Die vierte Schwester - Kate Atkinson

  • OT: Case Histories


    Kurzbeschreibung:
    In einer heißen Sommernacht verschwindet die kleine, von ihrer ganzen Familie heiß geliebte Olivia spurlos. Die Mutter zerbricht an diesem Verlust, für die älteren Schwestern Sylvia, Amelia und Julia ist es das Drama ihres Lebens. Dreißig Jahre später taucht plötzlich Olivias Lieblingsspielzeug wieder auf. Die drei Schwestern betrauen den Privatdetektiv Jackson mit dem Fall. Er soll endlich die Fragen klären, die seit jener schrecklichen Nacht ihr ganzes Dasein überschatten: Was ist damals tatsächlich passiert? Was ist aus Olivia geworden?


    Über die Autorin:
    gibt es bei uns im Forum ein Autorenportrait mit Interview


    Meine Meinung:
    Die Kurzbeschreibung dieses Krimis von Kate Atkinson führt den neugierigen Leser ein wenig auf eine falsche Fährte, denn es geht bei weitem nicht nur um die kleine Olivia, die vor über 30 Jahren spurlos verschwunden ist und deren Schwestern nun einen Privatdetektiv beauftragt haben, herauszufinden, was damals passiert ist. Dieser Privatdetektiv, Ex-Polizist Jackson Brodie, ist eigentlicher Dreh- und Angelpunkt der Geschichte, denn er hat nicht nur selbst als Kind einen tragischen Verlust erleiden müssen, sondern er bemüht sich hier um drei Fälle aus der Vergangenheit, die – so unterschiedlich auf den ersten Blick scheinen – doch eines gemeinsam haben: Sie haben das Leben der Zurückgebliebenen radikal und für immer verändert und mit einer brutalen Ungewissheit zurückgelassen. Brodie versucht, die losen Enden der einzelnen Geschichten nach Jahrzehnten wieder aufzusammeln und sie neu zu sortieren. Dabei wird ihm die Arbeit nicht nur durch die lange Zeit erschwert...


    Wer einen klaren Handlungsstrang mit der klassischen Abfolge Tat – Ermittlung – Aufklärung bevorzugt, wird mit der vierten Schwester keine Freude haben, aber wer gerne zwischen Handlungssträngen springt, Ereignisse aus verschiedenen Blickwinkeln miterlebt, und auch nichts gegen Sprünge in die Vergangenheit hat, der wird dieses Buch nicht mehr aus der Hand legen können. Die zahlreichen Charaktere sind so unterschiedlich und authentisch, dass eine Verwechslung bei aufmerksamem Lesen kaum auftritt, im Gegenteil, ich weiß gar nicht, welcher Fall mich am meisten bewegte, so traurig real sind sie. Auch wenn Kate Atkinson einige Zufälle überstrapaziert und es den ein oder anderen unglaubwürdigen Punkt gibt, konnte ich das Buch nicht mehr aus der Hand legen und sehe nach der letzten Seite einige Ereignisse mit völlig anderen Augen.


    Fazit: Ganz sicher kein klassischer Krimi, aber spannende Unterhaltung mit der Melancholie der Realität, so tragisch wie sie eben ist.

  • Danke für die tolle Rezi.
    Dieses Buch hab ich hier schon etwas länger stehen. Dann werde ich es als bald lesen.


    Im SUB nach oben gehts nicht mehr, bei mir stehen die nach Alphabet und da steht es ganz vorne. :grin

  • Bin auf eure Meinungen gespannt! :wave


    Rita, daraus schließe ich jetzt mal, dass du keine wechselnden Handlungsstränge magst :grin Wie gesagt, das muss man tatsächlich mögen, um an dem Buch Gefallen zu finden. Ich hab es mit 8 von 10 Punkten bewertet.

  • Übersetzt aus dem Englischen von Anette Grube.
    Droemer Verlag 2005.
    400 Seiten


    Handlung (Klappentext)
    Die Schwestern Sylvia, Amelia und Julia sind wilde Teenager, die ihre Mutter permanent überfordern. Deren Sonnenschein ist die von allen innig geliebte kleine Olivia. In einer heißen Sommernacht verschwindet die Kleine spurlos. Dreißig Jahre später taucht Olivias Lieblingsspielzeug auf. Die Schwestern betrauen den Privatdetektiv Jackson mit dem Fall. Nach und nach lernt Jackson die drei Schwestern näher kennen und sieht, dass das Verschwinden Olivias das Drama ihres Lebens ist. All ihre Träume und Sehnsüchte haben sich verflüchtigt, die kleine Schwester dagegen ist ständig anwesend. Jackson kennt dieses Gefühl. Auch er hat seine Schwester plötzlich verloren. Obwohl er nicht glaubt, dass er den Fall lösen kann, trägt er pflichtbewusst seine Ermittlungsergebnisse zusammen und entdeckt durch einen Zufall den Schlüssel zu dem tragischen Verlust der drei Schwestern.


