'Deutschstunde' - Kapitel 06 - 10

  • Jepsen kann also die Zukunft voraussagen ... Die Sache mit dem Eierlikör war wirklich witzig, wie Timmsen das Licht ausknipst und später noch beharrt: Du hast gesagt, deine Augen, die tun dir weh.:grin
    Die Szene wechselt aber mit dem Maler ziemlich schnell ins Ernste, finde ich, und nur nach - unangenehmer? - Pflichterfüllung klang das wirklich nicht mehr, wie schon gesagt wurde. Richtig schön dargestellt fand ich die Sache mit den unsichtbaren Bildern und die Aussage des Malers: Aus dem Kopf, da könnt ihr nichts konfiszieren.

  • Kapitelweise arbeite ich mich vor und ich ärgere mich wirklich, dass ich nicht genügend Zeit habe, einen längeren Teil am Stück zu lesen, ich vermute das wäre weit weniger anstrengend. Also mal am WE versuchen, Zeit freizuschaufeln :-)


    Zitat

    Original von geli73
    8. Das Portät
    Mal wieder verstößt Nansen gegen die Regeln, dieses Mal gegen das Verdunkelungsgebot. Und zusätzlich malt er. Das ist die Gelegenheit für Jepsen, Maßnahmen gegen den Auftändigen einzuleiten. Dass Nansen das Bild zerreißt, hab ich nicht so recht nachvollziehen können und er selbst dann ja auch nicht mehr.


    Jepsen scheint förmlich darauf zu lauern, dass er Nansen bei einem Verstoß erwischt - ich frage mich allerdings warum. Definiert er so Pflichterfüllung? Will er durch die Überführung des Malers Karriere machen? So kommt er mir allerdings gar nicht vor... Für mich nicht nachvollziehbar dieses kleinkarierte Getue, das dann noch begründet wird mit "Freundschaft ist kein Freifahrtschein für alles" :rolleyes


    Erschreckend auch die Gespräche am Essenstisch der Familie Jepsen - man merkt, wie sehr die Propaganda ihr Denken beeinflusst hat (sinngemäß: kein Wunder, dass die kranken Bilder im kranken Ausland Erfolg haben, deutsch ist das nicht) :pille

  • Kapitel 9


    Hier spürt man die Gefühlskälte im Hause Jepsen ganz besonders - allein die Menschen außerhalb zeigen Wärme und Anteilnahme, so wie Hilde und der Maler, ja sogar der belgische Kriegsgefangene kümmert sich mehr um den verwundeten Klaas als dessen Eltern.


    Die Szene, in der Vater Jepsen Klaas' Bild hervorholt, empfand ich sehr zwiespältig, auf der einen Seite positiv, weil er ihn symbolisch aus der Versenkung holt (gedanklich? emotional?), auf der anderen Seite aber, kam es mir vor wie bei einem Menschen, der einen Trauerfall zu beklagen hat, und das Bild im Andenken an ihn aufstellt. In diesem Fall hier dann auch noch in schnieker Uniform - so hätte Jepsen es wohl auch am liebsten für immer gehabt...

  • Ja, Milla, am Stück lesend gefällt mir das Buch ganz gut, sonst hätte ich es wohl schon weggelegt.


    Zitat

    Erschreckend auch die Gespräche am Essenstisch der Familie Jepsen - man merkt, wie sehr die Propaganda ihr Denken beeinflusst hat (sinngemäß: kein Wunder, dass die kranken Bilder im kranken Ausland Erfolg haben, deutsch ist das nicht)


    Oh ja, die Mutter ist wirklich schrecklich, ich hab im 16. Kapitel gerade einen Absatz, der mich auch aufgebracht hat. :bonk

  • Kapitel 7 (uff, die Woche war hart, hoffentlich hab ich am WE etwas mehr Zeit)


