Eine Szene....

  • Das habe ich für den Literaturwettbewerb des BDAT (Szenen, Theaterstücke etc. zum Thema "Alt trifft Jung - Jung trifft Alt") geschrieben:


    In der Kirche


    Der alte Pfarrer hält eine Predigt.
    Pfarrer: „...und dann prophezeite Jona, dass Ninive in 40 Tagen untergehen würde ...“
    Kind steht auf und unterbricht: „Warum?“
    Pfarrer, verdattert: „ ...und die ...- Warum was?“
    Kind: „Warum soll Ninive untergehen?“
    Pfarrer, gütig lächelnd: „Gott ist allmächtig mein Sohn.“
    Schnauben aus der letzten Reihe.
    Kind setzt sich wieder.
    Pfarrer, spricht weiter: „... und die Menschen taten Buße und Gott reute es, dass...“
    Kind steht auf: „Warum?“
    Pfarrer, leicht gereizt: „Was Warum?“
    Kind: „Warum reute es Gott ?“
    Pfarrer (um ein gütiges Lächeln bemüht): „Gott ist barmherzig, mein Sohn.“
    Schnauben aus der letzten Reihe.
    Kind setzt sich.
    Pfarrer, bemüht den Faden wieder aufzunehmen: „...äh.... wo war ich stehen geblieben? Ah, ja, Gott vergab den Menschen von Ninive, denn wir alle sind Gottes Kinder und die Nachkommen von Adam und Eva...“
    Kind steht auf: „Warum?“
    Pfarrer: „...und - das ist nun mal so!“
    Junger Mann in der letzten Reihe steht auf. Abfällig: „Das ist doch alles Unsinn. Der Mensch stammt vom Affen ab...“
    Pfarrer, deklamiert: „Da machte Gott der Herr den Menschen aus Erde und blies ihm den Odem des Lebens in die Nase.“
    Kind: „Warum?“
    Junger Mann, unbeirrt: „...und die Erde entstand beim Urknall!“
    Kind: „Urknall?“
    Pfarrer, verzweifelt: „Am Anfang schuf Gott Himmel und Erde!“
    Junger Mann: „Gott gibt es nicht. Es lebe die Wissenschaft!“
    Kind: „Warum?“
    Pfarrer: „...“ (sprachlos)
    Baby beginnt zu schreien.
    Mutter steht auf: „Wir sind hier in der Kirche!“
    Pfarrer nickt zustimmend.
    Junger Mann: „Die Kirche sollte man schließen!“
    Mutter: „Die Kinder mögen das Weihnachtskrippenspiel...“
    Pfarrer, schnell seine Chance ergreifend: „Gott ist allmächtig...“
    Mutter: „...und ich mag die Orgelmusik...“
    Pfarrer: „...und barmherzig.“
    Junger Mann schnaubt. Ironisch: „Amen.“
    Pfarrer, ernsthaft: „Amen.“
    Kind, rein aus Gewohnheit: „Warum?“
    Junger Mann gibt dem Kind eine Ohrfeige.
    Mutter: „Lassen sie gefälligst die Finger von meinem Kind!“
    Mutter versetzt dem jungen Mann eins mit der Handtasche.
    Baby schreit.
    Pfarrer, mit schwacher Stimme: „Bitte, bitte....“
    Kind: „Wa.....“
    Junger Mann, Mutter, Pfarrer: „Darum!!!“

    Manchmal betrachte ich seine Augen ... es liegt so vieles darin, aber seinen Mund hält er verschlossen. Später einmal im Leben, das vielleicht seinen Mund immer fester verschließen wird, muss er eine Möglichkeit haben, zu reden...
    Buddenbrooks

  • Natürlich möchte ich Kritik, sonst hätte ich es hier nicht reingestellt. :frech

    Manchmal betrachte ich seine Augen ... es liegt so vieles darin, aber seinen Mund hält er verschlossen. Später einmal im Leben, das vielleicht seinen Mund immer fester verschließen wird, muss er eine Möglichkeit haben, zu reden...
    Buddenbrooks

  • Klasse, wirklich witzig. Ich kann mir das geradezu bildlich vorstellen. :lache


    Was mir nicht gefällt, ist, dass der junge Mann dem Kind eine Ohrfeige gibt, denn zum einen hätte ich sie räumlich nicht so dicht beieinander gesehen, weil der junge Mann doch in der letzten Reihe steht, und zum anderen mag ich das einfach nicht, dass irgendwelche Leute irgendwelche Kinder ohrfeigen.


