Ich habe es als wohltuend empfunden, dass Erlendurs verkorkster Tochter Eva Lind in diesem Roman nicht soviel Raum gegeben wird. :grin
    Die Auflösung des Falles bahnt sich erst auf den letzten 30 Seiten an, nachdem der Leser zuerst in eine ganz andere Richtung gelenkt wurde. Der Schluss macht sehr betroffen und lässt den Leser ziemlich resiginiert und pessimistisch im Hinblick auf den Niedergang der Menschlichkeit zurück - das ist zumindest mein persönliches Empfinden.
    Auch wenn dieser Roman nicht den Adrenalinspiegel in die Höhe treibt, so ist er durchaus lesenswert und sei den Freunden skandinavischer, "realistischer" Krimiliteratur empfohlen.

  • Das ist schwer zu sagen, schließlich kommt es auf die Erwartungen des einzelnen Lesers (Spannung, Realitätsnähe, Sprachstil) an.
    Im Hinblick auf Realitätsnähe, bzw. Aktualität und Sprachstil hat mir das Buch sehr gut gefallen (so etwa 9 Punkte), wer Spannung à la Mo Hayder, Tess Gerritsen & Co erwartet, wird eher enttäuscht sein. Das kann ich in Punkten schlecht ausdrücken.

  • Nachdem ich "Engelsstimme" schon nicht so gut fand und du auch nicht von dem Buch überzeugt bist, werde ich mit das Buch nicht zulegen. hatte es neulich mal in der Hand, aber ich war da schon skeptisch, weil,s.o.. Einen krimi les ich nicht wegen Sprachstil, Realitätsnähe oder Aktualität, wobei das nicht unbedingt fehlen darf, sondern wegen der Spannung und der Möglichkeit selbst Schlüsse zu ziehen.

  • Ich habe "Frostnacht" aus meinem SUB gezogen und bis 1/3 gelesen. Für mich ist es sehr befremdlich, dass sich alle duzen aber laut Klappentext ist dies in Island normal und wurde für die Übersetzung ins Deutsche beibehalten. Das Buch wirkt auf mich sehr düster und ich habe im Augenblick noch überhaupt keine Ahnung wer der Täter/in sein könnte. So bald ich das Buch zu Ende gelesen habe, werde ich mehr dazu schreiben können.

    Willst du den Charakter eines Menschen erkennen, so gib ihm Macht. (Abraham Lincoln, 12.02.1809 - 15.04.1865)

  • Zitat

    €nigma
    Auch wenn dieser Roman nicht den Adrenalinspiegel in die Höhe treibt, so ist er durchaus lesenswert und sei den Freunden skandinavischer, "realistischer" Krimiliteratur empfohlen.


    :write
    "
    Und genau das ist dieses Buch: Ein typischer Indridason, wie ich ihn mag.


    Knapp, klar, kalt.


    Seine Romane machen mich neugierig auf das wirkliche Island. Hoffentlich bald!

  • Ich habe das Buch zu Weihnachten bekommen, bin aber noch nicht dazu gekommen, es zu lesen. Das wird sich bald ändern, dann mehr dazu.


    grüße von missmarple

    "Ein Archäologe ist der beste Ehemann, je älter eine Frau wird, um so mehr interessiert er sich für sie."
    Agatha Christie

  • Arnaldur Indridason "Frostnacht"
    Ein Kind verschwindet. Ein thailändischer Junge, der mit seiner Mutter und dem älteren Bruder in Reykjavik gelebt hat, ist brutal getötet geworden. Kommissar Erlendur und seine Kollegen sind erschüttert und schnell kommt der Verdacht auf, dass das Motiv für diese Tat einen ausländerfeindlichen Hintergrund haben könnte.
    Auf behutsame Art und Weise erzählt der Autor wechselseitig - mal aus der Sicht der Familie, mal aus der Sicht der Bevölkerung - vom Leben einer immigrierten Familie in Reykjavik und seinen Unwägbarkeiten. Indridason schafft es, die Einwanderungsproblematik nuanciert darzustellen,
    was die eigentliche Geschichte in den Hintergrund drängt und langatmig erscheinen lässt. Die langsame Erzählweise ist es auch, die den Unterschied zu den Vorgängerromanen bildet und nur den an Island interessierten Leser durchhalten lässt. Er erfährt etwas über den isländischen Alltag und den damit verbundenen Schwierigkeiten, die soziale Struktur der Bevölkerung und die Inselmentalität, die letztlich dazu führt, gegenüber Ausländer grundsätzlich misstrauisch zu sein.
    Anhand dieser Problematik schildert Indridason anspruchsvollund manchmal auch monologisierend das Schicksal einer Thailänderin, die einen
    Mann aus einem fremden Land heiratet, mit ihm ein Kind zeugt und später ihr erstgeborenes Kind nach Island holt. Während der in Island geborene Junge sich gut einlebt und die Sprache beherrscht, fällt es dem anderen Kind schwer, sich einzugliedern. Diese Außenseiterrolle nimmt Indridason zum Anlass, unterschiedliche Fährten zu legen, die letztlich in einer zu einfachen und doch so naheliegenden Wahrheit enden.