    Wieder in der Jugendbesserungsanstalt. Wir erfahren wie lange Siggi das jetzt schon macht. 105 Tage! (kein Wunder, dass es so lange zum Lesen dauert *g*). Und er hat gerade erst mal begonnen. Der Direktor will ihm die Strafe erlassen doch Siggi weigert sich, bittet um mehr Hefte und Tinte und nur weil der Direktor ihm am Anfang versprochen hatte, Siggi könnte selbst das Ende seiner Strafarbeit bestimmen, darf er weitermachen! Nicht mal dem Direktor scheint er mit seinem Wahn noch geheuer zu sein. Man merkt er steigert sich in etwas hinein. Er steht unter einem regelrechten Zwang die Ereignisse von damals noch einmal neu zu erleben. Diesmal fast als eine Art neutraler Zuschauer. Es ist als ob er sich und die anderen das erste mal sehen würde und jetzt aus einem ganz anderen Blickwinkel heraus über ihre Handlungen urteilen könnte. Er will etwas verstehen und den "Figuren" die Chance geben, sich zu rechtfertigen. Merkwürdig aber ich bleibe weiter bei meiner Vermutung, eine Art Selbsttherapie.


    Als er von Ole erfährt, dass in der Nacht ein Ausbruch geplant ist, lehnt er ab, er muss ja seine Strafarbeit fertig machen. Spätestens an dieser Stelle fragt sich jeder normale Mensch, ob Siggi wirklich noch alle Tassen im Schrank hat :pille (selbst wenn alle bisherigen Versuche gescheitert sind). Ole reagiert entsprechend, wenn Siggi seine Deutschstunde einmal beendet haben wird, ist er für alle Zeiten bei seinen Mitgefangenen gebrandmarkt als Streber und Außenseiter. Vielleicht ohne es zu merken wird Siggi immer mehr zum lebenden Beweis für "die Freuden der Pflicht". Nicht einmal der Lieblingswärter Joswig hat dafür noch Verständnis, nennt ihn einen Judas, einen Verräter. Aber warum fühlt Joswig sich von ihm verraten? :gruebel Sehr merkwürdig.


    Man erfährt auch etwas über Nansens Hintergrund. Er war selbst früher in der NSDAP und hegte offenbar eine tiefe Abneigung gegen Pazifisten (noch dazu wenn sie Anhänger von Franzosen waren, dem Erbfeind!). Das Telegramm mit der Farballergie, ausgelöst durch braune Farbe ist schon so rotzfrech, dass man sich fragt ob Nansen keinerlei Angst um Leib und Leben kannte. Sogar Siggis Vater ist in dem kurzen Abriss erwänd: Der Polizeiposten von Rugbüll. Offenbar hatte Nansen auch noch ausländischen Besuch in Bleekenwarf. Das wird bestimmt bald in die Erinnerungen mit einfließen.

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

  • Zitat

    Original von geli73
    Per Arne Scheßel wird aus Gewohnheit "Großvater" genannt. Mal wieder eine Umschreibung, bei der ich die Stirn runzelte. Siggis Mutter ist eine geborene Scheßel, also ist Per Arne doch wohl Siggis Opa. Warum kann er ihn dann nur aus Gewohnheit so nennen? Weil er sonst keinen Bezug zu ihm hat? Ansonsten wird dieser ja kaum erwähnt, zumindest nicht in Beziehung zu Siggi.


    Ich hatte das als Siggis Art von Humor verstanden. So in der Art wie... "Die Frau die mich geboren hat, nennen wir sie der Einfachheit halber Mutter ... "

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

  • Bin auch bei Kapitel sieben und fand es interessant, wieder zu der Anstalt zurückzukehren - 105 Tage, das hätte ich nun auch nicht gedacht.:wow


    Witzig fand ich wieder mal die Psychologen und ihre Fragen. Als sich einer danach erkundigt, ob Siggi während des Schreibens das Gefühl hätte, im Wasser zu stehen, durch Wasser zu waten oder in klarem Wasser zu schwimmen, musste ich schon sehr grinsen.:grin Die Frage nach der Schuhgröße war auch originell. Siggi wirkt geistig aber total in Ordnung, er macht sich eher noch lustig über die Psychologen ("da ich ihn nicht ganz leer ausgehen lassen wollte, gab ich Angstzustände zu").


