Diogenes; 170 Seiten, März 2007
Originaltitel: Acide sulfurique
Übersetzt von Brigitte Große
Handlung laut Rückseite:
Ein Buch, das bei Erscheinen in Frankreich für Furore sorgte.
Eine tollkühne Satire über die grausame Lust am Spektakel, über Exhibitionismus und Voyeurismus bei Publikum und Medien.
Reality-TV, auf die Spitze getrieben: Ein Sender inszeniert ein Konzentrationslager. Das Publikum darf mitspielen und jeden Tag zwei Gefangene per Fernbedienung zum Tod verurteilen.
Zur Autorin:
Amélie Nothomb, 1967 in Kobe geboren, hat ihre Kindheit und Jugend als Tochter eines belgischen Diplomaten in Japan und China verbracht. In Frankreich erstürmt sie seit Erscheinen ihres Erstlings „Die Reinheit des Mörders“ mit jedem neuen Buch die Bestsellerlisten. Für „Mit Staunen und Zittern“ erhielt sie den Grand Prix de l’Académie francaise. Amélie Nothomb lebt in Paris und Brüssel.
Meine Meinung:
Dieser Roman ist selbst für Amelie Nothomb-Verhältnisse thematisch riskant und, wie gewohnt sehr kurz.
Nothomb spielt gerne mit Tabus, dass sehe ich bei diesem Buch als Nachteil.
Was sie vorhat, zieht sie aber durch und es gelingt ihr eine imposante Kritik am Voyerismus, besonders deutlich sichtbar in hohen Einschaltquoten bei Reality Fernsehshows wie Big Brother und ähnlichen Mist.
Jeweils einen Menschen auf jeder Seite zeigt sie deutlicher.
Die stolze Pannonica auf der Opferseite, die trotzdem der brutalen Täterin Kapo Zdena überlegen ist. Aber der Verlauf der Handlung verändert beide.
Durch den Aufenthalt im Konzentrationslager wird auch die Identität der Menschen stark eingeschränkt. Ihre Vergangenheit verliert an Bedeutung. Erschreckend.
In einer Szene unterhält sich die Protagonistin mit einem Mitgefangenen Namens Pietro Livi über die Scham des Überlebens. Der Name erinnert an den italienischen Schriftsteller Primo Levi. Natürlich schreibt Amelie Nothomb nicht so, wie Holocaust-Überlebende wie Imre Kertesz oder Jean Améry.
Aber der Holocaust wurde schon oft für Unterhaltungsliteratur und Hollywoodfilme verwendet und Reality-Show gehört da noch zum Besseren.
Die meisten anderen Romane von Amelie Nothomb, wie z.B. Mit Staunen und Zittern, Der Professor, Metaphysik der Röhren, Quecksilber habe ich trotz manchmal schmerzhafter Themen mehr genossen, obwohl die Autorin sich von ihrem Schreibstil hier nicht viel von den genannten Romanen unterscheidet.
Reality-Show ist streckenweise schwer erträglich.
So war ich am Schluss bei aller Hochachtung vor der literarischen Leistung tatsächlich froh, dass der Roman so kurz war.