    Fazit:
    Kein Kriminalroman für Fans des hardcore crime,
    aber eine Empfehlung für Leser, die das Islandflair lieben.

  • Das positive vorweg:
    Man kann Frostnacht, als 7. Teil einer Reihe, problemlos lesen, wenn man die anderen Teile nicht kennt.


    Die Frage ist nur, warum sollte man dieses Buch überhaupt lesen?


    Zu Beginn wird ein kleiner Junge tot aufgefunden und ein Team von Ermittlern versucht herauszufinden, wer ihn erstochen hat.
    Der Junge ist der Sohn einer Thailänderin und eines Isländers, so dass die ganze Geschichte im Hinblick auf Fremdenfeindlichkeit interpretiert wird. Diverse - nein, eigentlich Mengen von Verdächtigen tauchen auf nur die Spannung hält sich erfolgreich verborgen.
    Das Ende ist weder originell noch überraschend noch irgendwas.
    Die Sprache ist schlicht bis langweilig, die Figuren ebenfalls - die Ermittler tappsen blind durch die Gegend, fahnden und suchen und befragen und alles endet in Sackgassen. Die Atmosphäre des Buches ist so unterkühlt, dass ich fröstelnd auf dem Bett lag.


    2 von 10 Punkten, die gibt es dafür, dass ich letztendlich zumindest wissen wollte, was jetzt mit dem Jungen passiert ist.

  • Zitat

    Original von €nigma
    @ Tjorvensmum


    Das kennt man doch schon von den Mankell-Romanen. :-)
    !


    Ich hab es in der englischen Uebersetzung gelesen, da merkt man es nicht, denn auch hier gibt es nur "you". Scheint in skandinavischen Sprachen aehnlich zu sein.


    Wer hier einen richtigen Krimi gesucht hat, wird wohl von diesem Titel etwas enttaeuscht sein. Ein klassisches whodunit gibt es zwar, das rueckt aber doch mehr in den Hingergrund. Mir geht es bei Indridason aber eh mehr um die Atmosphaere und ein wenig Islandkunde. Und da wird man doch ganz gut bedient. Obendrein zeigt bei uns derzeit das Thermometer noch kaeltere Temperaturen an, so dass "Arctic Chill", wie der englische Titel heisst, absolut passend fuer meine Laune war :wow


    Etwas mehr Spannung haette diesem Buch aber durchaus gut getan. Bei aller Liebe zu Indridasons Beschreibungen von Island und seinen Menschen braucht es doch bei bischen mehr um mich wirklich zu begeistern. So ist es ein gutes Buch fuer seine Fans geworden, aber nicht viel mehr.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • "Frostnacht" erzählt die Geschichte von Sunee und ihren beiden Söhnen Elias und Niran. Sie zieht von Thailand nach Island in der Hoffnung auf ein besseres Leben. In Island heiratet sie einen Isländer und bekommt mit ihm Elias. Niran kommt erst später aus Thailand nach. Er kann sich jedoch nicht in die isländische Gesellschaft einfügen und erlernt auch kaum die Sprache. Seine Eltern lassen sich bald darauf scheiden und sie müssen nun allein zurecht kommen. Doch dann wird Elias tot aufgefunden und Niran ist verschwunden. War es Fremdenhass? Ein Kindermörder?


    Arnaldur Indridason beschreibt in "Frostnacht" eher die Probleme eines kleinen stolzen Volkes, welches Angst hat seine Identität durch Ausländer zu verlieren als einen Krimi. Die Auflösung des Mordes an Elias rutscht hier in den Hintergrund und stellt eher die Gesellschaftsstudie "Island" in den Vordergrund.

  • Trotz des eisigen Titels fasst Indridason ein sehr heißes Eisen an: die Problematik der Einwanderer, die Sprach- und Integrationsprobleme und den damit verbundenen Konflikt.
    Und es gefiel mir sehr, wie einfühlsam der Autor dieses Thema aufarbeitet: ohne erhobenen Zeigefinger und von beiden Seiten beleuchtend.


    Und wieder gibt es einen weiteren Einblick in die traurige Vergangenheit Erlendurs, der den Tod seines Bruders einfach nicht verarbeiten kann. Schön auch, dass man diesmal auch einiges Privates von Sigurdur Óli, der diesbezüglich in früheren Büchern eher stiefmütterlich behandelt wurde.
    Der Mord an dem kleinen Jungen wird von Erlendur wie immer gelöst, aber (auch wie immer) nicht ohne Probleme und nicht ohne Irrtümer.
    Und die Lösung ist ebenso überraschend wie traurig.

    Kinder lieben zunächst ihre Eltern blind, später fangen sie an, diese zu beurteilen, manchmal verzeihen sie ihnen sogar. Oscar Wilde