Liebes- und Leibesszenen

  • Ich habe Angst vor dem ersten Mal.
    Schon vor dem ersten Kuss graut mir ein wenig. Bislang ist es nicht weiter gekommen als bis zum Händchenhalten, zum Blickewerfen, der scheuen Bewunderung des einen und der durch Ironie getarnten Sympathie der anderen.
    Aber jetzt kann ich mich nicht mehr davor drücken: Eine Liebesszene steht an. :yikes
    Wie macht man das, ohne dass es peinlich wird, oder kitschig oder klischeehaft oder pornografisch oder prüde? Wie beschreibt man einen Kuss? Und was danach kommt? Kennt ihr solche Probleme auch?

  • Weg vom Handeln, hin zum Fühlen. Wie ein Kuß geht, wissen die meisten, und einige hatten auch schon Sex, weshalb es wenig Sinn macht, das großartig zu beschreiben. "Wir küßten uns" genügt häufig schon. Aber, je nach Perspektive, kann es Sinn machen, in solch einem Moment in die Gefühlswelt der Protagonisten einzutauchen. Denn darauf kommt es an.

  • Hier sind wir nun am happy end,
    da wird jewöhnlich abjeblendt.
    und das geschieht nicht ohne Grund:


    Die meisten treibens ja recht bunt,
    was selbst zu machen, sehr ersprießlich,
    doch nachzulesen eher verdrießlich.


    Denn unserer Leser Phantasie
    erreichte selbst ein Goethe nie:
    Trotz aller großer Kunst.


    Viel schöner ist es, denk ich mir
    wenn jeder selbst das groß' Pläsier
    im Geist kann nacherleben.


    Sei es der Kuss, sei es das Beben,
    bei dem die Samen wandern gehn:
    wir müssens ganz genau nicht sehn.


    Denn jeder kennt treibts auf seine Weise
    und so regt ja die Gedankenreise
    die Phantasie am besten an,


    was man da alles machen kann.
    Deut an und halte viel versteckt,
    damit es unsere Neugier weckt.


    Am Ende wissen wir, was war:
    Die beiden freuen sich, na klar!
    Sie warten fröhlich auf das Kind.


    Das reicht. Nun schreibe Du geschwind,
    wie sich die Liebenden so fühlen
    und nicht, wie sie in Kissen wühlen.


    Dies tun wir dann nach der Lektüre
    und auch bei abgeschlossner Türe,
    Wo's sicherlich auch hingehört


    und keinen unsrer Nachbarn stört.
    Du magst nun nüchtern schreiben gehn:
    Ich werd der Praxis mich versehn!

  • Tom : Ich glaube, das Gefühle ist ja genau das, was mir Kopfschmerzen macht. :-)
    Du hast das im Idiotentest ja sehr elegant umgangen mit dem Filmriss, und "Bleich dich, Ei!" ist natürlich einfach genial, um das ewig Alte auf neue Weise zu sagen. :anbet



    Als Filmszene habe ich alles deutlich im Kopf, aber sobald es auf dem Papier resp. Schirm steht, klingt es gruselig kitschig.
    Vielleicht liegt es daran, dass ich nicht recht weiß, was so ein Jungmännchen, dass einige Erfahrung mit Sex aber keine Ahnung von der Liebe hat, dabei so fühlt. Das ist auch relativ schwierig zu recherchieren. :grin
    Hm, vielleicht sollte ich genau diese Unsicherheit des Protagonisten beschreiben...
    (Ich habe die Szene mal versuchshalber aus der weiblichen Perspektive durchgespielt, das erwies sich als viel weniger problematisch, aber dummerweise habe ich mich auf den männlichen Blickwinkel festgelegt...)


    @licht: Das wäre natürlich die einfachste Form, das Problem zu umgehen. :-)

  • eine der genialsten Umschiffungen des Problems hat Wilhelm Busch in der frommen Helene geliefert:


    "Solches hat noch vor etzlichen Jahren
    Leider Gotts! eine fromme Jungfer erfahren,
    Welche, indem sie bis dato in diesen
    Dingen nicht sattsam unterwiesen,
    Aus Unbedacht und kindlichem Vergnügen
    Die Wiege hat angefangen zu wiegen. -
    Und ob sie schon nur ein wenig gewiegt,
    Hat sie dennoch ein ganz kleines Kind gekriegt. -


    Auch kam da ein frecher Pilgersmann,
    Der rühret aus Vorwitz die Wiegen an.
    Darauf nach etwa etzlichen Wochen,
    Nachdem er dieses verübt und verbrochen,