    Das Verhalten Joswigs verstehe ich nicht ganz. Bezieht sich sein Ärger nun auf eine Vorahnung, dass es in der Nacht zu einem Versuch des Ausbruchs kommen würde oder richtet er sich gegen Siggi, der wie besessen seine Strafarbeit beenden möchte?


    Die Biographie des Malers war interessant zu lesen, wenn auch stellenweise irritierend, was seine Abneigung gegen Pazifisten und auch gegen Homosexualität betrifft. Da dachte ich, ich hätte mich verlesen.:pille Das Telegramm hatte dann aber wieder Stil.


    Insgesamt bin ich erstaunt, wie viel Humor das Buch eigentlich enthält, hätte viel mehr Ernst erwartet. In Kapitel sechs fand ich die Beschreibung der Amerikaner amüsant ("Sie essen nur Watte und trinken gefärbte Limonade"). Komme dennoch langsam voran, mehr als ein Kapitel auf einmal schaffe ich oft gar nicht.

  • Ich habe nun die ersten zehn Kapitel gelesen. Mir gefällt das Buch bisher gut. Manchmal bin ich aber irritiert, dass auf einzelne Figuren bzw. Erzählstränge Schlaglichter geworfen werden, die aber dann nicht weiter verfolgt werden. Was ist denn aus Klaas geworden? Die Verwundung schien mir dann doch nicht tödlich zu sein. Aber der Vater hat ihn ja in Husum gemeldet. Ob er nun gehängt wurde?

  • Zitat

    Original von taki32
    Manchmal bin ich aber irritiert, dass auf einzelne Figuren bzw. Erzählstränge Schlaglichter geworfen werden, die aber dann nicht weiter verfolgt werden. Was ist denn aus Klaas geworden? Die Verwundung schien mir dann doch nicht tödlich zu sein. Aber der Vater hat ihn ja in Husum gemeldet. Ob er nun gehängt wurde?


    So geht es mir mit Hilke. Warum wollte sie für immer nach Hause? Hat sie sich von Addi getrennt?

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

  • So, die "Freuden der Pflicht" in der Leserunde ;-) Ich habe Kap. 10 nun auch beendet.


    Was will uns Kap. 6 "Das zweite Gesicht" sagen? Hm. Der Vater kann in die Zukunft sehen, kann Dinge wahrnehmen, die andere nicht bemerken. Vielleicht ein Vorgriff darauf, dass er später scheinbar mühelos das Versteck von Klaas bei dem Maler aufspürt? Das Kapitel enthält auch Andeutungen darauf, dass der Krieg auch das verschlafene Rugbüll erfassen könnte - immerhin wurden auf Asmussens Boot Bomben abgeworfen. Die Szene mit den leeren Blättern ist sehr gelungen. Insgesamt kann ich das Kapitel aber überhaupt nicht einordnen und bin gespannt, ob später noch mal der Faden zu Kap. 6 aufgenommen wird.


    In Kap. 7 erfahren wir, dass auch Siggi die Freuden der Pflicht ernst nimmt. 105 Tage! Und tatsächlich, es kann sich nicht um pure Übertreibung handeln: Am Anfang des Buches trieben Eisschollen auf der Elbe; jetzt wollen ein paar Jungs schwimmend das Weite suchen. Mackenroths Arbeit enthält nebenbei die Biographie des Malers - sehr informativ. Der Maler scheint auch eine Entwicklung gemacht zu haben. Siggi sieht sich nicht gern als "Demonstrationsperson" in der Arbeit. Aber was soll er machen? Die Insassen der Anstalt sind genau das für Heerscharen von Psychologen.


    In Kap. 8 tut Siggi, glaube ich, zum ersten Mal etwas, das ihm niemand aufgetragen hat, sondern was er selbst für wichtig hält. Er rettet das Bild vom Mann im roten Mantel. Das heißt, er setzt es so wieder zusammen, dass es passt - und muss dafür den Mann im roten Mantel auf den Kopf stellen. Hat jemand von Euch eine Interpretationsidee? Seiner Schwester gibt er ein falsches Puzzle :-]


    In "Heimkehr" kommt der Krieg nun tatsächlich in die landschaftliche Idylle nach Rugbüll und verletzt Klaas schwer. Ich frage mich auch, was aus ihm geworden ist. Die Reaktion der Eltern ist seltsam, passt aber zum bisherigen Verlauf der Handlung. Allerdings weint die Mutter, wenn auch lautlos. Vielleicht ist sie doch nicht ganz so abgebrüht wie gedacht. Und der Vater macht eine Meldung. Was auch sonst als pflichtbewusster Polizeiposten.


