Heiratsmarkt - Georgette Heyer

  • Das Buch (Amazon)


    Er gilt als der begehrteste Fang auf dem Heiratsmarkt der Londoner Society. Unter den kritischen Blicken des Marquis Alverstoke zogen schon die Schönheiten vieler Saisons vorbei. Und trotzdem: Obwohl weiblichen Reizen gegenüber durchaus empfänglich, neigt Alverstoke dennoch dazu, sich schnell zu langweilen. Bis eines Tages die junge Frederica Merriville, verwaiste Tochter eines alten Freundes, in seinen Empfangssalon tritt und ihn bittet, ihrer hinreißenden Schwester Charis zu Ehren einen Ball in seinem Palais zu geben. Denn Frederica hat es sich in den Kopf gesetzt, einen standesgemäßen Heiratskandidaten für die bildhübsche Charis zu finden.


    Ausschließlich aus dem boshaften Wunsch, seine Schwester Lady Louisa zu brüskieren, stimmt der berüchtigte Herzensbrecher amüsiert zu, die beiden in der Gesellschaft zu lancieren. Und Charis’ Gesellschaftsdebüt wird ein voller Erfolg. Doch nicht nur sie wird von galanten Herren umworben: Auch ihre Schwester hat auf dem Londoner Heiratsmarkt gute Chancen. Sehr zum Leidwesen des Marquis, beginnt er sich doch ernsthaft für Frederica zu interessieren ...


    Die Autorin (Amazon)


    Georgette Heyer, geboren 1902 in Wimbledon, schrieb mit siebzehn Jahren ihren ersten Roman, der zwei Jahre später veröffentlicht wurde. Danach hat sie eine lange Reihe charmant unterhaltender Bücher verfaßt, die weit über die Grenzen Englands hinaus Widerhall fanden. Sie starb 1974 in London.


    Meinung (ich ;-) )


    Ich habe das Buch unter "Belletristik" einsortiert und nicht unter den historischen Romanen, weil es zwar als Regency-Roman firmiert, aber außer einem hübsch zeitkolorierten Alltag praktisch keine geschichtlichen Bezüge aufweist.


    Es ist, wie ich aus berufener Feder mittlerweile weiß, nicht der beste Roman von Georgette Heyer. Ich hätte es auch selbst gemerkt. ;-) Mir fehlt bei dem Buch ein stringenter Handlungsaufbau und eine logische Gewichtung unter den einzelnen Elementen. Die Sprache allerdings ist sehr schön, der Humor, der immer wieder durchblitzt, sowieso. Für Leute wie mich, die gern abends im Bett ein paar Seiten lesen, ohne dass am Ende immer ein Cliffhanger fürs nächste Kapitel stehen muss, ist es daher recht angenehm zu lesen. Es mäandert selig vor sich hin, manchmal verliert man ein bisschen den Überblick über Charis' Verehrer, dann wieder geschieht auf einmal völlig unerwartet tatsächlich etwas, das die Handlung vorantreibt, und da kriegt eine Nebenhandlung plötzlich großes Gewicht. Bisschen unausgewogen, das alles. Ich habe den Eindruck, die Autorin hat im Wesentlichen vor sich hingeschrieben, ohne den Aufbau vorher durchgeplant (oder hinterher zurechtgerückt) zu haben.


    Nun, und der Schluss ist natürlich keine Überraschung. ;-) Aber das erwartet man bei Georgette Heyers Büchern auch nicht.


    Wer mit Georgette Heyer anfangen möchte, greift sicher besser zu einem anderen Buch. Wer sie ohnehin liebt, ist auch hier nicht schlecht bedient, sollte aber keine Glanzleistung erwarten.


    Die deutsche Ausgabe scheint vergriffen zu sein; Amazon hat aber Marketplace-Angebote. Ich verlinke hier die teurere dtv-Ausgabe, weil die billigere Rowohlt-Ausgabe kein Bild hat. Und der übliche Disclaimer: Ich habe auf Englisch gelesen, kann also nichts zur Qualität der deutschen Übersetzung sagen.

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

  • Die Sache mit dem Heißluftballon ist historisch. Und dieses Fleischextrakt.
    :grin


    Ich bin aber auch der Ansicht, daß dieser Roman unter Belletristik allgemein am besten aufgehoben ist. Selbst wenn die Regency-Kostümierung recht detaillliert beschrieben wird.
    Netter Schmöker.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Ja, also ich mochte diesen Roman von Heyer sehr, vor allem die Fleischextrakt-Szene und das Ende. Hat die gute Hauptprotagonistin nicht einen kleinen wissbegierigen Bruder, der immer wieder mal für Furore sorgt und den Marquis zwingt, ein wenig aus sich raus zu gehen und über den Tellerrand zu schauen? Für schnelle und angenehme Unterhaltung ist dieser Roman sehr gut geeignet. Amüsant, witzig, spitz und auch ein wenig feministisch.


    Ich habe gelesen, das Georgette noch Bücher anderer Genres geschrieben hat, oder schreiben wollte, und an ihrem klebenden als Schmonzetten-Schreiberin durchaus ein wenig litt. Ich schätze ihre spitze Feder, die ihre Heldinnen nicht ganz so naiv erscheinen lässt, wie zum Beispiel diese rosa Dame aus Großbritannien, deren Namen ich immer wieder vergesse.

