Der wunde Punkt – Mark Haddon

  • Karl Blessing Verlag, Februar 2007), gebunden Ausgabe, 448 Seiten
    Originaltitel: A Spot of Bother.
    Aus dem Englischen von Anke Caroline Burger


    Handlung laut Klappentext:
    George Hall braucht dringend einen neuen schwarzen Anzug für eine Trauerfeier. Als er sich in der Kabine eines Kaufhauses umzieht, entdeckt er einen dunklen Fleck an seiner Hüfte. Sein erster Gedanke: Krebs. Sein zweiter: Wie bringe ich mich am besten um? Er erleidet einen Blackout, aber seiner Frau verschweigt er alles. Mann muss auch mal etwas mit sich selbst ausmachen können.


    Seine Tochter Katie hat da ein ganz anderes Naturell: Mit immer neuen Lebensentwürfen hält sie die Familie in Atem. Jetzt kündigt sie an, dass sie ein zweites Mal heiraten wird. Als das misstrauisch beäugte Paar bei George und seiner Frau seine Aufwartung macht, erwischt es den Familienvater zum zweiten Mal: Mitten in einer Unterhaltung bekommt er keine Luft mehr, und die Worte zerfallen ihm zu sinnlosen Geräuschkaskaden. Unaufhaltsam steuert er auf einen Abgrund zu, aber niemand scheint dies recht wahrhaben zu wollen – am wenigsten er selbst.

    Aus der Perspektive seiner vier Hauptfiguren entfaltet Mark Haddon ein ebenso komisches wie abgründiges Drama über jene menschliche Institution, die am verlässlichsten Katastrophen produziert und sich für den Fortbestand unserer Gattung unentbehrlich erwiesen hat: die Zwei-Kinder-Standardfamilie mit Vorstadthaus und Garten.


    Rückseite:
    BEI DEN HALLS, EINER TYPISCHEN VORSTADTFAMILIE,


    ist soweit alles in Ordnung: Die Tochter will zum zweiten Mal heiraten, der Sohn ist schwul und oft allein, die Mutter geht fremd, und das Familienoberhaupt droht unmittelbar nach Antritt der Rente verrückt zu werden — dies aber auf ungemein höfliche Art und Weise.


    Drei Jahre nach seinem mit 17 Literaturpreisen ausgezeichneten Weltbestseller Supergute Tage oder Die sonderbare Welt des Christopher Boone legt Mark Haddon einen neuen packenden Roman voller tragikomischer Szenen vor. »Meisterhaft« (Independent) lauscht er dem alltäglichen Familienwahnsinn ungewöhnliche Töne ab und schürt die Spannung wie in einem Kriminalroman.


    »Brillant ... wundervoll einfühlsam ... voller Leidenschaft und Humor«
    The New York Times


    »Schmerzhaft, witzig, menschlich - eine verführerische Lektüre«
    The Times


    Leseprobe:
    http://www.randomhouse.de/dyna…undepunkt/index.jsp?men=2


    Zum Autor (Klappentext):
    Mark Haddon, Jahrgang 1962 studierte am Merton College Literatur und lebt mit seiner Familie in Oxford. Er schrieb Kinderbücher, Lyrik und Drehbücher Sein erster Roman„Supergute Tage oder Die sonderbare Welt des Christopher Boone (The curious incident of the dogs in the night-time“ wurde auf Anhieb ein internationaler Bestseller und u.a. mit dem Whitbread-Award, dem Premio Serono und den Commonwealth Writers Prize ausgezeichnet. „Der wunde Punkt“ ist sein zweiter Roman.


    Autoren-Homepage: www.markhaddon.com
    Sehr witzige Seite übrigens. :-)


    Zur Übersetzerin:
    Anke Caroline Burger, geboren in Darmstadt, u.a. spezialisiert auf amerikanische Literatur und Kriminalromane, hat auch schon Bill Moody, Richard Paul Evans, Iain Rankin u.v.a. übersetzt. 2003 erhielt sie den Christoph-Martin-Wieland-Übersetzerpreis.
    Auch bei Der wunde Punkt habe ich das Gefühl, ohne das ich, bis auf wenige Textstellen, Gelegenheit zu einem Textvergleich hatte, dass sie den speziellen Ton Mark Haddons gut getroffen hat.


