Rückentext
Ein kleines Boot näherte sich langsam und legte an. Die nächtliche Erscheinung setzte vorsichtig einen Fuß hinein, wobei sie das Bündel fest an sich presste, und nach einem letzten Blick zurück stieß sie das Boot mit dem anderen Fuß vom Ufer ab. Allmählich verhallten die Ruderschläge in der Dunkelheit.
Eine Reise in die Vergangenheit? Oskar traut seinen Augen kaum, als er den merkwürdigen Brief seines Opas erhält. Aber dann wagt er es doch und macht sich mit klopfendem Herzen auf in das spätmittelalterliche Nürnberg. Eigentlich sollte es ja nur ein kurzer Besuch werden, doch plötzlich sieht sich Oskar in ein Abenteuer verstrickt, das er sich in seinen kühnsten Träumen nicht vorgestellt hätte.
Autorin
Claudia Frieser ist 1967 in Sulzbach-Rosenberg geboren. Sie studierte in Regensburg und Bamberg Archäologie des Mittelalters und der Neuzeit. Nach dem Studium beteiligte sie sich an Ausgrabungen und verschiedenen Forschungsprojekten. Außerdem arbeitete sie eine Zeit lang am Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg, bevor sie beschloss, sich mal auf ganz andere Weise mit dem Mittelalter zu beschäftigen. So entstand ihr erstes Kinderbuch "Oskar und das Geheimnis der verschwundenen Kinder". Claudia Frieser lebt mit ihrem Mann und ihrer Tochter in Bamberg.
Meine Meinung
Der 9-jährige Oskar ist genervt. Anstatt sein neuestes Computerspiel ausprobieren zu dürfen, muss er am Sonntag mit den Eltern ins Germanische Nationalmuseum und das bloß, weil die beiden Archäologen sind und gerne in altem Müll herumwühlen. Aber da plötzlich entdeckt Oskar etwas merkwürdiges: Auf einem der Bilder in der Gallerie, das aus dem 15. Jahrhundert stammt, ist ein Junge der praktisch genau so aussieht wie die Kinderfotos von seinem verstorbenen Opa. Ein seltsamer Zufall.
Zuhause erinnert Oskar sich an den Schlüssel für eine geheimnisvolle Truhe, die sein Großvater ihm vererbt hat und die nun auf dem Dachboden steht. Bisher hatte er sie nicht öffnen können, da die Erinnerung an Opa noch zu sehr schmerzte, aber nun treibt Oskar die Neugier. Wie groß ist sein Erstaunen, als er in dieser Truhe einen Brief findet, in dem sein Opa ihm erklärt wie man, mithilfe einer verzauberten Eiche im Garten, durch die Zeit reisen kann. Außerdem enthält die Truhe auch noch Kleidungsstücke aus den verschiedensten Jahrhunderten.
Oskar beschließt in die Zeit zu reisen, in der das Bild seines Großvaters, denn davon ist er nun überzeugt, gemalt wurde. Und da er am 8. April Geburtstag hat, fällt seine Wahl auf das Jahr 1484. In der Vergangenheit angekommen, muss Oskar erst einmal feststellen, dass Nürnberg um diese Zeit noch einiges von seinem Zuhause entfernt ist, aber ein netter Bauer nimmt ihn auf seinem Karren mit in die große Stadt. Kaum erkennt Oskar die Innenstadt wieder, so verändert und fremd ist alles. Es dauert nicht lange, da schließt er Freundschaft mit einem Jungen namens Albrecht, der ihm die Stadt als kundiger Führer zeigt. Dummerweise vergessen sie darüber die Zeit, und als Oskar wieder zurück will sind die Stadttore bereits verschlossen.
Da er nicht weiß wo er hin soll und nicht genug Geld für eine Unterkunft hat, wandert er durch die Straßen, wo er schließlich von Räubern niedergeschlagen und ausgeraubt wird. Er erwacht im Heilig-Geist-Spital, wo sich die Apothekerin und Baderin Kathrin Landauer fürsorglich um ihn kümmert. Aber Oskar hat durch den Schlag sein Gedächtnis verloren und kann sich außer an seinen Namen an fast nichts mehr erinnern. Die freundliche Baderin nimmt ihn erst mal als Lehrling bei sich auf, damit er nicht ins Findelhaus muss. Während dieser Zeit erfährt er, dass in den letzten Wochen immer wieder Säuglinge aus dem Spital gestohlen wurden. Einige meinen sogar, der Teufel ginge um und hole sich des Nachts die Neugeborenen. Als plötzlich Kathrin der Hexerei und der Entführung der Kinder beschuldigt wird, müssen Oskar und Albrecht einen Weg finden, ihre Freundin zu entlasten und den wahren Schuldigen zu finden.
Dieses Buch ist ein spannender Mittelalter-Krimi für Kinder. Obwohl ich es eigentlich meinem Patensohn schenken wollte, behalte ich es jetzt doch für mich, weil es mir einfach zu gut gefällt (keine Angst, ich kauf es für ihn nochmal). Das Besondere daran ist, so finde ich, die kindgerechte aber nicht kindlich verklärte Darstellung des Mittelalters. Es wird berichtet von den Galgen vor der Stadt, von Folterungen, von Huren die Kinder bekommen und von einem der schlimmsten Schicksale zur damaligen Zeit: Den Leprakranken im Siechkobel von Johanni. Auch die Armut, die geringe Nahrungsvariation (Stichwort Hirsebrei) und der üble Gestank werden geschildert. Keine einfachen Themen, aber meiner Meinung nach gut rübergebracht. Ehrlich aber nicht zu brutal, eine gute Mischung.
Die Aufklärung des Falls der verschwundenen Kinder ist spannend, wenn man auch als Erwachsener keine raffinierten Wendungen kurz vor Schluss erwarten darf. Die Verdächtigen sind ziemlich schnell eingegrenzt und es gibt bei der Auflösung keine große Überraschung. Die Figuren sind liebevoll und lebendig ausgearbeitet, man gewinnt vor allem Oskar und den etwas selbstverliebten Albrecht rasch gern, ebenso wie die Baderin.
Ein wirklich tolles Buch um Kinder für das Mittelalter zu interessieren, vor allem natürlich, wenn man im Großraum Nürnberg wohnt und sich die erwähnten Örtlichkeiten einmal selbst ansehen kann. Und auch als Erwachsener kann man sich in die Geschichte versenken und gut unterhalten. Die Aufmachung des Buches ist sehr schön gestaltet, auf den Innendeckeln ist eine Stadtkarte des mittelalterlichen Nürnbergs abgebildet. Das Taschenbuch für 6,95 € erscheint, laut Amazon, im Dezember 2007. Fortgesetzt wird die Reihe mit dem Buch "Oskar und das Geheimnis der Kinderbande" (Rezi folgt in Kürze).
Von mir gibt es 9 von 10 Punkten.