Ich verlinke hier mal eine Ausgabe, die es nur noch antiquarisch gibt; eine gebundene gibt's noch neu, aber da ist das Cover nicht so schön.
Das Buch stand bei meinen Eltern im Regal, als ich dort Zeit totzuschlagen hatte, und ich dachte, naja, les ich halt mal ein bisschen Kitsch. Ansonsten haben meine Eltern nämlich hauptsächlich Geschichtsbücher, und das ist ja nun so gar nicht meins.
Das Buch ist aber kein Kitsch.
Und eigentlich ist es ein Geschichtsbuch, darum steht's auch unter den historischen Romanen.
Kurzbeschreibung (Amazon)
Im Alter von neun Jahren lernen sich Luise und Jolande in der Schule kennen und werden Freundinnen, obwohl sie in Wesen und Charakter grundverschieden sind. Jolande weiß stets, was sie will; Luise weiß es meist hinterher. Jolas Weg ist eine Zielgerade; Lieschen, verschusselt und verspielt, verliert sich auf phantasievollen Umwegen und hat vor allem Jungs im Kopf. Mit Luises und Jolas Familien stehen sich zwei Lebensformen gegenüber: geregelte Bürgerlichkeit und liberale Künstlerwelt. Lieschen und Jola sind jung und leben in einer schweren Zeit. Weil es jedoch ihre einzige Jugend ist, nehmen sie sich ihr Recht auf Fröhlichkeit, wo immer es sich ihnen bietet.
Die Autorin (Wikipedia)
Barbara Noack (* 28. September 1924 in Berlin) ist eine deutsche Buchautorin.
Barbara Noack hatte bereits mit ihrem zweiten Roman Die Zürcher Verlobung (1955, verfilmt 1957 von Helmut Käutner) großen Erfolg. Besondere Bekanntheit erreichte sie durch Der Bastian, der die Vorlage zu einer populären Fernsehserie der 1970er lieferte.
Meine Meinung
Der obigen Kurzbeschreibung ist nicht zu entnehmen, dass dies ein historischer Roman ist. Schließlich geht es tatsächlich um eine Mädchenfreundschaft, um Probleme mit Eltern, um erste Lieben, erste Berufserfahrungen, angenehme und weniger angenehme.
Aber es geht auch um die 1930er Jahre und um den Zweiten Weltkrieg in Deutschland.
Meine Mutter war genau in Luises und Jolandes Alter, und ich erkenne in diesem Buch wieder, was sie mir über ihre Kriegserlebnisse erzählt: Bei Fliegeralarm ging es in den Keller, und verdunkelt musste werden, und der Laden, in dem gestern noch ein erträumter, aber unerschwinglicher, da nur auf Marken erhältlicher Kleiderstoff in der Auslage lag, wird heute in einem Bombenangriff zerstört - samt Kleiderstoff. Das hat mir meine Mutter erzählt, es hätte genauso gut von Luise sein können. Luise verliebt sich, ihr Liebster muss in den Krieg, sie haben kaum Zeit miteinander, und sie wissen nicht, ob er heil nach Hause kommen wird. Meine Mutter erzählt von Piloten der Flak, die weinten, wenn sie zum Einsatz abgeholt wurden, und alle, die regelmäßig mit ihnen im Luftschutzkeller saßen, warteten bange, ob sie wohl wiederkommen würden.
Und trotzdem waren sie jung, waren übermütig, liebten, lachten, setzten sich über Verbote hinweg. Hatten Liebeskummer, spielten Streiche. Ich kann mir kaum vorstellen, wie es gewesen muss, ein stinknormales Jungmädchenleben zu führen, wo doch gleichzeitig die Bomben flogen. Dieses Buch beschreibt es auf mitreißende, anschauliche Weise, und ich glaube Barbara Noack jedes Wort, sowohl das Auf und Ab in der Freundschaft zwischen Luise und Jolande als auch den Krieg über Berlin als auch das, was der Krieg mit den jungen Mädchen macht.
Ich habe mich prächtig unterhalten, habe Tränchen verdrückt und habe sehr lebendig vermittelt bekommen, wie das Leben in jener Zeit war und wie junge Mädchen Krieg erlebten und ganz schnell erwachsen werden mussten.
Und die Sprache ist so, wie es sie heute nur noch ganz selten gibt - sie lässt sich Zeit, ist bunt, ist anschaulich, ist sorgfältig ausgeschmückt, ohne je künstlich zu wirken, kommt ein winziges bisschen angestaubt rüber und wirkt darum erst recht authentisch. Das Buch ist sehr leicht zu lesen, und gerade darum wirkt die Schilderung der 1930er Jahre und des Krieges wohl so wie ein Hammer. Es ist eben kein Kitschroman, aber das wird einem erst so nach und nach klar.
Ein tolles Buch - schade, dass meine Eltern von der Sorte nicht noch mehr im Regal stehen haben.
Ach so, und einen Nachfolgeband gibt's auch, "Ein Stück vom Leben".