    Meine Meinung:


    Bei dieser schrägen Familiengeschichte gefällt mir, dass sie jeweils aus unterschiedlicher, persönlicher und subjektiver Sicht der einzelnen Familienmitglieder George (Vater), Jean (Mutter), Jamie (Sohn) und Katie (Tochter) erzählt wird, wobei jeder einzelne einen kleinen Spleen hat, aber trotzdem liebenswert ist.


    Jeder der 4 Figuren steckt in seinen eigenen Problemen fest.


    George ist besessen von der Angst vor einem (eingebildeten?) Krebstod und steht psychisch kurz vor dem Zusammenbruch.


    Jean steckt in einer intensiven Affäre fest.


    Jamie hat eine problematische homosexuelle Beziehung, bei der er erst herausfinden will, was er eigentlich will und auch Katie, geschieden mit Kind, weiß nicht ob sie ihren Freund Ray wirklich heiraten soll.
    Der viel gerühmte Familienzusammenhalt existiert nur auf der Oberfläche, doch die Einsamkeit jedes einzelnen Individuums bleibt.


    Gut gefällt mir die Umschlaggestaltung mit einer Illustration des jungen, französischen Künstler Marc Boutavant, in der ein gemütliches Familien-Vorstadthäuschen von dunklen, heraufziehenden Gewitterwolken bedroht wird.


    Der wunde Punkt arbeitet mit einem leichten, unterhaltsamen Stil, in dem man tief abtauchen kann, der aber doch so ungemütlich ist, dass Leserreaktionen geteilt sein können.
    Nicht für jeden Leser wird dieser Roman eine lebensverändernde Wirkung entfalten.
    Dazu ist der Kleinstadtmief, den dieser Roman so treffend beschreibt, zu schmerzlich.


    Mark Haddon ist nicht der erste Autor, der sich dieses Themas annimmt, einige Längen sind durch den bekannten Stoff unvermeidlich, aber es lohnt sich durchzuhalten, da die Handlung so aufgebaut ist, dass die Spannung bis zum Finale auf der Hochzeitsfeier mit drohender Katastrophe kontinuierlich zum Höhepunkt zustrebt und für den Autor spricht sein warmherziger Humor.

  • Endlich kam ich nun auch dazu, dieses wundervolle und warmherzige Buch zu lesen. Herr Palomar hat es auch schon ganz vortrefflich rezensiert, so daß für mich eigentlich kaum noch "Arbeit" übrig bleibt.


    Diese wirklich schräge Familie hat es in sich - jeder hat so seine eigenen Probleme, die für sich schon ein kleines Buch füllen könnte. Aber läßt man diese eigenwilligen Charaktere aufeinandertreffen, dann geht es rund.


    Wobei ich George, den hypochondrischen Familienvater, der ständig am Rande des Nervenzusammenbruches steht, als am intensivsten und auch am aufreibendsten empfand.


    Lange verschließt die Familie (und auch George selbst!) die Augen vor diesem Problem, das schließlich alle anderen Probleme zu überlagern beginnt.


    Das Buch ist leicht und locker geschrieben, zieht einen aber soghaft in die tieferen Abgründe der Halls mit hinein. Bevor es aber zu düster wird, wird man aber auch wieder an die Oberfläche gelassen, um neuen Atem zu schöpfen.


    Ein Buch, das einen auf leise Art und Weise gefangen nimmt, trotz einiger kleinen Längen. Gut geschrieben macht es mir richtig Lust, endlich auch einmal die "Superguten Tage" zu lesen. Feines Buch - hat mir sehr gut gefallen!

    Lieben Gruß,


    Batcat


    Ein Buch ist wie ein Garten, den man in der Tasche trägt (aus Arabien)

  • Die Rezi von Herrn Palomar ist so treffend, dass sie eine wirkliche Entscheidungshilfe ist. Ich habe das Buch jetzt zu 3/4 gelesen und bin vom Schreibstil und eben der wechselnden Sicht auf die Familie begeistert. Eigentlich ist es eine nette Familie, so scheint es nach außen, die ihre eigenen Probleme und eben wunde Punkte mit sich herumtragen. Der psychologische Aspekt wird nachvollziehbar ohne reißerisch zu wirken. Auch die Mischung aus Tragik und Komik gefiel mir bisher sehr gut, sodass ich es jedem empfehle, der moderne Belletristik mag.


