Verlag erfindet Phantom-Autorin

  • Hallo,


    mir ist es im Grunde egal, wer ein Buch geschrieben hat, solange es mich gut unterhält. Ich habe auch nichts gegen Pseudonyme oder eventuelle geflunkerte Lebensläufe (weil mir eben normalerweise der Autor egal ist). ABER mich stört es, wenn ein Verlag Leser wissentlich belügt und dabei so weit geht, nicht nur einen Namen und einen Lebenslauf zu erfinden, sondern zudem noch eine andere Nationalität, einen Originaltitel, einen Verlag UND den Bestsellerstatus! Das ist meiner Meinung nach eine große Sauerei, nicht nur gegenüber den Lesern, sondern auch den Buchhändlern und den Autorenkollegen.


    Der Verlag sollte einfach mal die ganze Energie und das Marketing in die Werbung für eine deutsche Autorin stecken, dann würden sie merken, dass diese Bücher durchaus auch laufen können. Wenn man die deutschen Autoren natürlich immer nur hinten rum irgendwie ins Programm schiebt und sie in den letzten Regalecken versauern lässt, müssen sie sich nicht wundern, dass die Bücher sich schlechter verkaufen als die der amerikanischen Autorinnen.



    Viele Grüße,


    Michelle

  • Zitat

    Original von Alexx61
    hm...findest du das schlimm?
    Also findest du es traurig, dass viele Leute über den Autor, den Verlag nix wiissen wollen, dennoch die Story schön finden??


    Ist doch wie bei Musik, wen interessiert schon WER das Lied geschrieben hat


    Hallo Alex,


    Mich interessiert es, wo die "Schmerzgrenze" liegt. Pseudonyme sind akzeptiert, oft verbergen sich dahinter auch unterschiedliche ästhetische Konzepte (wie z. B. bei Pessoa, der sogar verschiedene Schreibidentitäten annahm).


    Ein erfundener Verlag geht wohl auch noch durch und wird nicht als Skandal empfunden. Wie sieht es mit erfundenen Klappentexten, Rezensionen und Literaturpreisen aus? Was "darf" man, und "wer" darf das.?Ist es verwerflicher, wenn ein BoD-Autor falsche Tatsachen vorspiegelt, um auf sein Buch hinzuweisen, als ein großer Publikumsverlag?


    Diese Fragen gehen mir durch den Kopf.


    :wave
    Marcel

  • Also, wenn ich nach der überaus wunderbaren Lektüre von "Mein Leben mit Mitsu" irgendwann mal herausgefunden hätte, daß der Autor nicht La merveilleuse Nüdelsüpp, sondern irgendein daher gelaufener Alois Hinterhuber ist, der ansonsten sein Brot mit Viehzucht und dem gelegentlichen Schreiben von Landserromanen verdient.... dann wäre meine kleine Welt zusammengebrochen. :cry

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

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  • Zitat

    Original von Nudelsuppe
    [Wie sieht es mit erfundenen Klappentexten, Rezensionen und Literaturpreisen aus?



    hm..erfundene Literaturpreise??
    Das geht wohl zu weit.


    Rezensionen..nun da haben wir ja auch hier die Erfahrung gemacht, dass die einige Autoren am liebsten selbst schreiben, auch in anderen Foren, wird bei anderen Produkten ja auch gemacht, irgendein User, der keiner ist, wirbt für etwas, kommt eben nicht gut an.


    Klappentexte, nun die müssen ja gelogen sein, wenn es den/die AutorIN gar nicht so gibt.


    Keine Ahnung wo die Schmerzgrenze liegt...das wird sich weisen, inwieweit so etwas von der Käuferschaft in Zukunft angenommen wird

  • Ährlisch? Wenn ich das Buch im Laden gesehen hätte, wäre ich aufgrund des Covers neugierig drauf geworden... ich mag die Art von Iris Luckhaus' Illustrationen.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Tja, dazu ist nun zu spät
    Das wirst du nicht mehr herausfinden, obwohl..du kannst es ja so IN Japan versuchen


    Masaru Makoto stellt vor: Mein Leben mit Mitsu


    Ein japanischer Sumoringer schreibt eine wunderschöne leise Geschichte...u.s.w. :sumu

  • Zitat

    Original von Nudelsuppe
    *g*


    Die Frage ist ja anders herum - hätte Mitsu mehr Erfolg, wenn der Verlag irgendeinen verrückten japanischen Namen erfunden hätte, Verlag in Tokyo, um z. B. die ganzen Manga- und Japanfans anzusprechen ;-)


    Und wäre das dann auch ok (gewesen) - abgesehen davon, dass spätestens die Eulen den Schwindel aufgedeckt hätten?


