Die Macht der Karten - Ute Schneider

  • Macht der Karten - Karten der Macht


    Die Geschichte der Kartographie von Ute Schneider


    Klappentext


    Karten prägen unser Weltbild und umgekehrt. Was sie über die Weltsicht der Kartenmacher verraten und wie sich die Kartenkunst entwickelte - von den heilsgeschichtlichen Mappae mundi des Mittelalters über die topographischen Karten der Neuzeit bis in unsere Gegenwart, davon berichtet dieses anhand vieler eindrucksvoller großformatiger Karten.


    Ute Schneider , PD Dr. phil., ist Historikerin und Dozentin für Neuere und Neueste Geschichte an der TU Darmstadt.



    Eigene Meinung


    Wer sich beruflich oder hobbymäßig für Karten interessiert und sie gerne betrachtet, wird seine helle Freude haben!


    Wer sich vorstellen kann, wie beschwerlich echte Entdeckungsreisen zur vernünftgen Kartierung noch vor wenigen hundert Jahren waren und sich auch vorstellen kann, dass viele Kartographen garnicht die Wahrheit mit nach Hause bringen sollten, um Ruhm und Geld statt Strafe und Ächtung durch ihre adligen Auftraggeber zu erfahren, der kann sich auch vorstellen, wie interessant diese alten Karten sind, eben weil sie die Tatsachen nur so ungenau oder eben auch völlig falsch wiedergeben!
    Sie vermitteln ein Bild über alte Weltsichten, sei nun der Wunsch der Vater des Gedankens oder die eingeschränkten Möglichkeiten.


    Wer obendrein um die Problematik der Darstellung einer dreidimensionalen eingedellten Kartoffel (= Erde) auf die ebene Fläche des Papiers weiss, kann sich aber eben vielleicht auch vorstellen, dass es in unserer modernen Zeit immernoch heißt "what you see is not what you get".


    Ein Beispiel:


    Es ist schon ausgemacht interessant, wie mit Hilfe alternativer Projektionsformen heute noch die tatsächliche Reichweite von nordkoreanischen Langstreckenwaffen falsch dargestellt werden kann, ohne dabei direkt zu lügen...höchstens vielleicht ein bißchen indirekt.


    Da die große Masse an Laien Karten einfach hinnimmt ohne sie zu hinterfragen, ist die Macht, die auch heute noch in Zeiten von google earth
    in ihnen steckt, durchaus beeindruckend.


    Zurück in die älteren Zeiten: Während heute die Verwendung von Karten völlig selbstverständlich ist, musste das teils nur spärlich gebildeten Herrschern ersteinmal beigebracht werden, worin ihr Nutzen besteht.
    Einige Herrscher durften gehöriges Lehrgeld zahlen.
    Schönes Beispiel: Die Militärs, ja die ganze Führungselite des späten osmanischen Reiches, gingen tatsächlich im 19. Jahrhundert noch davon aus, die Erde sei eine Scheibe...so eine Armee war dem deutschen Reich wohl nie eine große Hilfe :lache



    So ziemlich jede Karte von historischer Bedeutung von den ersten babylonischen Weltbild-Tafeln über die skurille Tabula Peutingeriana (auf der tatsächlich alle Wege nach Rom führen), über die berühmte gesüdete Pilgerkarte des Nürnbergers Erhard Etzlaub von 1501, über Satellitenbilder bis hin zu mental maps als Thema der Sozialgeographie, ist alles zu finden.


    Es geht über die Macht der Karten in der früheren Politik, über den Mut des Kartographen zur Lücke oder zur Lüge, über die Geschichte des Kartendrucks oder -Verlags und über die Geschichte der Produktionstechniken für Karten.


    Durchgelesen hat man die 140 großformatigen Seiten schnell. Das Buch lebt besonders von den Abbildungen der Karten, auf denen man nach stundenlangen Betrachtungen immernoch etwas interessantes oder kurioses entdecken kann!


    Man sollte sich von allzu allgemeinen und überflüssig anmutenden einleitenden Worten zu Beginn des Werkes nicht abschrecken lassen. Schnell entwickelt sich doch ein Buch, das den Leser schnell und ohne unnötige Umschweife oder zähe Vertiefungen von einem Aha-Effekt zum nächsten führt!

  • So gut es grundsätzlich ist, daß dieses Buch vorgestellt wurde, sollte man bei der Lektüre doch berücksichtigen, daß es sich vornehmlich um eine wissenschaftliche Arbeit handelt.
    Die grundlegende Fragestellung - die Weltsicht der Kartenmacher und zum Teil die Weltsicht von Herrschern - muß man im Auge behalten. So allgemein und überflüssig sind die Einleitungsworte nicht. Sie sind die Voraussetzung.


