Glaube und Vernunft - Benedikt XVI. - mit Kommentaren

  • Die "Regensburger Vorlesung" war vermutlich die Rede des Papstes während seines Deutschlandbesuches 2006, die am meisten für Aufsehen gesorgt hat, insbesondere wegen ihrer Rezeption in der islamischen Welt. Schon bevor er diese Rede hielt, kündigte der Papst an, sie in überarbeiteter Form veröffentlichen zu wollen. Diese Fassung liegt nun vor und wird im vorliegenden Band um das Grußwort des Rektors der Universität sowie drei Aufsätze, die sich auf diese Rede beziehen, ergänzt.


    Es handelt sich um akademische Texte; wenn ich kurz darstelle, welche Aspekte ich für wesentlich halte, ist damit bereits eine subjektive Interpretation und Wertung verbunden.


    Im Haupttext "Glaube, Vernunft und Universität" (Benedikt XVI) wird gegen eine Verengung des Vernunftbegriffes auf das im Experiment Verifizierbare und Falsifizierbare plädiert. Der Autor "macht Mut", der menschlichen Vernunft insbesondere im Erkenntnisbereich mehr zuzutrauen. Die Theologie, insbesondere die christliche Theologie, stellt er dabei mit den anderen Wissenschaften auf den gemeinsamen Boden der Vernunft und wiederholt damit die Einladung zu universellem Dialog, für den er die Universität als einen der wesentlichen Orte benennt.


    In "Mut zur Weite und Vernunft" (Gesine Schwan) betrachtet die Autorin den Gegenstand aus der anderen Perspektive, von der Wissenschaft aus. Sie beklagt eine "Unfreiheit" der Wissenschaft, die gegenwärtig nicht mehr frei sei, ihrem eigentlichen Wesen zu folgen, der Suche nach Wahrheit. Dies werde durch zwei Umstände verhindert: Die sich aus der Notwendigkeit von Fördergeldern ergebende Orientierung auf (kurzfristige, materiell verwertbare) Ergebnisse sowie einen Trend zum Expertentum, der in Fachidiotie (dieser Begriff wurde von mir gewählt) mündet. Von der Religion erhofft sich die Autorin einen Beitrag in der gesellschaftlichen Debatte zur Rolle der Wissenschaft hin zu einem universelleren, fachbereichsübergreifenden Verständnis der Wissenschaft als Zweck in sich selbst.


    Der für mich interessanteste Kommentar ist "Ist Gott ein absoluter, ungebundener Wille?" von Adel Theodor Khoury. Der Autor vertritt die These, dass der Islam auf das von Benedikt XVI ausgesprochene Angebot, sich "auf dem Boden der Vernunft" zum Dialog über das Wesen Gottes zu treffen nicht werde eingehen können. Wesentliche theologische Strömungen im Islam seien der Überzeugung, dass Gott vollkommen transzendent, dem Menschen fern und unbegreiflich sei. Im Gegensatz zum Christentum mit seinem "Gott ist Logos" empfinde der Islam es in weiten Teilen als unzulässig einengend, Gott irgendwelche Eigenschaften, und sei es nur "vernünftiges Handeln", anzurechnen. Als weiteren Grund, warum ein Dialog über das Wesen Gottes nicht möglich sei, führt Khoury an, dass der Islam gar nicht danach strebe, etwas über Gott zu lernen. Ziel des Koran und des Islam sei nicht die Erkenntnis Gottes, sondern ausschließlich die Unterwerfung unter seinen Willen, der nicht zu hinterfragen sei.


    Karl Kardinal Lehmann rundet den Band mit seinem Beitrag "Chancen und Grenzen des Dialogs zwischen den 'abrahamitischen Religionen'" ab. Hier wird auch ausführlich auf die Wirkung der Regensburger Rede eingegangen.
    Lehmann stellt die im Grundsatz unterschiedliche Haltung des Christentums zum Judentum einerseits und zum Islam andererseits heraus. Während die Juden als "ältere Brüder" gesehen werden, ist die Verbindung zum Islam deutlich schwächer. Hindernisse und Fortschritte des jüngsten Dialogs werden kurz beleuchtet.


    Die Texte sind vergleichsweise kurz und allesamt recht akademisch, was auch bedeutet: nicht durchgängig leicht zugänglich. Meine Zusammenfassungen sind unvollständig und geben die Aspekte wider, die für mich als Leser interessant waren.


    Insgesamt war das Buch für mich eine lohnende Lektüre, neben dem Haupttext hat mir insbesondere Khourys Text über das Verhältnis des Islam zur Vernunft viel gebracht.