Die vierzehnjährige Cynthia erwacht am Morgen nach ihrem ersten Besäufnis, aber das Haus ist still. Und leer. Clayton und Patricia, die Eltern, und auch Todd, ihr Bruder, sind verschwunden. Es gibt keine Anzeichen für eine Gewalttat, keinen Abschiedsbrief, nicht den leisesten Hinweis.
Fünfundzwanzig Jahre später ist Cynthia selbst Ehefrau - und Mutter einer achtjährigen Tochter. Ihr Leben könnte glücklich sein, aber die ungeklärten, ein Vierteljahrhundert zurückliegenden Vorfälle belasten sie immer noch, bestimmen nach wie vor ihr Denken und auch ihr Handeln - sie ist übervorsichtig und läßt die kleine Grace so gut wie nie aus den Augen. Aber nicht nur sie leidet. Auch Terry, der liebende Ehemann, ist am Ende seiner Belastbarkeit angelangt. Nachdem ein Fernsehteam ein Feature über das mysteriöse Verschwinden von Cynthias Familie produziert hat, geschehen seltsame Dinge. Der Hut des verstorben geglaubten Vaters liegt plötzlich auf dem Eßtisch. Merkwürdige Mails und Anrufe treffen ein. Ist Cynthia selbst der Urheber dieser Vorgänge? Gibt es den braunen Wagen mit den getönten Scheiben wirklich, mit dem sie verfolgt wird, wie sie behauptet? Und wer hat den obskuren Brief geschrieben, der eines Tages eintrifft - und der mit Terrys Schreibmaschine getippt wurde?
Spannend ist die Frage allemal, wie eine ganze Familie verschwinden kann, ohne ein Wort des Abschieds zu hinterlassen, ohne Spuren und ohne vernünftige Erklärung. Linwood Barclay hält diese Spannung lange aufrecht, liefert nach und nach zwar winzige Hinweise, aber der Leser weiß fast bis zum Ende nicht, was hinter den Vorfällen, gar den zwei Morden steckt, die an Cynthias Tante Tess und einem Privatdetektiv verübt werden. Alles scheint eine Rolle zu spielen, aber selbst Ehemann Terry ist sich irgendwann nicht mehr sicher, daß seine eigene Frau nichts mit all dem zu tun haben soll.
"Ohne ein Wort" ist ein solider und fesselnder, manchmal origineller Thriller, ohne viele Schnörkel und sauber erzählt. Am Ende hätte ich mir etwas mehr Handlung und weniger durch Figuren gelieferte Erklärungen gewünscht, aber immerhin ist auch das spannend und ziemlich unerwartet. Das eine oder andere Klischee hätte nicht sein müssen, und zwei, drei Figuren sind doch etwas sehr stereotyp geraten, aber insgesamt ist das Buch ein Pageturner, genau richtig für eine schlaflose Sommernacht.