    Worüber man sicher streiten kann, ist, ob sich die 'Geschichte der Kartographie' auf 140 Seiten abhandeln läßt.
    Ich meine nein und das ist mein Problem mit diesem Buch.


    Welche Mißverständnisse durch die extreme Verknappung des Texts, um es höflich zu sagen, entstehen können, zeigt eben diese Buchvorstellung hier.


    Ob die Verwendung von Karten selbstverständlich ist, sei mal dahingestellt. Wenn ich mir überlege, wie oft ich Touristen Unter den Linden, die einen Stadtplan in der Hand haben, erklären muß, wo das Brandenburger Tor liegt ...
    We are here. Yes, you go just straight on, oh, about one kilometer, no, it's not far at all, just keep on walking.


    Hm.


    Zu den Details:


    die Tabula Peutingeriana ist NICHT skurril. Natürlich führen da alle Wege nach Rom, weil es sich wahrscheinlich um die Nachzeichnung einer spätantiken Karte handelt, die angefertigt wurde unter der Maßgabe die Wege nach Rom, das als zentraler Punkt empfunden wurde, zu zeigen.
    Wie gesagt, es geht in diesem Buch um den Blick der Kartographen auf die Welt und nicht darum zu sagen, früher waren sie doof, weil sie Karten nicht gelesen haben, wie wir es tun.


    Den Satz mit der Führungselite des osmanischen Reich im 19. Jahrhundert habe ich nun gar nicht kapiert. Zum einen ist das osmanische Riech während seiner ganzen Geschichte bekannt dafür, daß es sämtliche Entdeckungen sehr rasch und sehr präzise kartographierte. Es gibt Karten, da sind die Entdeckungen von Kolumbus fast eher zu finden, als sie sich auf westlichem Kartenmaterial durchgesetzt haben.


    Zum zweiten hat das späte 19. Jahrundert nichts mit dem 1. Weltkrieg zu tun.
    Der Kriegseintritt der Türkei im Herbst 1914 erfolgte zwar zum Teil auf deutsches Drängeln hin, aber die Türkei hatte durchaus eigene Interessen. Daß die Pläne, z.B. den Zugang zum Mittelmeer zu blockieren, nicht klappten, lag vor allem daran, daß die Briten weit besser ausgerüstet waren.
    Auch die Kaukasus-Offensive hatte wenig Aussicht auf Erfolg. Nicht etwa, weil die türkischen Offiziere keine Karten lesen konnten (sie konnten es, es gab ein militärgeographisches Institut!!), sondern weil die türkische Armee von deutschen Nachschub-Lieferungen abhängig war und Deutschland die Logistik nicht auf die Reihe brachte.


    Und selbst wenn sie damals geglaubt hätten, daß die Erde eine Scheibe wäre - was ich für Unsinn halte, so wäre es de fcato völlig wurscht gewesen.
    Warum soll sich jemand im Krieg darum kümmern, welche Gestalt die Erde hat? Das wesentliche war ja wohl, den Frontverlauf korrekt im Auge zu behalten - und das tat man, das damalige türkische Kartenmaterial ist bekannt.


    Bei der Lektüre der minimalen Texte in diesem Buch bitte die Fragestellung beachten.
    Das wichtigste sind tatsächlich die Abbildungen.
    Die sind wirklich toll!

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Ich meine nein und das ist mein Problem mit diesem Buch.



    So kann mans natürlich sehen.


    Ich glaube aber eben, das gerade knapper Text zusammen mit vielen Abbildungen den Lesespaß fördert.


    Ich persönlich wäre freilich auch intensiver interessiert. Aber die meisten werden sich wohl an dem Buch eher erfreuen, dass sie nicht mit zuviel spezifischer Tiefe malträtiert werden.


    Zitat


    wissenschaftliche Arbeit.


    Ich verstehe, was du meinst, aber meine Perspektive sollte bewusst die eines interessierten Lesers sein, nicht die eines ausgebildeten Historikers oder Geographen (ich studiere diese beiden Fächer).
    Was die Fachleute als "Voraussetzung" erwarten, mag den interessierten Laien womöglich aber langweilen. Deshalb diese Worte.




    Zitat

    Wie gesagt, es geht in diesem Buch um den Blick der Kartographen auf die Welt und nicht darum zu sagen, früher waren sie doof, weil sie Karten nicht gelesen haben, wie wir es tun.


    Selbstverständlich.


    Nichts anderes wollte ich zum Ausdruck bringen. Leute, die sich damals an solche Karten wagten, waren alles andere als doof.
    Kommt das in meiner Beschreibung so falsch rüber?



    Aber um magalis Einwand gerecht zu werden, könnte ich anfügen:


    Vielleicht ein nettes Einstiegs- und Überblickswerk. Als solches ist aber sehr lebendig, finde ich.