Kurzbeschreibung
Der Suizid von Kronprinz Rudolf von Österreich (1858-1889) in Mayerling am 30. Januar 1889 war ein Schock für ganz Europa und sollte die Welt nachhaltig beeinflussen. Hier zeichnet die Bestsellerautorin Brigitte Hamann das detaillierte Bild eines liberalen Intellektuellen, der stets vehement gegen Antisemitismus, Nationalitätenhaß und Klerikalismus eintrat und dessen politisches Ziel ein vereintes Europa liberaler Staaten war.
Eigene Meinung:
Nach der wirklich rundum glücklich machenden Biographie Hamanns über Elisabeth, ging ich mit sehr großen Erwartungen an dieses Buch heran. Eine solche positive Vorschußlorbeerensituation erhöht aber leider auch die Fallhöhe. Und diesmal war der Fall leider recht tief.
Das Buch beginnt in gleicher Manier wie Elisabeth. In einem sehr ansprechenden Schreibstil beginnt Hamann das Leben des Kronprinzen zu erzählen. Geschickt baut sie Originalquellen in den Text ein und zieht ihre Schlüsse daraus. Die Kindheit und Jugend von Rudolf war dabei noch sehr ansprechend erzählt, auch wenn mir die Schilderung recht knapp vorkam. Vor allem die grausame Behandlung unter dem Erzieher Gondrecourt wird sehr rasch abgehandelt, was verwunderlich erscheint, wenn man bedenkt, dass die Autorin daraus sehr viele Störungen des Kronprinzen ableiten wird.
Sobald es vom Kronprinz eigene schriftliche Quellen gibt, wird es aber unerträglich detailliert. Freut man sich anfangs noch darüber, dass die Autorin die politische Entwicklung Rudolfs anschaulich mit Originalquellen darstellt, wird dies bald unleserlich, weil sie sich völlig in Kleinigkeiten verzettelt und zu vielen Wiederholungen kommt. Es mag für Spezialinteressierte interessant sein, aber innenpolitische Randthemen vom ausgehenden 19. Jh. bis ins kleinste zu sezieren, ermüdet mit der Zeit. Dabei gerät auch die Person Rudolf oft etwas aus dem Blickfeld.
Vor allem der private Rudolf gerät dabei oft aus dem Blickfeld. Die schwierige Beziehung zu seinen Eltern wird dabei eher am Rande erwähnt. Seine Ausschweifungen im Privatleben – die zweifellos dazugehören in einer Biographie – werden ebenfalls nur am Rande erwähnt.
Nachdem der politische Teil durch querlesen bewältigt war, freute ich mich nun in den Kapiteln rund um Mayerling wieder für mich interessanteres vorzufinden. Der Schreibstil findet zwar wieder zu alten Höhen zurück und lässt keine Wünsche übrig.
Inhaltlich bin ich mit der Schilderung aber nur mäßig zufrieden. Hamann schildert die letzten Tage im Leben Rudolfs zwar sehr anschaulich, genau, detailliert und gut lesbar, lässt dabei meiner Meinung nach aber einige spannende Dinge aus.
Hamann erwähnt zwar oft, dass es sich hierbei um die wahrscheinlichste Variante handelt, die keineswegs erwiesen ist – sie hält sich also an die offizielle Version. Sie zeigt auch an einigen Stellen Ungereimtheiten auf, aber sehr viele Indizien, die gegen die offizielle Schreibung sprechen, unterschlägt sie.
Anderorts wird zwar am Rande erwähnt, dass entscheidende Polizeiakten verschwunden sind, wird aber in den Umständen um das Ableben Rudolfs nicht mehr erwähnt. Dass die Mordwaffe nicht mehr auffindbar ist, wird auch verschweigt und dass diese vermutlich gemeinsam mit den Akten im Besitz der Familie Habsburg befindet, daher natürlich auch nicht. Ebenso wenig wird darauf eingegangen, dass die Familie Habsburg eine Untersuchung des Leichnams, welche Aufschluss über Mord oder Selbstmord geben könnte verhindert.
Fazit: Wer gerne etwas über Rudolf und sein Schicksal erfahren möchte, wird um dieses Buch nicht herumkommen. Wer besonderes Interesse an der Politik der ausgehenden Donaumonarchie mitbringt, wird ein wahres Freudenfest erleben. Ansonsten muss man mit der Gabe des Querlesens ausgestattet sein, um auch den Tod Rudolfs noch zu erlesen.
Zusatz: Ärgerlich für mich auch die Qualität des Buches. Für 13 € würde ich mir ein stabileres TB erwarten. Trotz schonenden Lesens ähnelt der Buchrücken nun eher einem Wellblechzaun.
Zusatz II: Möglicherweise handelt es sich bei dem verlinkten bei Amazon verlinkten Buch um eine überarbeite Fassung, da es einen anderen Untertitel trägt, als mein Exemplar (10. Auflage, 2004).