    Ansonsten, gut gemacht. :fingerhoch

  • Danke :grin
    Mmh - ja, du hast recht. Das habe ich auch schon gedacht - aber ich wusste nicht wie ich es sonst hätte machen sollen, werde es mir aber durch den Kopf gehen lassen!

    Manchmal betrachte ich seine Augen ... es liegt so vieles darin, aber seinen Mund hält er verschlossen. Später einmal im Leben, das vielleicht seinen Mund immer fester verschließen wird, muss er eine Möglichkeit haben, zu reden...
    Buddenbrooks

  • Zitat

    Original von Clärschen
    zum Thema "Alt trifft Jung - Jung trifft Alt"


    Hm. Der junge Mann wirkt in der ganzen Szenerie ziemlich deplatziert auf mich, so als ob der eben seinen Auftritt hat, weil das Thema das so vorgibt. Mir hätte ein ausschließlicher Dialog Kind (jung) mit Pfarrer (alt) besser gefallen. Gerade die kindlich einfachen Nachfragen hätten viel mehr hergegeben, als das unmotivierte Rumgetöne des Mannes. Das wirkt auf mich doch sehr aus der Luft gegriffen, um etwas mitzuteilen, was das Kind in dieser Form eben nicht auf die Reihe bringen würde. So ist mir das zu "unecht".


    Gruss,


    Doc

  • Ein sehr nachdenklicher Text und auch ein Text zum Nachdenken, gerade für die Vertreter unserer Zunft. Ich finde es gut, wenn solche Texte geschrieben werden. Kritik hat ja noch keinem geschadet.


    Den jungen Mann finde ich allerdings auch deplaciert und konstruiert. Ich frage mich, warum er in der Kirche ist und zunächst der Predigt über Jona und die Stadt Ninivé lauscht. Sein Auftritt kommt vergleichsweise spät und dann mit einer Schärfe, die durch nichts begründet ist. Der Widerspruch zu seiner Anwesenheit und zu seinem langen Schweigen wird dann besonders deutlich wenn er sagt: "Junger Mann: „Die Kirche sollte man schließen!“"
    Sein Auftritt als Ganzer wirkt auf mich nur unsachlich und völlig überzogen.


    Der Auftritt des Jungen Mannes zerstört damit den wunderbaren Dialog, der sich zwischen dem Kind und dem Pfarrer entsponnen hat. Ich finde, damit kippt auch der Text. Die wunderbare Satire auf den angesichts der Kinderfragen ratlosen Kollegen wird so leider zu einer etwas dümmlichen Polemik, in der es nur noch Dumme gibt.


    Satire lebt ja von Übertreibung. Davon gibt es auch genug in diesem Text und ich finde es, was den Pfarrer, das Kind und die Mutter angeht auch völlig gelungen. Schade, daß das leichtfertig aufgegeben wird, offenbar nur, um auch noch dem Letzten deutlich zu machen, daß der Pfarrer ein Trottel ist.


    Das Anliegen des Textes finde ich völlig OK, die Ideen zur Durchführung finde ich richtig gut: das als Scene, ausgehend von Kinderfragen zu gestalten - das ist völlig aus dem Leben gegriffen (auch wenn es viel zu selten tatsächlich geschieht). Ein weiterer Kritiker hätte seine Rolle besser auch in kritischen Nachfragen, statt in polemischer Fundamentalkritik bekommen.


    Alles in allem: an dem Text können Viele viel lernen. Sollte das gelingen, ist viel gewonnen.

  • Eine formale Sache noch, sonst wurde ja schon viel gesagt:


    Mich stören die elliptischen Sätze ("Kind steht auf", "Kind, rein aus Gewohnheit" ...)
    Das hat so was von Telegrammstil, der m.E. nicht zu Deinem Text passt.

  • Wenn ich jetzt hier etwas dazu schreiben möchte....darf ich das denn auch als "Nicht-Autor"?


    Ich bin seit Vorgestern aufgrund einer Diskussion in einem anderen Thread etwas verunsichert was diese Sache anbelangt....und dort blieb eine schlüssige Antwort auf diese Frage eben auch offen....


    Grüessli Joan

    Avatar: James Joyce in Bronze... mit Buch, Zigarette und Gehstock.
    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)

  • Natürlich, Joan! Ich bezweifle, dass Clärschen nur Tipps von Autoren haben will. Sie schreibt doch für die Leser, da sollen die natürlich auch ihre Anmerkungen und Meinungen, Tipps etc. äußern.
    Also nur zu! Ich kann mich nicht erinnern, dass es hier je den Lesern und Nicht-Autoren verboten war, sich zu Texten zu äußern.