    Kap. 10 - das Leiden der Kuh musste ich beinahe überblättern. Interessant ist, dass nur der Maler den Mut und die Kraft hat, das Tier zu erlösen. Er weiß, was zu tun ist. Die Ledermäntel und der Vater holen ihn ab. Ob er zurückkommt? Siggi rettet ein weiteres Bild, Zitat: "... ich kann nicht vergessen, was im Innern des Schranks los war: da entfaltete sich ein unaufhaltsames Braun, das den Horizont beschlagnahmte, ein Braun mit schwarzen Streifen und grauem Rand wälzte sich heran und wuchs und wuchs über einem verdämmernden Land. Das Bild hieß: 'Der Wolkenmacher'..." - eine bildhafte Beschreibung der politischen Lage. Ob der Maler wiederkommt?


    Ich bin gespannt, wie es weiter geht und hoffe, dass es auf die offenen Fragen noch Antworten geben wird.

  • Erstaunlich finde ich, dass ich zwischendurch manchmal vergesse, dass die Handlung mitten im zweiten Weltkrieg spielt. Da sind natürlich das Malverbot, der Fliegerangriff, bei dem Klaas verwundet wird und der belgische Kriegsgefangene. Aber ansonsten scheint mir die norddeutsche ländliche Gegend fast isoliert zu sein. Alles konzentriert sich auf die persönliche Haltung zu den politischen Umständen.

  • Das Krieg ist merkt man gerade an der Szene mit der Kuh doppelt - und ich habe mich gefragt, ob das für den heutigen (jungen) Leser überhaupt klar ist, warum die alle so Angst vor dem Töten der Kuh haben- die Angst vor der GESTAPO wegen einer ungenehmigten Schlachtung eines Tieres war den erwachsenen Lesern des Jahres 1968 so präsent, das Erklärungen dazu nicht nötig waren.

    Nemo tenetur :gruebel


    Ware Vreundschavt ißt, wen mahn di Schreipfelerdes andereen übersiet :grin


    :lesend  :lesend

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  • Ich glaube, Zeit ist relativ in diesem Roman - bzw. gänzlich subjektiv.
    Aber dieses chronologisch etwas unscharfe Erzählen macht die Schilderungen Siggis so authentisch, finde ich. Er springt von einer Episode zur nächsten, schafft so einen Flickenteppich an Erinnerungen. Und auch die überraschend lange Zeit, die schon in der Besserungsanstalt vergangen ist, zeigt, wie subjektiv Zeit empfunden werden kann.


    Kap.6: Dass der Lichtbild-Vortrag Asmussens zum Thema "Meer und Heimat" eigentlich harmlos beginnt, dann aber in Kriegspropaganda mündet, fand ich sehr typisch.
    Die Vision des Vaters - da überlege ich mir, ob er deshalb so versessen darauf ist, den Obrigen gehorsam zu sein. Weil er weiß, dass er im Grunde irgendwie "anders" ist, und ihm das selbst nicht ganz geheuer ist? :gruebel Und die beste Kompensationsmöglichkeit ist es natürlich, im Gleischschritt mitzumarschieren...


    Kap.7: Dass Siggi nicht flüchten will, verstehe ich gut. Mir scheint, dass er gar nicht mehr aufhören kann, Erinnerungen aufzuschreiben - als sei da ein Damm gebrochen und er kann endlich alles herauslassen, was er all die Zeit mit sich herumträgt (evtl. eine Art Beichte?)
    Ich lese da auch eine gewissen Kritik an der Verdängungs-/Verleugnungstendenz der 50er und 60er Jahre heraus.
    z.B. als der Direktor Siggis Aufsatz beschreibt mit


    (...) der Aufsatz nimmt bedrohliche Formen an. Namenszwang. Ortszwang. Psychoider Mnemismus.