    Und - - Doch, meine Liebe, genug für heute!
    Ich höre, daß es zur Metten läute.
    Addio! Und - Trost sei dir beschieden!
    Zeuge hin in Frieden!«

  • @Doc:
    Nö, aber mein Erzähler kriecht in dramatischen und emotionalen Szenen ziemlich in den Protagonisten hinein. Das passiert ganz automatisch. In anderen Situationen gewähre ich dem Erzähler einen gewissen auktorialen ironischen Abstand.
    In den Hirnen der anderen Figuren hat er aber trotzdem nichts zu suchen, falls du darauf hinaus wolltest... :-)

  • Hallo flashfrog,


    warum soll "es" denn beschrieben werden? - Ist es nicht wirklich netter, wenn er sich im Vorfeld und im Nachgang Gedanken darüber macht, wie es sein wird, resp. wie es dann schließlich war? Eine Beschreibung des Aktes würde ich nicht gern lesen wollen: entweder gerät es kitschig oder pornographisch. Wirklich gelungene Verbalerotik ist eine große Kunst, die dann aber auch schon fast Selbstzweck hat. Ich nehme mal an, daß die Gedanken des Helden wichtiger sind als die Aktionen in diesem Fall, oder?
    Ich würde ihn fragen:
    Hat er ihre Liebe gespürt?
    Wie bist du mit der Aufregung umgegangen?
    Hast du Zeit gehabt, sie zu betrachten, oder ging alles ganz schnell?
    Wie hast du ihre Berührungen empfunden?
    etc.


    Grüße
    Licht

  • Zitat

    Original von licht


    Eine Beschreibung des Aktes würde ich nicht gern lesen wollen: entweder gerät es kitschig oder pornographisch.


    Grüße
    Licht


    das würde ich nicht unterschreiben. Manchmal erfüllt die Beschreibung des Aktes auch Funktion, beispielsweise in Thommie Bayers "Aquarium."

  • Ich habe mal in einem Buch gelesen da hieß es


    "und wir flogen davon"


    Und dann kam ein Absatzt.(war in Novembernacht, aus der Labyrinthe-Krimi-reihe)


    Ichnfidne es völlig ojkay, wenn einfach beschriben wird dass es passiert(ruhig mit bildern) und nicht was da genau passiert.
    Ist im Fernsehn genauso. Die szene muss ich jetzt nicht wirklich sehen. Aber es ist immer schön zu wissen das es passiert :)
    Und die ganzen Zweifel kommen wenn hinterher. :grin

    "Rettet Robert- bewahrt den kleinen Robert nur als kleine Nebenrolle zu enden"
    (Rubinrot- Kerstin Gier) Macht mit! :lache

  • Sorry, aber....


    .....ich möchte sicherheitshalber doch noch einmal nachfragen....ob denn diejenigen, die nur Leser und keine Autoren sind, hier auch etwas dazu schreiben dürfen :gruebel


    Diese Frage hat sich bis jetzt für mich noch nicht wirklich geklärt.


    Edit: immer diese lästigen Flüchtigkeitsfehler :rolleyes

    Avatar: James Joyce in Bronze... mit Buch, Zigarette und Gehstock.
    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Joan ()

  • Ich denke, dass den Autoren Lesermeinungen genauso wichtig sind wie Autorenmeinungen. Solange niemand protestiert, einfach munter drauf los schreiben ;-)

    „Streite niemals mit dummen Leuten. Sie werden dich auf ihr Level runterziehen und dich dort mit Erfahrung schlagen.“ (Mark Twain)

  • Hi Joan,


    also, ich persönlich wäre entzückt, wenn ich von einer echten Leserin eine Rückmeldung zu meinen Schreibqualen bekäme. Das würde für mich die Besonderheit dieses Forums ausmachen.


    Aber eine Antwort steht mir hier in diesem thread natürlich nicht zu, das ist Sache von flashfrog - ähm, und natürlich auch die Angelegenheit der anderen ernsthaften und wichtigen Autorenherren! ;-)

  • Churchill....danke Dir für die klärende Antwort :wave



    Aaaalso....ich habe oft schon Büchern Liebesszenen entdeckt, wo die "Haupthandlung" kaum angesprochen wurde....hingegen wurden einige hinweisende Details beschrieben wie zB.....