    Lass uns diese Frage auch herumdrehen.
    Wenn Mitsu damit noch mehr Erfolg gehabt hätte, wäre das für Dich als Autor ok gewesen?


    Gruss,


    Doc

  • Zitat

    Original von Doc Hollywood
    Lass uns diese Frage auch herumdrehen.
    Wenn Mitsu damit noch mehr Erfolg gehabt hätte, wäre das für Dich als Autor ok gewesen?


    Das versuche ich gerade herauszufinden; ästhetisch wäre es sogar möglich, da Mitsu auch ein Spiel mit Identität ist (das Buch thematisiert ja "einen fremden Namen annehmen"). Außerdem glaube ich, dass in meinem Fall eine erfundene Biografie glaubwürdiger wirken würde als die tatsächliche.


    :wave
    Marcel

  • @ Voltaire:
    Nach meiner Erinnerung hat B.Traven um seine Biografie immer ein Geheimnis gemacht. Ich meine, dass meine Mutter eine Biografie über diesen Autor in ihrem Schrank stehen hat. Es handelt sich dabei um eine ältere DDR-Ausgabe, die ich vor Jahren angelesen hatte. Näheres recherchiere ich bei meinem nächsten Besuch. Dann hat dieser Thread wenigstens einen positiven Aspekt gehabt :wave.


    @ Nudelsuppe:
    Deinem Eingangsbeitrag und deinen weiteren Beiträgen habe ich entnommen, dass es dir hier nicht nur um das Phänomen "gefakte Biografie" einer Autorin geht und welche Meinung die Eulen dazu haben, sondern dass du auch konkrete Schlüsse für dich und deine Schriftstellerlaufbahn ziehst.
    Nach dem Lesen des Focus-Artikels war mein erster spontaner Gedanke, was sich für ein miserables Pseudonym ausgedacht wurde. Mein zweiter Gedanke war, dass Lady-Thriller nicht mein Genre sind und mein dritter Gedanke lehnt amerikanische Bestseller zu 98 Prozent ab. Wahrscheinlich gehöre ich nicht zum Marktsegment.
    Ehrlich gesagt, dieses Buch hätte bei mir eine größere Chance gehabt, wenn es unter deutschem Autorinnennamen mit ansprechendem Cover veröffentlicht worden wäre.
    Was die moralischen Aspekte anbelangt, so möchte ich über Autorin und Verlag nicht richten. Autoren möchten Geld verdienen, Verlage auch, ebenso Lektoren und Druckereien. An diesen Marketingkonzepten hängen Jobs. Ob das zum großen Schwindel berechtigt, weiß ich nicht. Ähnliches kennt man bereits aus dem Bereich "Frauenliteratur". Ich heiße es nicht für gut, verurteile es aber auch nicht.
    Grundsätzlich interessiert mich als Lesende die Vita des Autors und Hintergründe zu einem Buch. Mein Interesse geht aber nicht soweit, dass die Biografie eines Autors in der Öffentlichkeit breitgetreten werden muss (wie man es teilweise aus den Staaten kennt) und ich kann es respektieren, wenn ein Autor der Öffentlichkeit nichts mitteilen möchte, wobei letzteres mir lieber ist als der große Schwindel. Ich denke, dass an diesem Punkt der/die Autor/-in gefragt ist und wie hoch beim Schreibenden die moralische Hemmschwelle angesiedelt ist. Letztlich geht es mir um den Inhalt eines Buches. Wenn ich zusätzliche Informationen über den Autor erhalte, ist das eine nette Zugabe, die aber nicht zwingend und vor allem nicht spektakulär sein muss.

  • Zitat

    Original von Nudelsuppe
    Außerdem glaube ich, dass in meinem Fall eine erfundene Biografie glaubwürdiger wirken würde als die tatsächliche.


    Wer weiß? :-)
    Aber, und das ist wohl das Bedeutendere, sagt so etwas nicht wesentlich mehr über das Werk UND seinen Autoren aus? Ich meine ja nur. Würde ein Masaru Makoto ebenso fühlen, wenn er das liest? Ich glaube nicht. Und letztlich kommt es darauf an.