    Erinnern ist etwas Gefährliches, wie es scheint.
    Oder als Ole sagt:


    Begreifen? Was soll man da begreifen, wenn einer freiwillig in der Scheiße rührt?


    Ist jetzt sicher eine sehr platte Assoziation von mir, aber ich denke da schon an Farbe Braun = Nazis... :lache


    Kap. 8: Mir sind seit "Wenn die Gondeln Trauer tragen" rote Mäntel unheimlich... :wow
    Hier kommt glaube ich der zentrale Konflikt zum Ausdruck, als Siggis Vater zum Maler sagt:


    Du bist so (...), du allein. Es gibt andere, viele andere, die sich an die allgemeine Ordnung halten - du brauchst deine persönliche Ordnung.


    Da spricht für mich der Mitläufer eines Kollektivs mit einem Invidualisten, der eben dadurch subversiv ist.


    Beim Abendessen der Familie Jepsen (da wirkt sie doch wirklich fast wie eine heile Familie!), als der Vater sagt:


    Ich geb das nach Husum (...), nich nach Berlin. Sollen die in Husum sich was ausdenken für Max.


    Da habe ich mich gefragt: ist Husum "weniger schlimm" als Berlin?
    Und ich werde das Gefühl nicht los, dass er Max eines auswischen will, obwohl dieser ihm doch damals das Leben gerettet hat. Aber warum?? :gruebel


    Kap. 9: Der Luftangriff beim Torfstechen...
    Es beginnt als Idyll, und der Angriff kam für mich als Leserin so unerwartet, dass ich noch zweimal zurückspringen musste, um es wirklich zu begreifen. Und in seiner Beschreibung war er für mich ein Echo der Möwen-Szene aus Kap.3. Was damals Fantasie war, ist jetzt REalität.
    Klaas' Verwundung hat mich sehr mitgenommen, da musste ich das Buch erst mal weglegen und schlucken.
    Ich empfinde die Mutter etwas anders als hier bislang vermerkt wurde. Ich habe eher das Gefühl, sie ist überwältigt von Gefühlen und schiebt sie weg, weil sie nicht damit umgehen kann. Und da frage ich mich auch: was hat diese Frau so kalt und hart gemacht?


    ah, genau, in Kap. 10 steht noch etwas zu Siggis Vater, was mich aufhorchen ließ. Als Max von der Gestapo abgeholt wird, sagt Jepsen zu ihm:


    Du hast es so gewollt (...), du selbst. Aber ihr seid ja groß, ihr seid ja allen überlegen, für euch gilt nich, was für andere gilt.


    Ich spekuliere gerade, ob er neidisch ist auf Max' Talent, oder auf dessen Lebensweise? Bin gespannt, ob sich dazu weiterhin noch etwas findet...

  • So, ich habe das 10. Kapitel und damit diesen Teil jetzt auch beendet, und ich fand dieses Kapitel bei weitem am bedrückendsten, Notschlachtung und Nansen wird abgeholt - heftig heftig... :-(


    Zitat

    Original von Nicole
    Ich glaube, Zeit ist relativ in diesem Roman - bzw. gänzlich subjektiv.
    Aber dieses chronologisch etwas unscharfe Erzählen macht die Schilderungen Siggis so authentisch, finde ich. Er springt von einer Episode zur nächsten, schafft so einen Flickenteppich an Erinnerungen. Und auch die überraschend lange Zeit, die schon in der Besserungsanstalt vergangen ist, zeigt, wie subjektiv Zeit empfunden werden kann.


    Stimmt!! :write Das Springen von einer Episode zur nächsten steht vor allem im Gegensatz zu dem ausschweifenden und detailreichen Erzählstil, das lässt die Zeit meiner Meinung nach auch irgendwie verschwimmen.


    Zitat

    Original von Nicole
    Beim Abendessen der Familie Jepsen (da wirkt sie doch wirklich fast wie eine heile Familie!), als der Vater sagt:


    Ich geb das nach Husum (...), nich nach Berlin. Sollen die in Husum sich was ausdenken für Max.