    Wäsche die achtlos hingeworfen am Boden lag....die zerknitterten Bettlacken danach....die Musik die aufgelegt wurde, das flackernde Kerzenlicht....


    ....oder auch Dinge die währenddessen geschahen, wenn es zB. in der freien Natur stattfand....
    Dazu einige Zeilen aus einem Liebesgedicht von Brecht >Erinnerungen an Marie A. <


    UND ÜBER UNS IM SCHÖNEN SOMMERHIMMEL
    WAR EINE WOLKE, DIE ICH LANGE SAH
    SIE WAR SEHR WEISS UND UNGEHEUER OBEN
    UND ALS ICH AUFSAH, WAR SIE NIMMER DA.


    (Quellenangabe: Brechts Gedichte über die Liebe. Suhrkamp, keine ISBN)



    Edit: und danke auch Dir Rita für Deine Gedanken dazu.... :wave

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  • Joan : Ja und ja. :-)
    Ursprünglich hatte ich mich an Autoren gewandt, weil ich dachte, ich kann doch nicht die einzige sein, die das Problem hat, dass es peinlich wird, wenn es um Sex und große Gefühle geht.
    Und natürlich sind mir Lesermeinungen willkommen und wichtig, für die schreibe ich schließlich, die müssen ja lesen, was am Ende dabei herauskommt. :grin


    Das Brecht-Gedicht ist übrigens wunderschön. Traut man ihm gar nicht zu, dem ollen Macho. :-)



    Hm, eine Beschreibung der Gefühle...
    Etwa so?
    Er:"Na, wie wars?"
    Sie: "Wie war was?"

  • Hallo flashfrog,


    in welchem Genre schreibst Du und welche Perspektive verwendest Du?
    Wenn Du in der auktorialen bist und der Kuss weiter keine Bedeutung hat, reicht es wirklich, wenn Du schreibst "Sie küssten sich."
    Ist der Kuss von Bedeutung, weil es z. B. der erste Kuss für ein junges Mädchen ist, dann beschreib ihn auch. Und zwar mit Emotionen, was fühlt sie, was denkt sie, was spürt sie.
    Spiel das im Kopf durch, versetze Dich in ihre Lage. Sicher ist sie aufgeregt, in ihrem Bauch kribbelt es, als hätte sie eine ganze flasche Mineralwasser auf einmal getrunken. Vielleicht weiß sie auch gar nicht, was sie sagen soll?

  • Hier mal ein Beispiel aus meinem Roman „Panasbodi“. Stock konservative thailändische Germanisten haben mich in einer Leserunde gefragt, ob man solche schmutzigen Szenen nicht entfernen könne. Ist allerdings nicht die einzige Liebeszene.
    :knuddel1


    Gruss aus BKK Bücherlaus



    »Komm«, flüsterte sie ihm nun zärtlich ins Ohr, »lassen wir uns auf den Tanz der Gefühle ein.« Sie umfasste seine Handgelenke, während er im Einklang mit ihrem Rhythmus zu folgen versuchte. Er spürte ihr Herz und die Regelmäßigkeit ihres Atems. Sie war ihm so nah, so zart und sanft. Chris ließ sich fallen … tiefer … tiefer, bis er im kosmischen Raum zu schweben schien.
    »Du bist das Feuer und ich dein Wasser«, hauchte sie ihm ins Ohr. Sanft, ganz sanft ließen sie ihre Gefühle aufflackern, um Sterne zu gebären und sich im glühenden Tanz von Wonne und Werden in Einheit zu verlieren. In stürmischer Leidenschaft löste sie sich nun von seinem Blick und ließ sich mit stöhnenden Seufzern gehen. Die Seelen tanzten in brennender Leidenschaft miteinander, und Ming schmiegte sich ganz dicht an seinen Körper. Einen Moment lang war er ganz von ihrem kosmischen Feuer umgeben, während er sich in einem wilden Tanz zu verlieren schien …


  • Ist das aus einem veröfentlichten Roman? Da sind ja viel zu viele Adjektive drin und reines tell statt show.

  • Nicht bös sein, Bücherlaus, aber wenn ich sowas lese, frage ich mich, was der Autor geraucht hat - und wo ich das Zeug kriege ... Bißchen zu metaphorisch für meinen Geschmack.


    Aber, immer noch besser als eine Schilderung, wer wem was wohin steckt und was wem wie kommt. *schauder*


    Für mich ist bei Liebesszenen definitiv weniger mehr. Zumindest, außerhalb eines Erotikromans. Ausnahmen ausgenommen.