    Leseprobe:
    http://www.droemer-knaur.de/sixcms/detail.php?id=19174&skip=1


    Zur Autorin laut Klappentext:
    Kate Atkinson, 1951 in York geboren, studierte Literatur in Dundee.
    Für ihren ersten Roman Familienalbum erhielt sie den renommierten Whitbread First Novel Award. Es folgten zwei weitere Romane Ein Sommernachtsspiel und Die Ebene der schrägen Gefühle sowie ein Band mit Erzählungen Nicht das Ende der Welt.
    Kate Atkinson hat zwei Töchter und lebt in Edinburgh.


    Meine Meinung:
    Dies ist der erste Roman von Kate Atkinson um den Privatdetektiv Jackson Brodie.
    Die Autorin erzählt mehrere tragische Familiengeschichte, die durch Jackson einen Zusammenhang finden.
    Die Art mehrere Erzählebenen mit verschiedenen Personen und Zeiten zu nutzen, ist ein riskanter Stil.
    Aber in diesem Roman gelingt er. Das liegt zum großen Teil daran, dass die Handlungen des Romans eigentlich geradlinig sind, nur die Erzählweise macht viele Umwege.
    Zudem wählt die Autorin eine Erzähltechnik, die sie aber erst in ihrem nächsten Roman, Liebesdienste, perfektionieren wird. Sie schildert zentrale Szenen aus unterschiedlichen Perspektiven, wiederholt sie also. Diese so gewählten Inszenierungen beschränken sich aber auf wenige.
    Manchmal übertreibt die Autorin die raschen Wechsel, will zu viel erzählen und fordert vom Leser viel Aufmerksamkeit.


    Kate Atkinsons atmosphärischer Stil erlaubt dem Leser, wenn er sich darauf einlässt, nahe an die Figuren heran zu kommen. Sie sind liebenswert, aber bei weitem nicht perfekt, z.B. der krankhaft übergewichtige Theo, der seit Jahren den Tod seiner Tochter nicht überwinden kann oder die Schwestern des verschollenen Mädchens, Sylvia, Julia und Amelia.
    Sie alle sind Klienten von Jackson, der bei allen Problemen ihre Menschlichkeit erkennen kann.
    Jackson ist, obwohl er sich selbst als Verlierertyp wahrnimmt, ein mitfühlender Mensch, der sich für seine Klienten einsetzt und Geschäft mit Freundschaft vermischt.
    Auch bei Jackson selbst gibt es einen tragischen Verlust in seiner Familiengeschichte, die wohl der Grund für seine emotionale Bindung an seine Kunden ist.


    Ein weiterer Handlungsstrang erzählt von der Axtmörderin Michelle und ihrer Tochter, die 25 Jahre später auch in einen der oben erwähnten Fälle eine Rolle spielen wird.
    Konsequent vermischt Atkinson ihr Thema Familie mit den damit verbundenen Problemen und Verlusten und den daraus resultierenden Fällen sowie einer großen Dramatik und Emotionalität der Figuren.


    Fazit: Sehr lesenswert! Viele sympathische, lebensnahe Figuren und ein faszinierender, vielschichtiger Erzählstil. Ein Fest für Leser, die einen geradlinigen Erzählstil nicht mögen.

  • Hallo Herr Palomar,


    ich habe das Buch gerade heute angefangen zu lesen :lesend (bin durch Zufall in der Bücherei drauf gestoßen) und schaue hinterher bzw. währenddessen immer mal hier herein, um zu schauen, was die anderen Büchereulen denn zu den Büchern meinen.


    Nun lese ich in Deiner Rezi, dass "Die Vierte Schwester" der erste Roman um den Privatdetektiv Jackson Brodie ist.


    Woher weißt Du das denn? Ich habe noch keinen Nachfolger gefunden und Deine Rezi ist auch schon älter.


