'Deutschstunde' - Kapitel 01 - 05

  • Hallo,


    ich habe das 5. Kapitel jetzt auch abgeschlossen.


    Die Atmosphäre in der Familie wirkt sehr kalt und distanziert. Siggi nennt seinen Vater oft „der Polizeiposten“ und nicht „Vater“. Das schafft auf der einen Seite eine Distanz zwischen den beiden. Auf der anderen Seite schwingt für mich da jedoch auch Ironie mit. Bei der Mutter glaube ich weiterhin, dass sie hinter dem Pflichtbewusstsein von Jens Jepsen steckt.


    Die Distanz innerhalb der Familie wird auch durch Klaas’ Verhalten deutlich. Er will auf keinen Fall nach Hause, da er dort mit Verrat rechnen muss, sondern versteckt sich stattdessen lieber bei einem Fremden.


    LG, Frühlingsfee

  • Bin jetzt mit Kapitel vier und fünf fertig. Zu den Personen kann ich Idas Zusammenfassung unterschreiben, besonders aus der Mutter werde ich nicht schlau, weshalb fällt ihre Reaktion betreffend der Lebensmittel so harmlos aus? Davon, dass sie genau weiß, was Siggi damit vorhat, gehe ich aus.


    Das Gespräch zwischen dem Postboten und dem Vater fand ich interessant, offensichtlich hat der Maler die Sympathie vieler Einwohner und dem Polizeiposten wird, obwohl er sich laufend auf seine Pflicht beruft - andere Argumente scheint er weder zu haben noch zu kennen - von dieser Seite aus ziemlich Druck gemacht, den Maler "einfach in Ruhe zu lassen." Möglicherweise ist der Vater (mir geht es mit den Namen wie taciturus) eifersüchtig auf den Maler und es ist ihm unangenehm, in seiner Schuld zu stehen, zudem das niemand vergessen zu haben scheint.


    Überhaupt scheint der Maler bei den Leuten mehr Ansehen und Vertrauen zu genießen. Klaas möchte in seiner Situation lieber zu ihm als zu seiner eigenen Familie -- allerdings zu recht. Einzig Siggi scheint den Vater noch seine "Bewunderung" oder zumindest sein Vertrauen entgegen zu bringen, beharrt er doch darauf, dass dieser bescheid wüsste und Klaas helfen würde. (Hier kommt noch mal seine Kindlichkeit zum Vorschein, denn aus dem Gespräch ging ja ziemlich deutlich hervor, was in seinem Elternhaus mit Klaas geschehen würde, vielleicht mehr von der Seite der Mutter, aber unter deren Fuchtel steht der Vater ja. Trotzdem hat Siggi das anscheinend nicht verstanden.)


    Dass der Polizist so krampfhaft versucht, seinen Sohn Siggi zum Verbündeten zu machen, liegt vielleicht auch daran, dass er weiß, dass dieser in ihm momentan noch den bewundernswerten Vater sieht (und damit so wie es aussieht der einzige ist), womöglich möchte er dieses Bild beibehalten und auch ausnutzen.


    Der Postbote bringt eine Postkarte von Hilke; diese wird nur kurz erwähnt. Sie käme zurück und wolle für immer nach Hause. Mal sehen, ob noch etwas dazu kommt.

  • Puhu.. ich bin zu faul alles durchzu lesen... sorry.
    Aber das Buch begeistert mich bis jetzt nur wenig, ich muß mich zum Weiterlesen zwingen und langweile mich ziemlich.


    Die Schreibe von Lenz finde ich hier einfallslos und fad, wenn ich sie mit "So zärtlich war Suleyken" vergleiche.


    Schade, hatte mich so gefreut.

  • @ BJ, das Suleyken steht schon so lange auf meiner "To-read-List", weil meine Vorfahren auch aus der Ecke kommen, und jetzt freu ich mich erst recht darauf, ich mag Lenz´Stil, und wenn Du schreibst, daß Suleyken noch besser ist, muss ich das haben!!!! Mir gefällt schon die Deutschstunde ausgesprochen gut!

    :lesend Anthony Ryan - Das Heer des weißen Drachen; Navid Kermani - Ungläubiges Staunen
    :zuhoer Tad Williams - Der Abschiedsstein

  • "Fundbüro" hört sich auch interessant an, und "Brot und Spiele" habe ich sogar mal verschenkt, aber gar keine Rückmeldung erhalten, wie es war. Muss ich doch mal nachhaken.


