'Der Duft von Sandelholz' - Seiten 111- 227

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    Original von Batcat
    Und zum Buch: Ja, den Selbstmord fand ich auch sehr feige. Aber andererseits darfst Du natürlich auch nicht die anderen Zeiten vergessen. Wenn schon Schwangerschaft als ein Tabu galt, geschweige denn von anderen Krankheiten, dann war es sicher auch nicht üblich, Kranken so wie heute beizustehen. Dennoch - feige!


    Da muss ich dich korrigieren. ;-) Kranken Familienmitgliedern wurde bis zu ihrem Tod beigestanden, tat jemand das nicht, hatte er in der Gesellschaft recht schnell den entsprechenden Ruf weg. Der Mann war, wie ihr schon richtig angemerkt habt, einfach zu feige, seine Ehefrau mit der Nachricht zu konfrontieren und dieses Schicksal zu tragen.

  • Zitat

    Original von Batcat
    Elisha ist ebenfalls eine schwierige Persönlichkeit: Eine Frau, gepresst in ein Korsett, das ihr nicht passt.


    Da sprichst Du etwas an, was mir heute beim Lesen aufgefallen ist... Auch wenn die Stelle, die ich mir angestrichen habe, weiter hinten ist, finde ich sie dahingehend sehr passend.


    S. 382f:
    Ihr blassrosa Kleid wirkte so leicht und luftig, dass niemand ahnen konnte, wie schwer sie daran trug. (...) und in der Stille des Salons war das leise Knarren von Elishas Fischbeinkorsett zu hören, (...)


    Es finden sich noch so ein paar Stellen, an denen ich die Beschreibung der Frauenkleidung der damaligen Zeit als sehr treffende Metapher für die Beschränkungen durch die Gesellschaft verstanden habe.



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    Original von Herr Palomar
    Mich wunderte, dass die 3 Schwestern so unterschiedlich sind:


    Ich glaube, das hat mit der Stellung der jeweiligen Tochter in der Familie zu tun bzw. mit den Beziehungen zwischen den einzelnen Familienmitgliedern.
    Auf mich wirkt Charlotte wie eine Mutter-Tochter - sie ist genau das, was Claire sich wünscht hat - zumindest nach außen hin. (Wobei ich im Hinblick auf spätere Ereignisse auch ahne, woher Charlotte ihr Talent für Intrigen haben könnte :grin). Elisha hingegen ist eine Vater-Tochter, und Charlotte neidet es ihr, vielleicht auch, dass Elisha ihren Vater eben mit ihrem Verstand für sich gewinnt, was sie selbst nicht hinkriegt, oberflächlich, wie sie ist. So z.B.


    S. 175 (Charlotte über Elisha)
    So sollte ihr Vater sie einmal erleben, dann wäre ein für alle Mal Schluss mit seiner Nachgiebigkeit.


    (Man könnte natürlich aus psychologischer Sicht darüber spekulieren, ob Charlotte deshalb so darauf aus ist, Männer um den Finger zu wickeln, weil sie dadurch den empfundenen Mangel an Vaterliebe zu kompensieren versucht. :gruebel)
    May ist zu Beginn des Buches in einem Alter, das sie einfach aufgrund der Lebensweise und des Erfahrungshorizontes deutlich von ihren älteren Schwestern trennt. Später (auf S. 424), als sie nachts zu Elisha ins Zimmer kommt, um ihr ihr Herz auszuschütten - da hatte ich das Gefühl, dass sich die Schwestern einander annähern, nicht zuletzt, weil May dabei ist, in die Lebensphase einzutreten, in denen sich Elisha und Charlotte bereits befinden. Und Charlotte muss natürlich gleich wieder ihr Gift verspritzen... :rolleyes

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    Queedin
    Die Hintergrundinformationen zu Indien finde ich toll, während ich mit dem Wirrwarr der Kolonialmächte - wer wann welches Fort erobert und welche Handelsbastion gründet nicht so richtig mitverfolgen kann, das ist mir zu durcheinander.


    Geht mir auch so. Erinnert mich (Sorry Laila) ein bißchen an meine Schulzeit, den Geschichtsunterricht. Diese Stellen lese ich nicht so intensiv. Mir reichts zu wissen „ist gerade Krieg“; und wenn es für die Handlung wichtig wird, muß ich eben nochmals nachlesen. Wenn mich das nach dem Buch weitergehend interessieren sollte, fange ich dann an zu recherchieren.


    Zitat

    Queedin
    Toll, jetzt weiss ich, woher das Wort Dschungel kommt!