    Da habe ich mich gefragt: ist Husum "weniger schlimm" als Berlin?


    Ich glaube alles ist weniger schlimm als Berlin - und Husum ist vielleicht so eine Art Kompromiss, also er hat seine Pflicht getan und es gemeldet, aber nicht nach Berlin an die höchste Stelle, sondern von sich aus betrachtet einfach eine Befehlsstufe weiter nach oben, da besteht vielleicht Hoffnung, dass die Konsequenzen nicht ganz so drastisch sind, so kann er beides für sich rechtfertigen.


    Zitat

    Original von Nicole
    ah, genau, in Kap. 10 steht noch etwas zu Siggis Vater, was mich aufhorchen ließ. Als Max von der Gestapo abgeholt wird, sagt Jepsen zu ihm:


    Du hast es so gewollt (...), du selbst. Aber ihr seid ja groß, ihr seid ja allen überlegen, für euch gilt nich, was für andere gilt.


    Ich spekuliere gerade, ob er neidisch ist auf Max' Talent, oder auf dessen Lebensweise? Bin gespannt, ob sich dazu weiterhin noch etwas findet...


    Den Gedanken hatte ich auch, schließlich ist Max in Künstlerkreisen anscheinend ja sehr berühmt (vor allem im Ausland!), während Jepsen nur ein kleines Licht in irgendeinem norddeutschen Nest ist. Das scheint ein häufig zu beobachtendes Phänomen zu sein, dass gerade die, die wenig zu sagen haben und im Gesamtapparat relativ unbedeutend sind, bei der Ausübung ihrer kleinen Pflichten besonders genau (und zuweilen auch unnötig grausam) sind. Möglicherweise eine Art Selbstaufwertung... :gruebel

  • Zitat

    Original von milla
    Ich glaube alles ist weniger schlimm als Berlin - und Husum ist vielleicht so eine Art Kompromiss, also er hat seine Pflicht getan und es gemeldet, aber nicht nach Berlin an die höchste Stelle, sondern von sich aus betrachtet einfach eine Befehlsstufe weiter nach oben, da besteht vielleicht Hoffnung, dass die Konsequenzen nicht ganz so drastisch sind, so kann er beides für sich rechtfertigen.


    Darauf bin ich gar nicht gekommen, dass das quasi ein Kompromiß für ihn sein könnte... :gruebel klingt aber einleuchtend, danke! :wave

  • Am Wochenende hab ich nun die letzten 3 Kapitel dieses Abschnittes gelesen. Allerdings muss ich gestehen, dass ich mit dem weiteren Fortschreiten der Geschichte irgendwie immer ungeduldiger werde. Es ist ja nicht so, dass nichts passiert, aber manchmal reitet mir der Autor doch schon ZU sehr auf seinen Beschreibungen rum. Am Anfang haben sie mir ja auch gefallen, aber mittlerweile nerven sie mich manchmal schon. Vielleicht ist es auch einfach nur das falsche Buch zur falschen Zeit. Wenn man eh nicht viel Freizeit übrig hat und dann zum Lesen auch noch so lange braucht ist das sehr ungewohnt.


    In Kapitel 8 zerreisst Nansen sein eigenes Bild. Meine Interpretation war ja, dass er verhindern wollte, dass Jepsen seinen Sohn auf dem Bild erkennt (den der Maler ja offiziell seit seiner Flucht nicht gesehen haben kann) und den Rückschluß zieht, Nansen würde ihn verstecken. Irgendwie hat der Polizeiposten es aber doch spitz gekriegt (vielleicht durch seinen 6. Sinn?) und Klaas bleibt nur durch einen Zufall selbst unentdeckt.


