Susan Fletcher: Austernfischer

  • Inhaltsangabe:


    Seit sie von den Klippen gestürzt ist, liegt Amy im Koma. Moira, ihre ältere Schwester, spricht mit ihr, trägt ihr die Welt ins Zimmer und legt dabei eine Beichte ab. Ein berührender Roman über die Nähe von Liebe und Hass, von Stille und Einsamkeit.
    (Quelle: http://www.berlinverlag.de/buc…ls.asp?isbn=9783827007193)


    Über die Autorin:


    Susan Fletcher (* 1979 in Birmingham) ist eine britische Schriftstellerin.
    Fletcher wuchs in Solihull auf, studierte "Kreatives Schreiben" an der Universität von East Anglia und lebt in Stratford-upon-Avon. Ihr Erstlingswerk Eve Green (2004) hat großes Aufsehen erregt.
    (Quelle: http://de.wikipedia.org/wiki/Susan_Fletcher_(GB))


    Meine Meinung:


    "Austernfischer" ist für mich eine schlichte und dennoch kostbare Perle im (noch) jungen Bücherjahr 2007.
    In schnörkelloser und eindringlicher Prosa erzählt Susan Fletcher die Geschichte der beiden Schwestern Amy und Moira, die von ihrem Wesen her unterschiedlicher nicht sein könnten: Moira ist verschlossen und in sich gekehrt, während Amy der Welt und den Menschen neugierig und freundlich begegnet. Nach Amys Unfall sitzt Moira am Krankenbett ihrer Schwester und erinnert sich ihres Lebens vor Amys Geburt und all der Veränderungen danach.
    Moiras Erinnerungen verweben sich zu einem zeitweise bitteren, teils wehmütigen, aber stets liebevollen Monolog an die jüngere Schwester.
    Besonders gefallen hat mir an diesem Roman, dass mein überempfindlicher Kitsch- Detektor nicht einmal angesprungen ist.


    Fazit: Uneingeschränkt empfehlenswert!


    Edit: Grammatik und Nachtrag der ISBN

    Man muss ins Gelingen verliebt sein,
    nicht ins Scheitern.
    Ernst Bloch

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  • Das Buch hört sich wirklich gut an und es sieht auch schön aus. Allerdings würde ich erst Eve Green lesen wollen und wenn es mir gefällt, dann erst das zweite von ihr kaufen.

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Hallo,
    da mir Eve Green so gut gefallen hat, habe ich mir vor wenigen Tagen die Austernfischer gekauft.
    Hoffentlich ist es ebenso gut! :-]


    Eve Green ist ja schön ruhig geschrieben, trotzdem nicht langweilig.


    :freude


    LG
    conor



    :lesend Das Haus - Danielewski

    Jeder trägt die Vergangenheit in sich eingeschlossen wie die Seiten eines Buches, das er auswendig kennt und von dem seine Freunde nur den Titel lesen können.
    Virginia Woolf

  • Ich lese es zur Zeit und kann die Begeisterung bisher definitiv noch nicht teilen, obwohl ich schon auf knapp Seite 70 angelangt bin. Es entsteht bisher 0 Spannung und es ist irgendwie ein drumherumgerede wie es mir lange nicht begegnet ist. Ich hoffe, es bessert sich noch etwas.

  • Endlich geschafft - ich habe mich gefühlte Ewigkeiten durchgequält und bin froh, dass es jetzt rum ist.
    Ist eindeutig nicht mein Genre.


    Jaune

    "Vorrat wünsche ich mir auch (für alle Kinder). Nicht nur Schokoriegel. Auch Bücher. So viele wie möglich. Jederzeit verfügbar, wartend, bereit. Was für ein Glück." Mirjam Pressler

  • Ein schlaksiges Mädchen, das nur aus zu großen Händen und Füßen, Gelenken, schwarzem Haar und einer Brille zu bestehen scheint. Das wenig spricht. Moira. Sie lebt mit ihren Eltern an der Küste in Stackpole, hört dem Meer und den Möwen zu, weiß, wo die Eissturmvögel nisten und an welchen geschützten Stellen Orchideen wachsen. Sie ist begabt und kann mit elf Jahren ein Stipendium für ein angesehenes Mädcheninternat bekommen. Und weil das Baby, das im Bauch ihrer Mutter wächst, sich anders als die drei anderen vor ihm hartnäckig weigert, diesen schützenden Ort vorzeitig zu verlassen, entschließt sie sich, weit fort zu gehen. Die Eltern haben das neue Baby und Moira hat die Einsamkeit, die Stille, die Bücher, das steinerne Mädchen mit dem leeren Krug im Springbrunnen des Internats, die Hänseleien der anderen Mädchen.


    Die kleine Schwester Amy ist lästig. Dick, quäkend. Kein Grund, nach Hause zu fahren. Moira verschließt sich immer mehr. Sie schreibt weder Briefe nach Hause, noch ruft sie an. In den Ferien fährt sie hin, wenn sie muss. Amy möchte mit ihr malen, singen, nach Einhörnern suchen. Moira tut nichts von alldem. Widerwillig erträgt sie Amys Lebensfreude.


    Moira ist wie eine Auster: eine harte Schale, die ein nacktes, weiches Inneres umschließt, und so scharfkantig, dass sie sich an sich selbst verletzen kann. Oder an der Nadel der Fischbrosche, die sie von ihrer Tante Til geschenkt bekommen hat.


    Eines Tages trifft sie Ray - vielmehr: Ray geschieht ihr.


    Die Geschichte wird Amy von Moira erzählt, während sie an Amys Krankenbett sitzt. Amy liegt nach dem Sturz von einer Klippe - Moiras Klippe - seit vier Jahren im Koma, und erst jetzt findet Moira Worte, um sich Amy zuzuwenden, ihre Schale zu öffnen und ihr zu zeigen, wer Moira ist.


    Sie erzählt von Wind und Meer, von Einsamkeit und Auflehnung. Sie holt Erinnerungen ins Krankenzimmer, Geräusche, Düfte, Dinge, die getan und die nicht getan wurden. Und Liebe, endlich.


    Eine langsame Geschichte voller Meer und Melancholie, ohne Kitsch, für alle die das Meer oder Wales lieben und sich von einer abweisenden Protagonistin nicht abschrecken lassen.


    Zitat

    Zitat (S. 192) "Hast du schon mal das Meer am Abend gesehen, bei Flut, wenn Schnee heraufzieht? Hast du schon mal auf der Steilküste gestanden in diesem seltsamen, sich langsam ausbreitenden Licht, und die Möwen ziehen nur ihre Kreise, rufen aber nicht, als spürten sie es auch? Und hast du dann auf das Meer hinausgesehen, wo die Wellen so geisterhaft erscheinen in ihrem arktischen Blau, während die Bucht von weißem, zischenden Wasser gefüllt wird und die Schaumflocken an den Stränden zurückbleiben, und du kannst ihn riechen, den Schnee? Du bist hellwach. An so einem Abend erkennst du die Macht des Meeres und deine eigene. Und das Licht wird schwächer, also gehst du nach Hause - fühlst dich weise, hast aber keine Worte dafür."


    9 von 10 Punkten