    Suleyken hätte ich gar nicht in Betracht gezogen, der Titel hört sich schon so schundig an.

  • Also ich bin bisher erst in der Mitte des 5.Kapitels, weil ich nebenbei noch Thomas Mann für den Deutschunterricht lesen muss.


    Und ich muss ehrlich zugeben, dass ich nicht langsam lese, um die Sprache zu genießen, sondern es anstrengend finde, diese verschachtelten Sätze aufzunehmen und genau hinzugucken.


    Nach dem Anfall in Kapitel 4, glaube ich, dass Addi auch einen epileptischen Anfall in Kapitel 3 hatte. Muss zugeben, dass mir auch der Gedanke mit dem Sex gekommen ist, aber wieso sollten sie auch seelenruhig Sex haben, während sie von Möwen angegriffen werden?


    Der Vater ist für mich ein ganz schwacher Charakter. Er hat Schiss vor seiner Frau und vor der Regierung. Und deswegen macht er einfach alles Aufgetragene ohne zu hinterfragen.


    Die Mutter finde ich sehr merkwürdig. Sie verstößt ihren eigenen Sohn... das nenne ich mal gefühlskalt.

  • meine Güte, was ein bedrückendes Buch! :-(
    und dennoch hat es einen gewissen Charme; trotz der gänzlich anderen Mentalität der Menschen fühle ich mich an die Kindheitsgeschichten meiner Eltern (Jahrgänge '40/'42) und an Bücher wie die Poenichen-Triloge und Kempowskis Roman erinnert...


    @ Esmeralda

    Zitat

    Original von Esmeralda
    Wie gefährlich war es im Faschismus, wenn ein junger Mann epileptische Anfälle bekam?


    Das habe ich mich auch gefragt, gegoogelt und das hier gefunden.


    Zitat

    Original von Esmeralda
    In welcher Beziehung zueinander stehen Addi und Jutta?


    das frage ich mich auch, da steckt doch sicher noch mehr dahinter... :gruebel


    was die Szene am Strand angeht, als Siggi seiner Schwester und Addi folgt: da dachte ich auch zuerst an Sex, dann an Tod, und dann begriff ich erst, dass er einen epileptischen Anfall hatte. Da so viele hier eine ähnliche Assoziationskette hatten, nehme ich an, dass das von Lenz so beabsichtigt war.


    Bedrückend fand ich auch die Assoziationen Siggis der Möwen mit Kampffliegern - es macht mich traurig, dass der Krieg offensichtlich bei dem Jungen solche Bilder heraufbeschwört, obwohl ich mal annehme, dass Siggi dort oben gar nicht so viel mitbekommen dürfte, es hat sicher keine Angriffspunkte in unmittelbarer Nähe.



    "Die Freude an der Pflicht"...
    Ich glaube, das ist noch so ein typischer Nachkriegs-Deutschland-Wert, auch nach dem, was meine Eltern so erzählt haben. Du hast die Pflicht, etwas zu tun, und gleichzeitig soll es Dir aber Freude bereiten, diese zu erfüllen. :pille


    milla


    Zitat

    Original von milla
    Siggi, der jüngere, wird als Komplize jeden anderen Familienmitglieds für deren Zwecke missbraucht...


    das ist für mich bis jetzt wohl das Beklemmendste und Traurigste an diesem Buch, und das geht mir sehr unter die Haut... :-(


    Ich hatte an einigen Stellen ganz merkwürdige Assoziationen, die weit über das Setting des Romans hinausgehen...


    Die Geburtagsfeier beispielsweise, die Beschreibung der einzelnen Gäste als Meeresgetier - erstens konnte ich mir das sehr gut in allen Einzelheiten vorstellen, musste aber auch an die seltsame Teegesellschaft von "Alice's Adventures in Wonderland" denken, bzw. die Hummer-Quadrille daraus.
    (@ geli: die Beschreibung der Katze fand ich auch hinreißend!)