    Übrigens hatte ich vorher auch das Hörbuch angefangen. Allerdings war es bei mir diesmal so, dass ich nur vom Zuhören schwerer reingekommen bin. M. M. n. ist dies ein Schmöker zum Selberlesen.

  • Ich habe es von meinem Mann geschenkt bekommen (er sucht mir immer wirklich schön Bücher aus als Geschenk :-))


    :lache Und wenn Ihr mein Bild in der Galerie betrachtet - da habe ich es in der Hand - es durfte mit in den Urlaub :grin


    Und es war einfach nur gut, ich habe es morgens Angefangen und bin erst von meiner Sonnenliege aufgestanden als ich es durch hatte.


    Ich fand es sehr unterhaltsam und gut geschrieben.


    Wie ist das Buch "Supergute Tage"

    Muff Muff Muff dat Muffelinchen


    Leben ist was uns zustößt, während wir uns etwas ganz anderes vorgenommen haben. (Henry Miller)

  • Ich hab das Buch gerade im Urlaub gelesen, in der englischen Originalfassung. Kann ich durchaus in dieser Fassung empfehlen, ist nicht schwer zu lesen.


    Und wie schon bei seinem ersten Roman Supergute Tage gefiel mir gleich Haddons klare einfache Sprache. Sie erscheint sehr sachlich, erlaubt dadurch aber eine besondere Einsicht in die Gefuehle seiner Protagonisten - die Emotionen wirken absolut ehrlich.


    Er beschreibt eben auch eine ganz normale Familie, normal in ihrer Durchschnittlichkeit genauso wie mit ihren Macken. Welche Familie hat denn nicht ihre schwarzen Schafe? ihre Affairen?


    Dabei beschreibt Mark Haddon seine Figuren mit all ihren Problemen doch sehr liebenswert. Und mit viel Witz. Ich hab mehrmals laut lachen muessen. Das hat uebrigens auch meine 12jaehrige Tochter mitbekommen und wollte das Buch dann auch gleich lesen. Es gefiel ihr zu meiner Ueberraschung sehr - und aus den gleichen Gruenden wie mir: der Schreibstil und der Humor ueberzeugten.


    Dabei birgt die Geschichte in all ihrer Normalitaet keine grossen Ueberraschungen. Dennoch bleibt sie spannend und zieht den Leser in den Bann.


    Fazit: Haddons klarer Schreibstil und feiner Humor koennen auch bei dieser Familiengeschichte wieder voll ueberzeugen.

    Gruss aus Calgary, Canada
    Beatrix


    "Well behaved women rarely make history" -- Laura Thatcher Ulrich

  • Zitat

    Original von Melkat

    Hat es sonst noch jemand gelesen mittlerweile?


    Habe es als Hörbuch hier stehen, aber noch nicht reingehört...


    Solltest du aber tun, unbedingt... ich fands klasse! :rofl

  • Gestern hab ich das Buch fertig gelesen. Ich fand es ganz gut. Nur der Schluss war etwas seltsam. Ich konnte mit dem nicht wirklich was anfangen. Ich weiß jetzt immer noch nicht so recht. Es hat einach aufgehört.
    Ich hab jetzt auch keinen besonderen Schluss erwartet. Aber es hat einfach so aufgehört. Man hätte die Geschichte auch ruhig weiter erzählen können. Nein, es war einfach Schluss. Aus...


    Am Anfang hat man sich ein wenig schwer getan, wer jetzt eigentlich wer ist. Wie gehören die ganzen Namen zu einander?
    Georg der Vater
    Jean die Mutter
    Katie die Tochter
    Jamie der Sohn
    Jakob der Sohn von Katie
    Ray der Verlobte von Katie


    etc...


    Das sind erstmal die Namen, die einem am Anfang über den Weg laufen. Die weiteren Personen sind ja kein Problem.