  • Ach wie schööön, da werden Erinnerungen wach. Ich habe diese Bände als vielleicht 15jährige verschlungen und sie vor ein paar Jahren beim Tod meiner Tante wehmütig gerettet. Lord "Sherry" war unser beider Liebling gewesen. Allerdings muss ich sagen, dass mir die damaligen rororo-Titelbilder deutlich besser gefallen als das, was heutzutage offenbar "zeitgemäß" erscheint. Ich kann es kaum erwarten, bis meine Enkelin im Heyer-Alter ist, ach Gottchen... :-] schmelz...

  • Zitat

    Original von Liesbett
    Ich habe gelesen, das Georgette noch Bücher anderer Genres geschrieben hat, oder schreiben wollte, ...


    Sie hat ein paar rein historische Romane geschrieben, zB "Lord John", für mich eines der allerbesten historischen. Ich glaube, das Thema hatten wir schon in irgendeinem Heyer-Thread.

  • Ich musste ja bisher bei allen Heyer Romanen schmunzeln, aber bei diesem hier lag ich teilweise flach auf dem Boden vor Lachen. Erstens die herrliche Beschreibung von Fredericas jüngeren Brüdern, die den Eiszapfen-Marquis von Alverstoke mit ihren grossen, herzschmelzenden Kulleraugen um den kleinen Finger wickeln. Dann die Sache mit dem Hund (***kreisch***) Bei dieser Szene lag ich unterm Teppich vor Lachen: Frederica und der Marquis, die es fertigbringen aus einer wilden Promenadenmischung (ein Hund unbekannter Herkunft!) einen edlen "Belutschitan-Jagdhund" zu machen (ein Hund mit geheimnisvoller Herkunft). Herrlich diese Szene!
    Das Buch hat mir ausserordentlich gut gefallen, und fällt auch insofern ein bisschen aus dem Rahmen, da hier mehr der Schwerpunkt beim Thema Familie liegt - wenn man so will.
    In jedem Fall absolut empfehlenswert - allerdings derzeit (Stand 02/2008) nur über den Amazon-Marketplace zu bekommen, leider.

  • Ich liebe Frederica. :-) Das war mein erster Heyer-Roman - und einige folgten nach ;-)


    Die Geschichte ist witzig und unterhaltsam erzählt. Der Belutschistan-Hund ist herrlich, die beiden Brüder, besonders Felix, sind besonders liebenswert.
    Auch die Beschreibung der verschiedenen Charaktere gefällt mir sehr gut. Sie lässt eine Vielfalt an Figuren auftreten, es ist einfach köstlich.

  • Dies ist mein dritter Georgette Heyer- Roman und wird sicherlich nicht mein Letzter sein.
    Der Titel „Heiratmarkt“ würde auf einen Großteil von Mrs. Heyers Büchern passen, deshalb wäre der Originaltitel „Frederica“ zwar nicht einfallsreicher, aber wohl passender.
    Schon seit früher Jugend ist Frederica auf sich allein gestellt und übernimmt die Erzieher- Rolle für ihre jüngeren Geschwister. Sie hält nichts von übertriebener Strenge und lässt ihren Geschwistern viele Freiheiten, was oft zu lustigen bis gefährlichen Verwicklungen führt. Sie kann sich aber durchaus auch durchsetzen und leitet klug die Geschicke der Familie. Durch diese Rolle vergisst sie ganz, dass sie selbst noch eine junge Frau ist und in den Augen einiger Verehrer viel mehr zu bieten hat, als ihre schöne Schwester Charis.
    Alverstoke erinnerte mich anfangs stark an Mr. Beaumaris aus „Die bezaubernde Arabella“. Auch er hatte viele Flirts, wollte aber nie eine echte Verbindung eingehen und kümmert sich um kaum eine andere Person, als sich selbst. Alverstokes großes Problem ist die Langeweile. Sie überfällt ihn zwangsläufig bei jeder Bekanntschaft und trägt zu seinem unsteten Wesen bei.
    Alverstoke und Frederica sind wirklich wunderbare Figuren, deren Beziehung, durch ihre unterschiedlichen Charaktereigenschaften, eine ganz besondere Dynamik bekommt. Die Figur, die mir aber am meisten ans Herz gewachsen ist, war Fredericas jüngster Bruder Felix. Felix, ein gewiefter 12- Jähriger und sein älterer Bruder Jessamy sind nach meiner Ansicht der Motor der Geschichte. Felix Interesse an pneumatischen Aufzügen, Dampfmaschinen und allen anderen technischen Neuerungen der englischen Industrialisierung führen immer wieder zu manchmal netten und manchmal sehr gefährliche Situationen, in der sich Alverstoke als wahrer Freund für Frederica erweist.
    Die Sprache ist außergewöhnlich, aber irgendwie auch sehr passend. So manch antiquierter Begriff wird verwendet, aber es stört nicht und wirkt, eben wegen der Sprache, auch nicht aufgesetzt, sondern eher authentisch.


    Mir hat es gefallen! :grin