    Gruss,


    Doc

  • Zitat

    Original von Nudelsuppe
    Außerdem glaube ich, dass in meinem Fall eine erfundene Biografie glaubwürdiger wirken würde als die tatsächliche.


    Gibt es wirklich so viele Menschen, die Bücher wegen des Werdegangs des Autors kaufen?

  • Zitat

    Original von Salonlöwin
    @ Nudelsuppe:
    Deinem Eingangsbeitrag und deinen weiteren Beiträgen habe ich entnommen, dass es dir hier nicht nur um das Phänomen "gefakte Biografie" einer Autorin geht und welche Meinung die Eulen dazu haben, sondern dass du auch konkrete Schlüsse für dich und deine Schriftstellerlaufbahn ziehst.


    Salonlöwin


    doch, welche Meinung die Eulen dazu haben interessiert mich sogar sehr. Mich haben die Antworten überrascht. Ich sehe eine *sehr* enge Verbindung zwischen Werk und Autor. Es gibt Schriftsteller wie Alban N. Herbst, der so ziemlich jedes Detail seines (Intim)Lebens ausbreitet, im Werk und im Internet.
    Auf der anderen Seite gibt es Autoren, die sich fast komplett aus der Öffentlichkeit herausnehmen, was in der Offenbarungslawine des Web 2.0 eher anachronistisch, aber auf mich doch sympathisch wirkt.


    Es geht für mich um das Spannungsfeld zwischen Öffentlichkeit und Privatheit; ich habe da keine Antwort. Auf der anderen Seite steht das PR-Spiel; wie weit darf/kann man sich für Erfolg aufgeben? Das ist eine Frage der Authentizität. Auch hier habe ich keine Antwort. Ich sehe, dass das Spiel gespielt wird, dass der "Wert der Authentizität" zugunsten der Unterhaltung abnimmt. Diese Entwicklung mag ich nicht. Aber trotz meiner unglaublich dicken Querköpfigkeit oder queren Dickköpfigkeit muss ich Realitäten manchmal doch eben annehmen. Ich versuche nur herauszufinden, was die Realität in diesem Fall ist.


    @doc


    Ja :knuddel1


    Gruß,
    Marcel

  • Hallo Nudelsuppe,


    ich schrieb auch "nicht nur" in meinem ersten Satz. Dann habe ich dich anscheinend richtig verstanden.
    Der Authentizitätsgedanke gefällt mir, wie weit er vertraglich gelebt werden kann, ist sicherlich eine Frage der Verlagswahl.
    Wieviel du von deinem Leben preisgeben möchtest, sollte letztlich deine Entscheidung bleiben und ein schriftstellerischer Seelenstrip nach Art Web 2.0 ist sicherlich nicht jedermanns Sache. Da gilt es dann mit sensiblem Händchen Informationen auszuwählen.
    Auf jeden Fall solltest du deiner Sache treu bleiben.

  • Wenn man die Biographie schon aufpeppen muss dann doch so das es niemand merkt bzw. beweisen kann. Besonders peinlich wird es wenn immermal wieder nachgebessert wird aus "working for Scholastic" wurde auf merkwürdigerweise plötzlich "in his scholastic years". Ebenfalls besonders gefährlich ist das schmücken mit Namen. Sowas untergräbt doch jede Glaubwürdigkeit.


    Verlage und Literaturpreise zu erfinden ist meiner Meinung nach auch nicht besonders schlau:
    Misstrauisch müsste der geneigte Leser schon werden, wenn er nichts im Internet findet.


    Ein wenig feilen ist sicherlich ok, aber eben nicht zuviel. Die Wahrheit kommt höchstwahrscheinlich am Ende doch ans Licht.

  • Zitat

    Original von Salonlöwin
    Auf jeden Fall solltest du deiner Sache treu bleiben.


    Das sagt sich so einfach :-(


    Ich mache mal wieder einen Fußballspielvergleich: Bayern München beginnt seine Spieler zu dopen, die Vereine auf den unteren Tabellenrängen schauen sich das an und müssen entscheiden: bleiben sie sich treu und verlieren jedes Spiel bzw. geben gleich das Fußballspielen auf, oder beginnen sie ebenfalls zu dopen?
    Wenn jetzt jeder Zuschauer sagt: naja, macht ja nix, dass die Münchner paar Substanzen zu sich nehmen, Hauptsache das Spiel ist schön und sie sind erfolgreich ... was dann?


    Klar, der Vergleich hinkt, aber vielleicht wird mein Problem etwas klarer.


    :wave
    Marcel