    Katie fand ich merkwürdig und einie Situationen viel zu übertrieben. Das Weib hat einen an der Klatsche das sie gleich so auf geht. Auch hab ich den großen Streit mit Ray nicht ganz nachvollziehen können. Ich hatte das Gefühl, irgendwas überlesen zu haben. Obwohl ich die Stelle drei Mal gelesen habe um es zu verstehen wieso sie ausgetickt ist.
    Lustig war es natürlich auch mal über einen schwulen Jamie zu lesen. Wenn man da so an den berümten Jamie der Hochlandrammler denkt :DD
    Was mir auch so gut gefallen hat, mal über Männer zu lesen.


    Die Charaktäre an sich sind ganz gut getroffen. Doch. Und schön flüssig zu lesen und sehr unterhaltsam.
    Tolles Buch.
    Zum weiter empfehlen!

  • Ein wunderbares Buch, ganz nach Geschmack. Mit viel Humor, aber nie seicht erzählt Haddon die Geschichte aus den wechselnden Perspektiven der einzelnen Familienmitglieder. Der Schreibstil ist angenehm und flüssig lesbar, die witzigen Szenen kommen mitunter völlig unerwartet und passen deshalb umso besser. Das Buch hat mich absolut gefesselt, sodaß ich förmlich durchgerast bin; die Figuren sind auf ihre verschrobene, aber durchaus realistische Art allesamt irgendwie sympathisch (bis auf David vielleicht) und das Ende fand ich eigentlich auch ganz passend. Im Gegensatz zu manchen Vorrednern hatte "Der wunde Punkt" für mich keinerlei Längen, auch sonst finde ich nichts zu bemängeln - volle Punktezahl.

  • Ich habe 'the curious incident of the dog in the night-time' vor einigen Jahren im Englischunterricht gelesen und ich war begeistert. Ich denke ich werde auch dieses Buch wieder auf Englisch lesen. Liest sich einfach besser. Ist auch in einem einfachen Englisch verfasst ;)

    :lesend Hakan Nesser - Das grobmaschige Netz


    Bin immer wieder auf der Suche nach schwedischen, norwegischen, dänischen und finnischen Krimis/Thrillern.


    SUB: 48

  • Absolute Leseempfehlung von mir, wobei man eine ganze Menge Freude an skurillem Humor mitbringen sollte, wenn man sich von diesem Buch gut unterhalten lassen will. Ich erwähne als Beispiel nur die Szene als Vater Georg nach seinem abgebrochen Kurzurlaub mit Bruder Brian unvermutet nach Hause kommt. Allein beim Gedanken daran, wie Mark Haddon diese Szene beschrieben hat, stellen sich mir schon wieder die Härchen auf *brrrrrrr*.


    Haddons Charaktere weisen typisch britische Wesenszüge auf, was ich sehr unterhaltsam finde. Ein bisschen versnobt, aber immer korrekt und unterkühlt bis in die Unterhosen steuert Pensionist Georg auf eine persönliche Katastrophe zu, als ihm schmerzlich vor Augen geführt wird, dass das Leben aus viel mehr besteht, als er bisher zu bemerken in der Lage war. Aber am Ende ist er mit dem Leben davon gekommen und hat viel dazu gelernt. Besser spät als nie...


    Hatte übrigens noch jemand auf den letzten Seiten das Gefühl an den Film "Vier Hochzeiten und ein Todesfall" erinnert zu werden?

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    "Es hat alles seine Stunde und ein jedes seine Zeit, denn wir gehören dem Jetzt und nicht der Ewigkeit."

  • Mir hat dieses Buch wirklich sehr gut gefallen. Es hat mich bestens unterhalten und der Autor macht es einem sehr leicht, jeden der verschiedenen Charaktere auf eine bestimmte Art und Weise sympathisch zu finden. Obwohl man sich mittendrin natürlich schon fragt, wie sich um alles in der Welt, so viele kleine Katastrophen innerhalb einer Familie ereignen können :D

    "If you took all the people living in the hearts of the people on earth and added them up, how many would it be?" [be with you]


    Das Spiel des Engels - Carlos Ruiz Zafon :lesend