Entführungen

  • Manche werden mein Thema schon in einem anderen Forum gesehen haben, aber eigentlich wurde es (ausser von Batcat) nicht beantwortet.


    Was würdet Ihr machen, wenn ein Angehöriger entführt wird oder gewaltsam überfallen wird und dann stundenlang von diesen Typen festgehalten wird, bis sie genug Geld haben, wobei ein ziemlicher Prozentsatz dabei mit seinem Leben bezahlt, weil er ja die Typen identifizieren könnte?


    In Mexico ist es seit Wochen das Topthema und heute gab es die wohl grösste Demonstration - gegen Gewalt und Kriminalität - die die Stadt jemals gesehen hat. (Ich bin ebenfalls mitgelaufen und es war unglaublich, was die Leute einem erzählt haben.)

  • Sorry, ich verstehe deine Frage nicht so ganz. Persönlich hat man in einem solchen Fall nicht viele erfolgversprechende Handlungsalternativen. An erster Stelle wird man wohl alles versuchen, um das Entführungsopfer zu schützen. Ich habe keine Ahnung, wie effektiv die Strafverfolgungsbehörden in Mexiko arbeiten. Hier liegt die Aufklärungsquote bei Entführungs- und Erpressungsfällen erstaunlich hoch und solche Taten werden entsprechend hoch bestraft.
    Vielleicht erzählst du einfach ein wenig mehr über die Hintergründe und Intentionen eurer Demonstration.

  • Tja Oryx, was wäre wenn?
    Sicherlich würde jeder von uns versuchen, ein Lösegeld (sofern gefordert) zu zahlen. Darüber hinaus sind einem sicherlich die Hände gebunden. Letzendlich ist hier der Staat gefordert, wenn solche Entführungen an der Tagesordnung sind. Werden Entführer gefaßt, müssen sie schnellstens sehr hoch bestraft werden, damit die Strafen gleich zur Abschreckung dienen.

  • In Mexico ist die Situation so, dass allein letztes Jahr 3,000 Menschen entführt wurden. Und immer geht es um Geld.


    Inzwischen sind diese Leute keine Industriellen mehr, sondern oft Hausfrauen, der oberen und Mittelschicht, die auf Parkplätzen der Einkaufszentren überfallen werden und dann unter Waffengewalt entweder gezwungen werden alles Geld vom Konto abzuheben (400 USD sind das tägliche Maximum aus diesem Grund) und da dies nicht geht, werden sie tage- und wochenlang festgehalten, geschlagen, gefoltert und dann oftmals umgebracht, damit die Gangster keine Zeugen haben. Nun haben sich manche Ehemänner dazu durchgerungen, das oftmals zusätzlich geforderte und astronomisch hohe Lösegeld für ihre Frauen nicht zu zahlen, so dass sich seit neuestem die Kidnapper auf die Kinder spezialisiert haben.


    Es hat sich auch herauskristalisiert, dass auch Angehörige der Polizei zu diesen Banden gehören und sich so das Anzeigen solch einer Straftat die Dinge noch verschlimmert.
    Manche Bundesstaaten frieren nach solch einer Anzeige alle Konten der betroffenen Familien ein, so dass sie auch nicht in der Lage sind, den Forderungen nachzugeben.


    Zudem sind die Überfälle noch gewalttätiger geworden. Eine Bekannte aus dem Gym wurde erst letzten Montag vor der Haustür ihrer Mutter überfallen, 2 Pistolen an die Schläfen gehalten, mit dem Tode bedroht, das Auto mit allem, was drinnen war, ihre Tasche mit Handy und allen Kreditkarten weggenommen und bei der anschliessenden Anzeige in der Delegación (Stadtteilregierung) wurde nur kommentiert, dass sie für diesen Sektor nur einen Streifenwagen hätten und ihn auch gar nicht an den Tatort hinschicken würden.


    Es gibt fast keinen, der nicht irgendein Gewaltopfer kennt.


    Ach und zur Demo ein Foto:


    http://photos.eluniversal.com.…galeria/27062004diego.jpg


    Die Intention ist, dass die Leute im Amt, sei es nun die Landesregierung von Präsident Fox, die Stadtregierung unter López Obrador, die Polizei unter Ebrard, die Staatsanwaltschaft unter Batiz oder das Innenministerium unter Creel irgendetwas tut, um diese Welle der Kriminalität einzudämmen.