    In Kapitel 9 erwischt es den armen Klaas denn aber doch. Bei einem Fliegerangriff auf die Torfsoldaten (waren die im Krieg nicht verpflichtet Munition zu sparen? Könnten die vom Flugzeug aus die Torfarmee tatsächlich für Soldaten gehalten haben?) erhält er einen Bauchschuss. Irgendwie musste er in der Geschichte schon ziemlich viel einstecken. Was mich wundert... wieso überlebt er überhaupt so lange? Ich bin kein Experte, aber nach allem was ich weiss, verblutet man nach so einem Bauchschuß ziemlich schnell. Vermutlich kommt es aber auch hier auf die genaue Stelle an und er hatte Glück im Unglück. Nun wird er also gesund gepflegt damit man ihn standrechtlich erschießen kann. Wäre ja auch unfair nen Kranken zu erschießen. (Achtung Ironie). Der Vater zeigt zum ersten Mal richtig Emotion für seinen Sohn. Ich glaube, wenn die Möglichkeit bestanden hätte, dass der Doktor ihn behandeln kann, hätte er Klaas vielleicht nicht gemeldet (vielleicht, weil ja immer noch abzuwarten gewesen wäre, was seine Frau ihm befohlen hätte). Die Mutter ist eine merkwürdige wirklich eiskalte Frau. Falls sie doch einmal kurzzeitig von einem Gefühl erschüttert wird, hat sie sich sofort wieder unter Kontrolle (oder verschwindet wahlweise ins Schlafzimmer). Irgendwas ist bei der auch nicht ganz richtig. Ist sie selbst so kalt und zur Kälte erzogen worden? Irgendwie muss ich jetzt an Magda Göbbels denken, die ihre 6 Kinder aus purem Fanatismus, Egoismus und "Pflichterfüllung" umgebracht hat (bzw. umbringen hat lassen). So etwas könnte Siggis Mutter mit Sicherheit auch.


    Die Notschlachtung der Kuh in Kapitel 10 ist eine wirklich grausame Szenerie. Alle sehen wie sehr das Tier leiden muss, aber der Bauer bringt es einfach nicht über sich, seine Kuh, die ihm doch aufs Worte gehorchte, zu erlösen. Stattdessen ist es der Maler, der es schließlich nicht mehr mit ansehen kann und das Tier mit mehreren Axthieben tötet. Vermutlich ist diese Schlachtung symbolisch für irgendwas, ich hab nur keinen blassen Schimmer wofür, aber es war eine wirklich schauderhafte Szene. Dann wird Nansen von den Ledermänteln geholt. Er ist ziemlich ruhig und gefasst, das einzige was er zu fürchten scheint ist, dass sein Bild mit der bedrohlichen braunen Wolke entdeckt wird und so gibt er es Siggi mit. Ein mutiger Schritt, es genau dem Sohn seines neuen Erzfeindes anzuvertrauen, aber er weiß wohl, dass Siggi nicht so ist wie sein Vater. Und ganz plötzlich sind wir wieder in der Jugendbesserungsanstalt. Man erfährt, dass der Fluchtversuch von Ole schon etwas her und misslungen ist. Aber es ist bereits ein neuer geplant. An dieser Stelle kommt mir Joswig das erste mal wirklich zu weich vor. Einen geplanten Fluchtversuch sollte er melden, selbst wenn er fürchtet es könnte die Harmonie mit seinen Jungs stören. Den meisten scheint es doch egal zu sein wie es ihm geht (Ole wollte ihn ja sogar zusammenschlagen), also wozu die ganzen komplizierten Gedanken? Es scheint mir wirklich so zu sein, dass er das andere Extrem zu Jepsen ist. Er versucht so verzweifelt mit allen gut auszukommen, dass er die Pflicht doch schon mal sehr schleifen lässt.

    „Furcht führt zu Wut, Wut führt zu Hass. Hass führt zu unsäglichem Leid.“

    - Meister Yoda

  • Kapitel 6:
    Jepsen beschlagnahmt leere Blätter vom Maler. Man merkt wieder einmal, dass er nicht nur seine Pflicht erfüllt. Dieses Malverbot sitzt so fest in seinem Kopf drin, dass er nun tatsächlich LEERE Blätter beschlagnahmt. Diese Szene fand ich sehr ironisch. Jepsen hat das Gefühl dafür verloren, was noch Pflicht ist und was darüber hinausgeht.


    Kapitel 7:
    Siggi entdeckt seine eigenen Freuden der Pflicht. Der Direktor beendet seine Strafarbeit, aber Siggi hält diese für unglaublich wichtig und will nicht vorzeitig aufhören. Er schlägt sogar die Möglichkeit auf einen Fluchtversuch aus.