    Der imaginäre Kritiker Balthasar:
    ...der auf den Bildern, in denen er gefangengesetzt war, einen violett gesträubten Fuchspelz trug und schrägäugig war und einen Bart aus brodelndem Orange hatte, aus dem es glühend heraustropfte. (...)
    Da sah ich diverse Selbstportraits Vincent van Goghs vor mir... und van Gogh war ja zu Lebzeiten geringgeschätzt und verfemt, seine Kunst quasi auch als "entartet" betrachtet.


    und eine Seite weiter:
    (...) Da wird auch mein Vater den Großen Freund der Mühle bemerkt haben, der sich still und braun aus dem Horizont erhob, ein milder Greis, bärtig, vielleicht wundertätig, ein Wesen von freundlicher Gedankenlosigkeit, das sich ins Riesenhafte auswuchs. (...)


    Da musste ich an Don Qixote de la Mancha denken. Wie ich das interpretieren soll, weiss ich grad noch nicht ... :gruebel
    Dass sein Vater es vielleicht aussichtlos findet, den Befehlen aus Berlin NICHT zu gehorchen?


    Die Polonäse auf dem Geburtsagsfest - da habe ich mir überlegt, ob es eine Anspielung auf die "Mitläufer" der Nazi-Zeit ist. Dieser Sog des Fanatismus, der einen mitreisst, unabhängig von der eigenen Überzeugung.
    (kann natürlich auch einfach nur eine ganz harmlose Schilderung sein - aber dafür finde ich sie fast ZU ausführlich beschrieben... auch dass Addi ausgerechnet Berliner Luft Luft Luft spielt, wo wir ja wissen, dass das Malverbot per Brief aus Berlin kam.)


    Grundsätzlich gefällt es mir gut; ich mag Lenz' Ausdrucksweise über alle Maßen und staune über die Worte, die er verwendet, und WIE er es tut. Er ist ein begnadeter Erzähler - nur fürchte ich, dass die Handlung noch sehr heftig wird, und da schlucke ich jetzt schon ein wenig vorab... :-(

  • So ich bin dann jetzt auch ein wenig weiter, gefallen tut es mir immer noch nicht so richtig.


    Der epileptische Anfall, war ein epileptischer Anfall. Wie kommt ihr auf Sx? staunt, weil eigentlich hab doch ich immer die versauten Gedankengänge.... :wow


    Die Teegesellschaft, nun da dachte ich zuerst, der Maler hat tatsächlich Krebse auf dem Tisch arrangiert, um sie zu malen. Die Erkenntnis, daß lediglich unser Protagonist sie so beschreibt, kam mir recht spät.


    Die Katze fand ich auch toll. Scheint eine unheimlich gute Beobachtungsgabe zu haben, der Lenz....... könnte auch meine Pussy sein.


    Ansonsten finde ich mich so langsam ein....
    :keks

  • hallo!:-)


    bin zwar nicht für die leserunde eingetragen, hoffe aber, dass es okay ist, wenn ich trotzdem kurz meine meinung sage.
    in der schule eigentlich ver-lenzt (ver-böllt und ver-grasst übrigens auch), habe ich mir aufgrund dieser leserunde das buch doch einmal besorgt und mit dem lesen begonnen.
    nach den ersten seiten muss ich sagen, dass ich dem werk sehr zwiespältig gegenüber stehe. noch jedenfalls...
    zwar sagen mir die bereits erwähnten bildhaften beschreibungen (der die fensterbank abklopfende finger) und die "nordischen" ausdrücke (vermaddert) sehr zu, aber es fällt mir ziemlich schwer, mich dem text richtig zu öffnen. ganze seiten ohne absätze, keine wörtliche rede. echt anstrengend. vor allem, wenn man sich das schnell-lesen angewöhnt hat.
    aber ich werde auf jeden fall weiterlesen, sobald ich das sandelholzbuch von laila beendet habe.
    :wave

    "Ich habe die Erfahrung gemacht, dass Leute ohne Laster auch sehr wenige Tugenden haben." (A. Lincoln)

  • Natürlich, immer hereinspaziert in die Leserunde :-)


    Mir fiel es schwer, mich dem langsamen Stil des Buches mit meinem Lesetempo anzupassen, aber es gelang mir, wenn ich länger am Stück las.


    Ich habe mir übrigens den nächsten Lenz ausgeliehen "Brot und Spiele", kriege ich morgen. Mal sehen, wann ich es lese.