  • So, wie es aussieht, scheint das mit solcher Art Entführungen aber eher ein Problem zu sein, dass sich sehr auf den süd- und mittelamerikanischen Raum beschränkt, oder? Zumindest hört man nicht viel von solchen kriminellen Machenschaften aus anderen Teilen der Welt.


    Gruss,


    Doc

  • Das ist für Europa teilweise wahr, nur Kolumbien hat mehr Entführungen und die befinden sich ja ein einem kriegsähnlichen Zustand. Aber Mexico zählt zu Nordamerika und dem NAFTA-Raum und manche Gruppen operieren auch im Grenzgebiet der USA. In Osteuropa und manchen asiatischen Ländern gibt es das allerdings auch, nur noch nicht in dem Umfang, dass die normale Bevölkerung betroffen ist.


    Auffällig ist es aber auch, dass diese Kidnapperbanden nicht die Ärmsten der Armen oder irgendwelche Drogenabhängige sind, sondern aus Teilen der Bevölkerung stammen, die dies als lukrativen Nebenverdienst sieht, wie etwa ein Ring unter der Leitung eines mittelmässigen Reporters, der erst behauptete, es gäbe Morddrohungen und er bräuchte eine Sicherheitsbewachung und dann diese Sicherheitskräfte der Polizei in einen Kidnapperring verwandelte, indem er sie mit Geld (60,000 USD in einem Fall) aus den Entführungen lockte.

  • Was für Zustände! Immerhin zeigt das Bild eurer Demonstration, dass offenbar große Teile der Bevölkerung vehement ein staatliches Einschreiten fordern. Ich denke, das größte Problem ist die Tatsache, dass offenbar gerade die staatlichen Einrichtungen, die für innere Sicherheit sorgen sollten, korrupt sind und fleißig die Seiten gewechselt haben. Da hilft wirklich nur energisches Durchgreifen und eine straffe Gesetzgebung und Kontrolle um so etwas wieder einzudämmen.


    Wie der Doc schon gesagt hat, gibt es das Problem in der Form hierzulande nicht. Man kann sich nur schwer vorstellen, wie unsicher das Leben dagegen in Mexiko ist.

  • Erst heute habe ich erfahren, dass am vergangenen Freitag der 14jährige Sohn von Geschäftsfreunden von einem guten Bekannten in einem Kofferraum tot aufgefunden wurde. Er war allerdings schon einen Monat lang tot und neben ihm lag ein Zettel, dass er aufgrund von Nichtzahlung von Lösegeld ermordet wurde.


    Die Eltern hatten allerdings schon 5 Mio. USD gezahlt gehabt.
    Ausserdem hatten die Täter den Fahrer und den Bodyguard ermordet - deren Körper waren schon vor Wochen aufgefunden worden.


    Ich bin so wütend und traurig, ich kann es gar nicht ausdrücken.

  • Oh jeh, Oryx.


    Das klingt schrecklich. Unter diesen Voraussetzung ist die eigentlich Themen- eröffnende Frage allerdings nicht zu beantworten.


    Ich glaube kaum, dass jemand hier nachvollziehen kann, was es heisst, in so eine Situation zu geraten.


    Daher verzichte ich auf irgend eine naive Äusserung, wie ich wohl damit umgehen würde.


    Gibt es denn Zahlen, welche Verhaltensvariante die besten Aussichten auf Erfolg hat? Also werden die Entführten eher ermordet, wenn gezahlt wird, oder wenn nicht gezahlt wird (Ich vermute Letzteres)?


    Das Schlimme ist ja, dass die Entführung von Angehörigen aus der Mittelschicht in Mexiko vermutlich nicht das öffentliche Interesse weckt, welches nötig wäre, um bei der geringen Personaldecke einen Polizeieinsatz zu forcieren.


    Grüße nach Mexiko,
    crycorner

    Enttäuscht vom Affen, schuf Gott den Menschen.
    Danach verzichtete er auf weitere Experimente.

    - Mark Twain -