  • Danke Euch Doc und Kim für Eure Aufklärung :wave


    Doc...aber im dem Falle hätte ich dann im Unterforum "Autoren unter sich" nichts zu suchen? Was ich, so es denn gewünscht ist, auch gerne respektiere....


    .....ich will und muss ja nicht überall meinen Senf abgeben und unsympathisch wirken aus purer Unwissenheit....


    Ueber den Text hier muss ich jetzt noch meine Gedanken etwas ordnen....dann lass ich sie los ;-)

    Avatar: James Joyce in Bronze... mit Buch, Zigarette und Gehstock.
    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)

  • Hallo Clärschen


    mit gefällt diese Szene ausserordentlich gut....ich bilde mir beim Lesen ein, darin einiges zu finden, was eben diese Auseinandersetzung mit dem Glauben mit sich bringt....


    ....die Hilflosigkeit der Erwachsenen dieser einfachen Frage eines Kindes gegenüber....


    ....die Floskeln des Kirchenmannes und die Handgreiflichkeiten des "Wissenschaftlers"....der sich für mein Empfinden früh genug schon in dieser Szene bemerkbar machte....durch sein "Schnauben"....


    Der einzige kleine Einwand den ich hätte....auf mich wirkt die Szene ein bisschen atemlos...weil der Dialog kaum einmal unterbrochen wird....sich etwas setzen kann...sozusagen.
    Ich selber hätte vielleicht den einen oder anderen Satz hineingestellt, der die Atmosphäre in der Kirche beschreibt....zB. dass in dem Moment die Sonne ins Kirchenfenster scheint...und Streifen wirft durch den nebligen Dunst des Weihrauchs (oder so :lache) ....das würde die Szene etwas beruhigen, den Dialog etwas "binden", an dem doch mehrere Menschen beteiligt sind....
    Aber das ist nur meine eigene äusserst unprofessionelle Meinung!


    Grüessli Joan


    So viele Edits :bonk

    Avatar: James Joyce in Bronze... mit Buch, Zigarette und Gehstock.
    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)

    Dieser Beitrag wurde bereits 4 Mal editiert, zuletzt von Joan ()

  • Vielen Dank für Eure Kommentare!
    Schön, dass Euch der Text wohl auch ganz gut gefallen hat.
    Ich habe Eure Kritik zur Kenntnis genommen und werde die Szene nochmal überarbeiten und so viel wie möglich einbauen. :wave


    Joan:

    Zitat

    Ich bezweifle, dass Clärschen nur Tipps von Autoren haben will. Sie schreibt doch für die Leser, da sollen die natürlich auch ihre Anmerkungen und Meinungen, Tipps etc. äußern.


    :write
    Außerdem hast Du in Deinem Leben bestimmt schon mehr geschrieben als ich... :grin


    [SIZE=7]Rechtschreibfehler editiert[/SIZE]

    Manchmal betrachte ich seine Augen ... es liegt so vieles darin, aber seinen Mund hält er verschlossen. Später einmal im Leben, das vielleicht seinen Mund immer fester verschließen wird, muss er eine Möglichkeit haben, zu reden...
    Buddenbrooks

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Clärschen ()

  • Zu dem was Licht sagt, ist mir nicht ganz verständlich WARUM das Kind die Ohrfeige bekommt, und die Mutter so lasch reagiert ...
    Die Idee ist gut. Der Dialog könnte schärfer sein.
    Meine Meinung, aber manchmal teile ich gerne.

  • Zitat

    Original von Charly
    [...] ist mir nicht ganz verständlich WARUM das Kind die Ohrfeige bekommt, und die Mutter so lasch reagiert [...]


    Das Kind bekommt die Ohrfeige, weil der junge Mann von dem ständigen "Warum?" genervt ist. Die Handtasche hervorholen und dem jungen Mann um die Ohren hauen, wenn das eine lasche Reaktion ist, möchte ich mal die heftige sehen :grin

    Manchmal betrachte ich seine Augen ... es liegt so vieles darin, aber seinen Mund hält er verschlossen. Später einmal im Leben, das vielleicht seinen Mund immer fester verschließen wird, muss er eine Möglichkeit haben, zu reden...
    Buddenbrooks

  • Zitat

    Original von Clärschen


    Das Kind bekommt die Ohrfeige, weil der junge Mann von dem ständigen "Warum?" genervt ist. Die Handtasche hervorholen und dem jungen Mann um die Ohren hauen, wenn das eine lasche Reaktion ist, möchte ich mal die heftige sehen :grin


    Heftig wäre, wenn sie ihn richtig schlägt. Wenn jemand meine Kinder (wenn ich mal welche hab) schlagen würde, hätte derjenige keine frohe Minute mehr.