    Das habe ich an der Stelle auch gedacht! :-)


    Zitat

    Schwarzes Schaf
    Was mir an dem Abschnitt besonders gefallen hat, war einmal die alte Inderin auf dem Marktstand, die Maja verkauft hat und alle Beziehungen der Protagonisten auf einen Blick erkannte.


    Oder war das quasi ein „Innehalten in der Erzählung“, mit dem die Autorin dem Leser die Verhältnisse nochmals kurz und prägnant ins Gedächttnis rufen wollte?

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

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    Original von chiclana


    Das habe ich mich auch gefragt....


    Das kann ich nicht nachvollziehen. Charlotte weiß ganz genau, und warnt auch Elisha davor, sexuelle Handlungen vor der Ehe zu begehen bedeutet gesellschaftliche Ächtung. Wie beschränkt muss sie sein, dass sie trotzdem das Risiko eingeht? Und dann noch ihren Vater verrät und schnüffelt?


    Aber Charlotte ist für mich einer der interessantesten Charaktere im Roman.

  • Zitat

    Original von SiCollier


    Geht mir auch so. Erinnert mich (Sorry Laila) ein bißchen an meine Schulzeit, den Geschichtsunterricht. Diese Stellen lese ich nicht so intensiv. Mir reichts zu wissen „ist gerade Krieg“; und wenn es für die Handlung wichtig wird, muß ich eben nochmals nachlesen. Wenn mich das nach dem Buch weitergehend interessieren sollte, fange ich dann an zu recherchieren.


    Ja, das hat mir auch nicht gefallen, weil ich nicht erkennen konnte, welchen Sinn es für die Handlung hatte. Keiner der Personen war involviert, nur James indirekt durch seine Kaufmannstätigkeiten.

  • Eine Familiengeschichte ist immer - zumindest für mich- eine Geschichte der Familie in der Geschichte der Zeit- gerade deshalb fand ich diesen Teil der Erzählung für sehr wichtig und informativ- so ist das mit den Geschmäckern.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend  :lesend

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  • Zitat

    beowulf
    Eine Familiengeschichte ist immer - zumindest für mich- eine Geschichte der Familie in der Geschichte der Zeit- gerade deshalb fand ich diesen Teil der Erzählung für sehr wichtig und informativ- so ist das mit den Geschmäckern.


    :write
    Diese Hintergrundinformationen waren auch wichtig; habe auch - sogar während des Romans dann - das "historische Nachwort" gelesen, was manches beim Verständnis erleichtert hat.


    Ich hatte an manchen Stellen nur irgendwie das Gefühl, die Information mußte an dieser Stelle im Roman sein, weil das Wissen vorausgesetzt wurde. Aber es war nicht genug Raum für die Erklärung da ("damit das Tempo nicht verlangsamt wird", wie man beim Film sagen würde). Also fielen die Erklärungen knapp aus - und haben mich darob an meine Schulzeit erinnert, wo auch in kurzer Zeit viel abgehandelt werden mußte (denn Geschichte war ja nur ein Nebenfach). Und dazu kommt, daß ich von Indien sowie englischer Kolonialgeschichte so gut wie nichts weiß (was sich jetzt natürlich geändert hat :-)), was es zusätzlich erschwert.


    Ich habe an anderer Stelle nicht umsonst gesagt, daß das Buch ruhig länger hätte sein können! :-]

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")

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  • @ geli


    Zitat

    Original von geli73
    Das kann ich nicht nachvollziehen. Charlotte weiß ganz genau, und warnt auch Elisha davor, sexuelle Handlungen vor der Ehe zu begehen bedeutet gesellschaftliche Ächtung. Wie beschränkt muss sie sein, dass sie trotzdem das Risiko eingeht?


    Ich hab nochmal darüber nachgedacht... Oft ist es ja so, dass man seine eigenen Fehler oder Missetaten bei anderen dann wie unter dem Brennglas sieht. Und ich vermute mal bei Charlotte, dass sie eben deshalb Elisha so eindringlich davor warnt, weil sie sich in diesem Moment bewußt wird, was sie da eigentlich macht / gemacht hat und welche Folgen das haben könnte...
    Ich hatte schon den Eindruck, Charlotte ist überzeugt, alles im Griff zu haben und die Liaison mit Lamont jederzeit beenden zu können - sie versucht es ja mehrfach - und scheitert doch immer wieder... :-(

  • Zitat

    Original von beowulf
    Eine Familiengeschichte ist immer - zumindest für mich- eine Geschichte der Familie in der Geschichte der Zeit- gerade deshalb fand ich diesen Teil der Erzählung für sehr wichtig und informativ- so ist das mit den Geschmäckern.


