Markus Werner: Bis bald

  • "(D)u versöhnst dich mit dem Sterben, indem du Welt und Leben schmähst.
    – Und ist das unreif? fragte ich. Unreif nicht unbedingt, sagte Sophie, aber schade, schade und vielleicht auch ein bisschen unreif. Wie kann, wer rot uns süß vom Ast zu fallen hofft, zugleich all das verwünschen, was nötig ist, ihn rot und süß zu machen?" (S. 182)


    Der Denkmalpfleger Lorenz Hatt ist durch eine fortschreitende Herzkrankheit dem Zerfall des eigenen Körpers hilflos ausgeliefert (metaphernstark geht es also um Fassaden und Herzensangelegenheiten). Während er auf Erlösung durch eine Operation oder den Tod wartet, erzählt er dem Leser, der ihn als Gast belauscht, seine Geschichte.
    Mehrere Storys und Ebenen werden dabei kunstvoll in einander verwoben und spiegeln einander:
    Die Geschichte der Krankheit, die ihn gefangenhält wie einen Vogel im Käfig, die Liebesgeschichte mit Regina, ein mittelalterliches Ritterbüchlein und Reflexionen über die Unhaltbarkeit und Absurdität der Welt.
    Die große Frage nach dem Leben und seinem Ende und was wir daraus machen, wird von diesem wunderbaren Sprachkünstler Markus Werner vor unsere Augen geführt in Metaphern und Szenen, die ins Mark treffen, in Erinnerung bleiben, wenn man den Buchdeckel längst zugeklappt hat und unweigerlich zum Nachdenken bringen über das eigene Leben.


    Bei Amazon steht zu diesem Roman leider und erstaunlicherweise nichts Zitierenswertes, und was im Klappentext steht, klingt so pathetisch, dass es meiner Meinung nach einen ganz falschen Eindruck von dem Buch vermittelt. Denn pathetisch ist es mit Sicherheit nicht -- wer das glaubt, geht dem Erzähler auf den Leim, der sich in seinem zynischen Selbstmitleid die Welt so zurechtbiegt, wie er se gern sehen möchte, das gehört zu seinen "Kunstgriffen" mit denen "wir uns den Abschied zu erleichtern suchen". Witzig, ironisch, philosophisch, bitterböse und liebevoll erzählt er um sein Leben, weil "Erzählen eine Technik ist, die dazu dient, der Wirklichkeit das Wirkliche zu nehmen." Am Ende muss er erkennen, "dass alle Fabuliererei nur provisorisch rettet: Das Ende lässt sich nie erzählen."

  • Noch ein schöner Satz aus dem Buch: "Am Radio habe ich einmal gehört, wie ein Schriftsteller gefragt worden ist, warum er schreibe -- eine Frage übrigens, die nur Schriftstellern gestellt wird, noch nie ist ein Geiger gefragt worden, warum er geige, nur Mörder und Schriftsteller fragt man nach dem Motiv ihrer Tätigkeit." (S 123/4)

  • Zitat

    Original von Bell
    Danke für diese Rezension, ich werde dieses Buch "Zündels Abgang" wohl vorziehen (trotz Angst vor'm Thema Tod :wow)


    Gruß, Bell


    Beide lesen! :-)


    Ich habe übrigens inzwischen raus, welche Geschichte mit dem Ritterbüchlein geiment ist. Also für alle literaturwissenschaftlich und mediävistisch Interessierten:


    Hartmann von Aue: Der arme Heinrich.
    :

  • Vielen Dank für die Rezi. :-)


    Ich bin gerade mit diesem Buch fertig geworden und es hat mir gut gefallen.

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • Das les ich nun.... :-]
    Bin nun etwa in der Hälfte und muß sagen, daß es in diesem Buch wirklich unheimlich viele sehr schöne Sätze gibt...
    Gefällt mir noch besser, als Am Hang, vielleicht auch gerade weil es nicht so vorhersehbar ist



    Edit:
    Hab diese schöne Büchlein, so eben beendet.
    Sehr tragisches Thema, aber die wunderschönen Sätze machen jede Trübsinnigkeit durch die Thematik zum Genuß. Markus Werner findet wirklich auf sehr angenehme Art und Weise immer die richtigen Worte.
    Das Buch war traurigschön und hat mich sehr zum Nachdenken angeregt.
    Ich fand es wirklich wesentlich besser noch als Am Hang und das fand ich damals auch schon recht gut.

  • Markus Werner lese ich gerne,absolut lesenswert :-)


    Außer "Am Hang" habe ich noch gelesen:
    - Zündels Abgang
    - Bis bald
    - Froschnacht


    Festland liegt noch auf dem SUB :-]



    :lesend Eric Fosnes Hansen - Choral am Ende der Nacht

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • Zitat

    Original von Bell
    Eli, von Markus Werner kann ich Dir auf jeden Fall "Am Hang" empfehlen, ist auch hier rezensiert. Ich dachte ja, "Endlich Stille" würde dem ähneln, das tat es aber kaum.


    Gruß, Bell



    Wie meinst Du mit ähneln? das ist doch ein ganz anderer Autor?? :gruebel


    verwirrte Grüße von Elbereth :wave

    “In my opinion, we don't devote nearly enough scientific research to finding a cure for jerks.”

    ― Bill Watterson

  • Hallo Elbereth,


    die Storybeschreibung von Karl-Heinz Otts "Endlich Stille" erinnerte mich an "Am Hang", also hoffte ich, ich hätte sozusagen ein zweites "Am Hang" gefunden. Warum ich mich hier auf Ott bezogen habe, weiß ich selbst nicht mehr, wahrscheinlich hatte ich dessen Buch gerade voher rezensiert - edit - habe gerade nachgesehen, so war es ;-)


    :wave Bell