Covertext:
Elf Jahre war Michael Degen alt, als seine Mutter und er beobachteten, wie ihre jüdischen Nachbarn abtransportiert wurden. Seine Mutter handelte schnell, nahm nur das Nötigste mit, und dann ging sie, mit dem Jungen an der Hand, an den Uniformierten vorbei. Es folgte ein Leben im Untergrund mit der ständigen Angst, entdeckt und deportiert zu werden. Aber in dieser Welt, die aus den Angeln gehoben war, gab es Menschen, die sie versteckten, bis der Krieg vorbei war. Freunde und Fremde, menschen, die nicht fragten, sondern wortlos halfen.
Über den Autor:
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Meine Meinung:
Man sollte es nicht für möglich halten, aber dieses Buch wurde hier noch nicht vorgestellt- nur über die Verfilmung wurde schon diskutiert.
Michael Degen beschreibt sein Leben in einem Abschnitt seiner Kindheit und Jugend zwischen 1939 und 1950, vorallem aber das Leben auf der Flucht und im Untergrund der Stadt Berlin in den Jahren 1943 bis Kriegsende. Flüssig im Stil und flott- fast zu flott, fast geht der Schmerz, das Elend und die Brutalität der Situation in dieser flotten Schreibe unter. Das Kind das Elend seiner Situation verdrängt schildert als Erwachsener die Dinge immer noch mit einer Selbstschutzdistanz wie sie aus einem Satz wie diesem ersichtlich wird, beschreiben als der Krieg vorbei ist und die Mutter voller Erleichterung davon spricht, dass man nun endlich "wie normale Menschen leben" könne: Was war normal? Ein Leben ohne Dauerflucht konnte ich mir einfach nicht vorstellen. Für mich war das die Normalität.- Und als solche Normalität beschreibt Michael Degen das Unnormale, das Überleben als Jude in der Reichshauptstatt Berlin unter nazionalsozialistischen Fantikern, Kommunisten, Proletarien und Akademikern - ganz normalen Menschen eben. In aller Angst finden Michael Degen und seine Mutter Anna immer wieder Menschen, die bereit sind zu helfen und alle Augen zuzudrücken gegenüber den Juden, den Untermenschen.
Zwei Jahre, keine lange Zeit- aber wie Michael Degen schreibt lang, was ist lang. Die Regierungszeit von Helmut Kohl dauerte sechzehn Jahre, die von Adolf Hitler zwölf Jahre. Zwei Jahr jede Minute Angst, jede Sekunde Disziplin und mit der Lüge leben- niemand der dies nicht erlebt hat kann das nachvollziehen und die Situation lässt sich auch nur schwer vermitteln. Nur in wenigen beschriebenen Momenten kommt der Leser so in die Situation hinein, dass er das Grauen miterleben kann.
Dennoch ein beeindruckendes Buch, sicherlich kein Buch, das man alleine über diese Zeit lesen sollte, da das was Michael Degen nicht erlebt hat eben auch nicht in der Biographie vorkommt. Die Sammelaktionen der GeStaPo werden nur am Rande erwähnt, das Schicksal von Helfern, die ins KZ kommen bleibt seltsam unberührt. Dennoch eine wertvolle Ergänzung über das Schicksal - das Leben und das Überleben, derer die es eben auch gab und zu denen neben Michael Degen noch ein weiterer Prominenter gehört- Hans Rosenthal überlebte den Krieg ebenfalls in einer Berliner Laube.