    Kannst Du mir helfen?


    Danke schön :wave


    schnatter

  • Ich bin zwar nicht Herr Palomar, aber ich denke ich kann Dir auch helfen...
    Der 2. Teil um Jackson Brodie ist grade als TB erschienen :-)

    Manchmal ist es besser durch Schweigen den Eindruck von Inkompetenz zu erwecken, als durch Reden letzte Zweifel daran auszuräumen.


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  • Ganz lieben Dank :wave.


    Hatte mich jetzt "nur" an Palomar gewendet, weil er den Thread schrieb.


    Vielen Dank ... werde es mir direkt heraussuchen.


    LG Katrin

  • "Lebenslüge", das Buch das im September erscheint, ist dann vermutlich der dritte Teil, oder?



    Kurzbeschreibung
    Joanna ist sechs Jahre alt, als ihre Familie vor ihren Augen ermordet wird. Noch als erwachsene Frau wird sie sich vorwerfen, ihren kleinen Bruder nicht gerettet zu haben. Für ihren eigenen Sohn schafft sie eine heile Welt. Doch kann man sich vor der Vergangenheit in Sicherheit bringen? Das fragt sich auch der Privatdetektiv Jackson Brodie, dessen Schwester umkam, als er noch ein Kind war. Seither empfindet er es als seine Berufung, andere zu beschützen und zu retten - und in scheinbar aussichtslosen Fällen zu ermitteln. Wer war der Mann, der damals Joannas Mutter ermordete? Der Mann, den sie ganz offensichtlich kannte? Gegen die grenzenlose Traurigkeit, die seither ihr Leben überschattet, rettet sich die erwachsene Joanna in ein Familienidyll, in dem auch das einsame Hausmädchen Reggie auf einen Platz hofft. Tapfer schafft Joanna für ihren Sohn ein harmonisches Zuhause und bemüht sich Tag für Tag, die feinen Risse in ihrer Fassade zu übertünchen. Doch die Geister der Vergangenhei

  • Ich habe gestern abend mit diesem wundervollen Buch angefangen und kann es kaum aus der Hand legen. Der Anfang verwirrte mich etwas, aber nach 100 Seiten habe ich es jetzt begriffen... :-)

  • Habe das Buch jetzt beendet und bin total begeistert! Leider habe ich den zweiten Band noch nicht in meinem SUB...
    Was mir besonders gut gefiel, war neben dem Schreibstil und der verwickelten Storyline, der Humor. Hier werden wirklich schrecklich tragische Erlebnisse und Ereignisse erzählt, die mich zu Tränen gerührt haben und trotzdem gab es auch Teile, wo ich Tränen überströhmt fast vor Lachen erstickt wäre... Ich freue mich darauf mehr von Kate Atkinson zu lesen! :-]

  • Zitat

    Original von Bellamissimo
    Hab gleich mal die Bücher von ihr auf die WL gesetzt... :wave


    Das kann ich dir auch empfehlen... Habe gerade echte Schwierigkeiten in das nächste rein zu kommen, weil ich noch immer an dieses mit seinen wundervollen Personen (insbesondere Jackson Brodie) denken muss.

  • Ich kann die Rezis oben voll unterschreiben, ein klasse spannendes Buch und die nächsten zwei Bücher sind schon in meinem virtuellen Einkaufswagen.


    Mich hat lediglich eine Sache furchtbar genervt: Der übermäßige Gebrauch von Text in Klammern. Das war mir einfach "too much" und deswegen ein Punkt Abzug.


    Note 2 auf der Schulnotenskala.

  • Also ich kann das Buch auch nur wärmstens empfehlen.. Es ist echt super geschrieben und es ist einfach toll wie sich die Geschichten später alle miteinander verknüpfen...


    :lesend

    Einige Bücher soll man schmecken, andere verschlucken und einige wenige kauen und verdauen.

  • Zu dem Buch kann ich irgendwie nicht viel sagen. Klappentext hört sich gut an. Hier gab es auch genug denen es gefallen hat. Ich hatte es mit im Urlaub und habe nach 50 Seiten entnervt abgebrochen. Ich bin mit dem Schreibstil nicht klar gekommen. Ich kann gar nicht genau sagen was mich gestört hat. War einfach nicht mein Ding. Habe es dann der Hotelbibliothek auf Lanzarote gestiftet :-]