    Das Telegramm des Malers (Allergie gegen die Farbe Braun) fand ich sehr beeidruckend und mutig. Er ist eine starke Persönlichkeit, lässt sich nicht beeinflussen, sondern widersetzt sich.


    Kapitel 8:
    Wieso behält Siggi das Bild aus Schnippseln? Findet er es einfach schön? Oder will er den Maler beschützen?


    Kapitel 9:
    Diese Familie ist völlig kaputt. Gefühlskälte - keine Liebe. Der eigene Sohn ist schwer verletzt, darauf wird kaum reagiert. Doch die Pflicht wird erfüllt.


    Kapitel 10:
    Der Maler wird abgeholt. Ich bin gespannt, was mit ihm passiert und ob er zurückkehrt. Siggi wird sein Komplize und verspricht sein Bild zu verstecken. Klaas und Siggi erfahren mehr Zuneigung durch den Maler als durch die eigene Familie und halten sich deswegen lieber in dessen Nähe auf.

  • Ab Kapitel acht finde ich die Handlung zunehmend bedrückender ...


    Die Genugtuung, die der Vater bei der Entdeckung des Malers und dem Verstoß gegen Mal- und Dunkelheitsverbot empfindet, geht über die bloße Erfüllung seiner Pflicht hinaus, finde ich. Überhaupt wird er immer feindseliger und scheint seine Macht zunehmend zu genießen. Verglichen mit den ersten Szenen, zum Beispiel als der er das Verbot überbringt, erscheint mir seine Haltung schon verändert, extremer. Dass er nur ein harm- und hilfloses Werkzeug von anderen ist, kann man ihm nicht mehr abnehmen.


    Erschreckend, aber kaum mehr verwunderlich ist die Reaktion der Eltern auf den verwundeten Klaas. Kapitel zehn geht genauso grausam weiter, das detaillierte Leiden der Kuh wird nahegehend beschrieben, aber schnell vom Abtransport des Malers abgewechselt; den Sprung fand ich sehr gewöhnungsbedürftig, aber gut gemacht. Hier wird ziemlich deutlich gemacht, wie sich Siggi vom Vater löst, er versteckt das Bild des Malers und verspürt den Wunsch, "neben ihm zu gehen".

  • Zitat

    Original von Lotta
    Ab Kapitel acht finde ich die Handlung zunehmend bedrückender ...


    Die Genugtuung, die der Vater bei der Entdeckung des Malers und dem Verstoß gegen Mal- und Dunkelheitsverbot empfindet, geht über die bloße Erfüllung seiner Pflicht hinaus, finde ich. Überhaupt wird er immer feindseliger und scheint seine Macht zunehmend zu genießen. Verglichen mit den ersten Szenen, zum Beispiel als der er das Verbot überbringt, erscheint mir seine Haltung schon verändert, extremer. Dass er nur ein harm- und hilfloses Werkzeug von anderen ist, kann man ihm nicht mehr abnehmen.


    :write
    Ja genau! Wenn ich daran denke, wie zögerlich Jepsen zu Beginn war und wie er nichteinmal wusste, wie er dem Maler das Malverbot überbringen sollte, ja es nichtmal aussprechen konnte. Und jetzt ist er soweit, dass er leere Blätter beschlagnahmt und das Haus des Malers mit der Taschenlampe ableuchtet :pille

  • Ich hänge in Kapitel 7 und finde es weiterhin erschreckend langweilig.
    Die Sprach löst bei mir keinerlei Emotionen aus und ich finde die Figuren einfach nur uninteressant.
    Einzig der Maler kann bei mir einen Funken Interesse wecken.
    Ich zwinge mich ständig zum Weiterlesen, mal sehen, wie lange ich noch durchhalte.


    Liegt mir ganz eindeutig gar nicht.....


    Ich habs heute noch mal probiert und bin wieder gescheitert, lege es jetzt erstmal zur Seite.
    Mir liegt weder Stil noch Inhalt im Moment besonders am Herzen, schade.