    Genau, beowulf. Die Persönlichkeit und der Charakter eines Menschen wird ja nicht nur vom privaten Umfeld beeinflusst, sondern auch von seinem beruflichen, kulturellen und gesellschaftlichen Umfeld. Insofern bin ich auch der Meinung, daß das unbedingt dazu gehörte.

  • Zitat

    Original von Nicole
    @ geli



    Ich hab nochmal darüber nachgedacht... Oft ist es ja so, dass man seine eigenen Fehler oder Missetaten bei anderen dann wie unter dem Brennglas sieht. Und ich vermute mal bei Charlotte, dass sie eben deshalb Elisha so eindringlich davor warnt, weil sie sich in diesem Moment bewußt wird, was sie da eigentlich macht / gemacht hat und welche Folgen das haben könnte...
    Ich hatte schon den Eindruck, Charlotte ist überzeugt, alles im Griff zu haben und die Liaison mit Lamont jederzeit beenden zu können - sie versucht es ja mehrfach - und scheitert doch immer wieder... :-(


    Abgesehen davon kann es im Leben vorkommen, daß die Vernunft in den kleinen Zeh fällt. Und ich kann Euch versichern, wenn das passiert, kann es schon eine Weile dauern, bis sie wieder dahingelangt, wo sie hingehört - auch wenn die betroffene Person, hier Charlotte, sich natürlich selbst einredet, alles im Griff zu haben.

  • Hm...also ich kann Charlotte sehr gut verstehen, es ist ihre Art von Flucht aus der Enge des familiären Gefüges.
    Sie spioniert, um sich unentbehrlich zu machen, zumindest war das meine Erklärung.
    Sie ist in meinen Augen eine unheimlich mit Selbstzweifeln behaftete junge Frau, die sich hinter einer Maske versteckt......und so niemals glücklich sein wird und kann.


    Damien hingegen empfinde ich als total dämlich. Sorry, aber er stößt Elisha vor den Kopf, wo er nur kann und redet sich dann ein, alles sei zu ihrem Besten... nenenene... schrecklich.


    Wirklich gut fand ich die Szene, als Charlottes vermutlich Zukünftiger seinem Vater mitteilt, daß er lieber die jüngere Schwester ehelichen würde.... Schade, daß die Männer schon damals nicht ausreichend Arsch in der Hose hatten, um ihren Willen gegenüber Mami und Papi durch zu setzen.


    So ich lese weiter.


    Was mir in diesem Teil ganz besonders auffiel, war, daß nahezu jede Figur sich in ihr Schicksal fügt, obwohl sie eigentlich lieber ganz anders agieren würde.
    Das erscheint mir bezeichnend für die damalige Zeit und ich frage mich ganz ernsthaft, wie glücklich man unter solchen Vorraussetzungen wirklich werden kann...

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    Original von Babyjane
    Was mir in diesem Teil ganz besonders auffiel, war, daß nahezu jede Figur sich in ihr Schicksal fügt, obwohl sie eigentlich lieber ganz anders agieren würde.
    Das erscheint mir bezeichnend für die damalige Zeit und ich frage mich ganz ernsthaft, wie glücklich man unter solchen Vorraussetzungen wirklich werden kann...


    Ja, das ist in der Tat bezeichnend für die Zeit. Das ganze Leben war so stark in das Gesellschaftsgefüge der Schicht, in die man hinein geboren wurde, integriert, dass ein Ausbruch nur sehr schwer bzw. unter großen Opfern möglich war, und die wollte nicht jeder bringen. Damals aus der Gesellschaft, die man kannte, ausgestoßen zu werden, kam völliger Isolation gleich.


    Glücklich werden - das ist natürlich die Frage. Ich denke mal, wir mit unserer modernen Erziehung könnten das sicher nicht, aber damals wurde man auf völlig andere Ziele hin erzogen, und wenn man die erreicht hat, war man vermutlich glücklich ...


    Liebe Grüße,
    Laila

  • Zitat

    Laila
    Glücklich werden - das ist natürlich die Frage. Ich denke mal, wir mit unserer modernen Erziehung könnten das sicher nicht, aber damals wurde man auf völlig andere Ziele hin erzogen, und wenn man die erreicht hat, war man vermutlich glücklich ...


    Ein interessanter Gesichtspunkt. Da muß ich mal in einer ruhigen Minute drüber nachdenken...

    Unter den Büchern finden wir wieder, was uns in der Fremde entschwand, Frieden im Innern und Frieden mit unserer Umgebung.
    (Gustav Freytag, 1816 - 1895, aus "Die verlorene Handschrift")