  • Ich denke, die meisten Mütter würden überhaupt nicht selbst handgreiflich werden, und wenn, wäre es eine angemessene Reaktion den jungen Mann gleich zu verkrüppeln, nur weil er ein nerviges Kind zum schweigen gebracht hat? (Wahrscheinlich war die arme, gestresste Frau ihm insgeheim dankbar und wollte nur den Schein wahren..)

    Manchmal betrachte ich seine Augen ... es liegt so vieles darin, aber seinen Mund hält er verschlossen. Später einmal im Leben, das vielleicht seinen Mund immer fester verschließen wird, muss er eine Möglichkeit haben, zu reden...
    Buddenbrooks

    Dieser Beitrag wurde bereits 1 Mal editiert, zuletzt von Clärschen ()

  • Zitat

    Original von Clärschen
    Vielen Dank für Eure Kommentare!
    Schön, dass Euch der Text wohl auch ganz gut gefallen hat.


    Ich würde mich ehrlich gesagt freuen, wenn Du etwas zum Auftritt des jungen Mannes erklären könntest:
    Was macht der in einer Kirche, wenn ihm das eh alles stinkt?
    Warum geht er nicht, wenn es ihm nicht passt?
    Warum braucht der große Held, der es dem ollen Pfaffen mal so richtig sagt, das Kind mit seinen sehr verständlichen Fragen als Katalysator?
    Warum kann man einem Menschen, der offenbar Halsschmerzen hat, nicht einen hilfsbereiten an die Seite stellen, der ihm ein Hustenbonbon reicht?


    Du bist leider auf die etwas grundlegendere Kritik eingegangen: ob hier nicht die gesamte Geschichte um diese Generalabrechnung eines pubertierenden, der gezwungenermaßen in die Kirche gehen muss --uhhps verzeih-- eines jungen Mannes, der freiwillig da ist und völlig furchtlos dem ollen Sack die Meinung sagt, herumkonstruiert wurde,

  • Licht:
    Ich würde mich ehrlich gesagt freuen, wenn Du etwas zum Auftritt des jungen Mannes erklären könntest:
    Was macht der in einer Kirche, wenn ihm das eh alles stinkt?


    Ich war auch schon zwei mal in der Kirche, obwohl mir "das alles eh stinkt".
    Zu Forschungszwecken, sozusagen.
    Woher soll man sonst wissen, dass einem "das eh stinkt", wenn man nie da war?
    Abgesehen davon soll dieses Szene etwas übermitteln, sie soll nicht vollkommen realistisch sein.


    Warum geht er nicht, wenn es ihm nicht passt?


    Siehe oben.


    Warum braucht der große Held, der es dem ollen Pfaffen mal so richtig sagt, das Kind mit seinen sehr verständlichen Fragen als Katalysator?


    Die dämlichen Antworten des ollen Pfaffen haben den jungen Mann dermaßen aufgeregt, dass er nicht mehr an sich halten konnte.


    Warum kann man einem Menschen, der offenbar Halsschmerzen hat, nicht einen hilfsbereiten an die Seite stellen, der ihm ein Hustenbonbon reicht?


    Das Leben ist grausam.


    Du bist leider (nicht) auf die etwas grundlegendere Kritik eingegangen: ob hier nicht die gesamte Geschichte um diese Generalabrechnung eines pubertierenden, der gezwungenermaßen in die Kirche gehen muss --uhhps verzeih-- eines jungen Mannes, der freiwillig da ist und völlig furchtlos dem ollen Sack die Meinung sagt, herumkonstruiert wurde,


    Nein, wurde sie nicht. Der junge Mann hat seinen Auftritt, genau wie die anderen und spielt eine weniger wichtige Rolle als das Kind.
    Jedenfalls sollte es so sein. Kommt es anders rüber?

    Manchmal betrachte ich seine Augen ... es liegt so vieles darin, aber seinen Mund hält er verschlossen. Später einmal im Leben, das vielleicht seinen Mund immer fester verschließen wird, muss er eine Möglichkeit haben, zu reden...
    Buddenbrooks