Der kurze Brief zum langen Abschied - Peter Handke

  • Kurzbeschreibung:
    Ein junger Österreicher trennt sich von seiner Frau und begibt sich auf eine Reise quer durch die USA. In der Fremde soll ihm der Abschied von seinem bisherigen Leben gelingen – doch seine Frau reist ihm von Station zu Station nach, angetrieben von Hass und ausgerüstet mit einem Revolver. Eine Verfolgungsjagd beginnt, bis sie am Pazifik schließlich aufeinander treffen...


    Über den Autor:
    Peter Handke, 1942 in Kärnten als Österreicher mit slowenischen Wurzeln geboren, brach sein 1961 begonnenes Jurastudium ab, nachdem 1965 sein Romanmanuskript „Die Hornissen“ zur Veröffentlichung angenommen wurde. Bekanntheit erlangte er bereits ein Jahr später durch die Uraufführung seines provokanten Theaterstücks „Publikumsbeschimpfung“. Mit Werken wie „Die Angst des Tormanns beim Elfmeter“ (1970), „Der kurze Brief zum langen Abschied“ (1972), „Langsame Heimkehr“ (1979), „Versuch über die Jukebox“ (1990) oder „Don Juan (erzählt von ihm selbst)“ (2004) wurde Handke zu einem der bedeutendsten deutschsprachigen Gegenwartsautoren. Der für seine Partneinahme für Serbien heftig kritisierte Peter Handke lebt heute in Paris.


    Auszeichnungen (u.a.):
    1973 Büchner-Preis
    1988 Großer Österreichischer Staatspreis
    1991 Franz-Grillparzer-Preis
    2004 Siegfried-Unseld-Preis


    Meine Meinung:
    Die Kurzbeschreibung zum kurzen Brief zum langen Abschied liest sich ohne Zweifel interessant und weckt Neugierde, doch weckte sie zumindest bei mir völlig falsche Erwartungen, wobei ich zugeben muss, dass ich bislang noch nichts von Handke gelesen hatte. „Der kurze Brief zum langen Abschied“ ist eine sehr spezielle Art Roadmovie, so begegnet die männliche Hauptfigur auf seiner Reise, die sowohl Flucht als auch Jagd ist, skurrilen, aber vor allem traurigen Gestalten und ist doch selbst die merkwürdigste aller Figuren. Der 30jährige Österreicher ist alles andere als sympathisch, doch ihn begleiten wir – nicht nur kreuz und quer durch die USA, sondern auch mitten in sein Innerstes, seine Gedanken, Gefühle, Handlungen, die für den Außenstehenden viel zu oft nur schwer nachzuvollziehen sind. Befreiend für den Protagonisten, verwirrend für den Leser, auch wenn einige Episoden durchaus einen wunderbar poetischen und zugleich kraftvollen Beigeschmack haben, schade, dass zumindest für mich dieser Beigeschmack nicht durchgehend zu spüren war.

  • Es ist schon etwas her, dass ich dieses Buch las, aber ich kann mich gut daran erinnern, dass es mir sehr gefallen hat.


    Die Kurzbeschreibung wird dem Buch tatsächlich nicht gerecht, denn es ist keine Actiongeschichte, die man hier vor sich hat, millas Rezension trifft es viel besser.


    Ich gebe hier mal eine Leseprobe, die vielleicht den einen oder anderen, der so beobachtendes Erzählen mag, verführt:


    "In diesen Tagen spürte ich auch zum ersten Mal eine länger andauernde, nicht nur fiebrige Lebenslust. Ich saß da, wir aßen und tranken, und ich war mit mir einverstanden. Ich wurde nun aber nicht lebhaft, sondern eher faul, bewegte mich kaum, achtete nicht mehr auf mich selber, konzentrierte mich auch nicht wie früher auf die andern, alle Beobachtungen geschahen nur, ohne Anspannung, als Folge eines allgemeinen Lebensgefühls. Wenn die anderen tanzten, schaute ich nur zu, ganz bei ihnen, ohne dass ich mich aufgefordert fühlte, mitzutanzen. Ich konnte nicht mehr verstehen, wie ich mich einmal von anderen Lebensformen hatte erpressen lassen. Ich hatte mich nie wohl gefühlt beim Tanzen, man fing an, hörte auf, musste warten, bis man wieder anfangen konnte. Schön war eine einzelne Bewegung, die einfach im Lauf der täglichen Begebenheiten erfolgte, eine Abschiedsgeste, die man gerade im rechten Moment und im richtigen Abstand anbrachte, eine Miene, die einem eine ausdrückliche Antwort ersparte und doch höflich und teilnehmend war, auch die gelungene Geste, mit der man das Wechselgeld des Kellners zurückwies; dabei fühlte ich mich wohl und wurde fast schwerelos, wie es den andern vielleicht beim Tanzen erging."


    Gruß, Bell

  • Der kurze Brief zum langen Abschied - Peter Handke


    Mein Eindruck:

    Das Buch hatte mich beschäftigt. Es besteht aus 2 Teilen: Der kurze Brief, Der lange Abschied. Die bilden natürlich eine Einheit. Ob man das Buch als Erzählung oder doch als Romane bezeichnet, ist Auslegungssache.


    Es ist zwar voller Merkwürdigkeiten, aber auch eine Reise durch die USA, ein richtiger Road Trip mit Bezügen zu amerikanischer Literatur, Musik und Film. Ein Jahr vorher war Handke selbst durch die USA gereist: Providence, New York, Philadelphia und vielen anderen Städten.

    Die Ausflüge aus der Handlung zu z.B. Filmen von John Ford, die Handke anscheinend viel bedeuten, waren auch für mich mit meiner USA-Affinität faszinierend.


    Erzählt wird in erster Person. Handke bzw. sein alter Ego in diesem Buch, ein 30jähriger Schriftsteller aus Österreich, ist schon ein komischer Kauz. Seine permanente gereizte Emotionalität und seine Melancholie prägen den Text. Wie er die Außenwelt sieht, zeugt von einer gediegenen, manchmal extremen Wahrnehmung.

    Einerseits flüchtet er vor seiner Ehefrau Judith, anderseits sucht er sie. Zwischendurch trifft er sich noch mit einer ehemaligen Freundin, Claire.


    Die Text ist auch eine Trennungsgeschichte, mit Sehnsucht auf ein friedliches Auseinandergehen. Der Autor verbindet Autobiografie und Fiktion.


    Es bildet sich nicht sofort ein Lesefluß und ich hatte auch einige Leseunterbrechungen, doch die literarische Qualität kann sich durchsetzen und manche Passagen habe ich zwei mal gelesen.