Kunst, die niemand sieht

  • Ich war letzte Woche im Tate Modern in London. Das kann ich jedem nur empfehlen, der so seine Probleme mit moderner Kunst hat. Jedes Kunstwerk dort hat nicht nur den Namen des Kuenstlers angemerkt sondern ein Schild mit sehr ausfuehrlichen Hintergrunderklaerungen. So kann es einem die Augen oeffnen und das, was vorher nicht sichtbar war, wird nun durchaus als Kunstwerk erkannt.


    Ob man dann immer noch nichts mit anfangen kann oder es nun doch mag, ist dann doch nur noch Geschmackssache.


    Wenn ein Kunstwerk zum nachdenken und diskutieren anregt, so hat es doch durchaus einen wichtigen Zweck erfuellt. Das kann auch Joseph Beuys ganz gut. Mein Lieblingswerk von ihm hab ich vor etlichen Jahren in Duesseldorf gesehen und kann mich immer noch SEHR genau dran erinnern. Es war ein Stueck Schwarzkohle mit dem Titel "Schnee" - einfach genial, fand ich. Ein sehr kreativer Weg mal ueber selbstverstaendliches in unserer Umwelt nachzudenken.


    Hier nochmal seine Gedanken zum Kunstbegriff (aus Wikipedia)


    Nach Beuys war „Der Erweiterte Kunstbegriff [..] das Ziel des Weges von der traditionellen (Moderne Kunst) zur anthropologischen Kunst.“ [32]Beuys kam zu der Erkenntnis, dass die Begriffe Kunst und Wissenschaft in der Gedankenentwicklung des Abendlandes einander diametral entgegenstehen und dass diese Tatsache Anlass sei, nach einer Auflösung dieser Polarisierung in der Anschauung zu suchen. [33] Die Auseinandersetzung mit der Anthroposophie Rudolf Steiners führte schließlich zu seinem Konzept eines erweiterten Kunstbegriffs und einer „Sozialen Plastik“, unter der er eine kreative Mitgestaltung an der Gesellschaft durch die Kunst verstand.


    Zum anfangs genannten "Kunstwerk" der Dokumenta wuerde ich einerseits schon sagen, dass man es durchaus als Aktionskunst bezeichnen koennte. Allerdings sollte ein Kuenstler schon verantwortungsbewusst sein, dass seine Werke nicht Leib und Leben der Betrachter - freiwillige und unfreiwillige - gefaehrdet. Darin hat diese Kuenstlerin eindeutig versagt.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

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  • Also bei manchen "Kunstwerken" (wie das von bertrande beschriebene) hilft auch keine ausführliche Erklärung mehr.
    Mein Cousin hat auch Kunst studiert und dann aus alten Eisenbahnschwellen und -schienen Dinge -- hmmmmmm -- gekunstet? geschweißt? oder sowas.
    Ich mag beispielsweise Toulouse-Lautrec -- der war zu seiner Zeit mit der Steindrucktechnik sehr modern und seine Werke sind es heute auch noch. Und sie sagen etwas aus, stellen etwas dar.
    Manche modernen Kunstwerke kommen mir vor, wie der veröffentlichte Frust des Künstlers -- und den muss ich nun wirklich nicht haben
    bea

    Die Dichter
    Es soll manchen Dichter geben,
    der muß dichten um zu leben.
    Ist das immer so? Mitnichten,
    manche leben um zu dichten.
    Heinz Erhardt

  • Zitat

    Original von bertrande
    Ich gebe ganz offen zu, mir eine Aversion gegen Joseph Beuys geholt zu haben, da er ständig wie ein Zeigefinger hervorgeholt wird, wenn jemand nicht konform geht.


    Und ich mag Joseph Beuys u.a. eben weil er auch nicht konform gegangen ist ;-)

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Seestern , das ist unheimlich aussagekräftig !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! Kannst dus bitte trotzdem erklären :achtungironie



    Wieviel vom Kunstwerk ist denn noch übrig, oder sind das keine Rauchmandeln ????????????????????????


    bea

    Die Dichter
    Es soll manchen Dichter geben,
    der muß dichten um zu leben.
    Ist das immer so? Mitnichten,
    manche leben um zu dichten.
    Heinz Erhardt

  • Ich wünsche mir, dass Kunstwerke zu Diskussionen anregen, aber nicht nur positive Zustimmung dabei gefällig ist.
    Ich wünsche mir, dass auf Kunstmessen wieder Künstler die Stars sind, die malen und bildhauern können.
    Ich wünsche mir, dass Kunst erkennbar ist, mit eigener Sprache, ohne wortreiche Erklärungen.
    Ich bin nicht allein.

  • Wir waren gestern auf der 24-Stunden-Ausstellung in Leipzig, übrigens das erste mal, das wir eine derartige Veranstaltung besuchten. Die fand in der ehemaligen Industriearmaturenfabrik statt, man kann sich also eine ziemlich schäbige, alte Fabrik vorstellen, die für die Ausstellung nur notdürftig beräumt und getüncht wurde.
    Es war toll! Abgesehen von der sehr entspannten und überhaupt nicht versnobten Atmosphäre, waren einige wirklich fantastischen Installationen, "Objekte" und Bilder zu sehen. Dabei waren handwerklich beeindruckende, aber für mein Empfinden hässliche Skulputuren ebenso dabei, wie ganz schlichte, aber witzige und originelle Installationen. Und bei einigen Sachen hat sich mir der Sinn einfach nicht erschlossen, die aber andere vielleicht bemerkenswert fanden.
    Jedenfalls ging ich mit der Erkenntnis nach Hause, dass ein Mensch allein gar nicht beurteilen kann (außer für sich selbst), was Kunst ist und was nicht, und dass das vorurteilfreie Betrachten der Dinge, mit denen sich andere Menschen befassen, selbst Kulturbanausen wie uns den Horizont erweitern kann.

    Menschen sind für mich wie offene Bücher, auch wenn mir offene Bücher bei Weitem lieber sind. (Colin Bateman)

  • Zitat

    Original von Deutschebea


    Seestern , das ist unheimlich aussagekräftig !!!!!!!!!!!!!!!!!!!!!! Kannst dus bitte trotzdem erklären


    Ein Kritiker hat mein Werk einst als "Sinnbild einer zentralisierten Gesellschaft" bezeichnet. Alles klar?


    Ich persönlich mag übrigens die Sachen von Kippenberger, mit denen viele auch überhaupt nichts anfangen können.


    Edit: Und ich stehe total auf Giger. Wer ein Faible für morbides, krankes Zeug hat, sollte unbedingt ins Giger-Museum nach Gruyeres fahren. Lohnt sich!

    Man muss ins Gelingen verliebt sein,
    nicht ins Scheitern.
    Ernst Bloch

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Seestern ()