Traurige Gedichte

  • Hallo,
    wollte euch mal fragen ob es unter euch Interessierte gibt, die selber Gedichte schreiben. Eins was ich vor kurzer Zeit geschreiben habe würde ich euch gerne mal vorstellen. Ich hoffe einige von euch können mir sagen, ob es euch gefallen hat, oder ob ihr vielleicht sogar Verbesserungsvorschläge für mich habt. Würde mich über ehrliche (positive wie negative) Antworten freuen. Also zum Gedicht:


    Nun sind wir für immer getrennt


    Meine Wangen mit Tränen bedeckt
    den Schleier tief ins Gesicht gezogen
    So seht ihr mich
    in meiner Trauer bin ich ganz allein
    könntest du doch wieder bei mir sein
    Du dachtest ich verachte dich
    doch wusstest du
    du warst wie ich
    Hast die Freiheit geliebt
    und die Enge gescheut
    jetzt ist es zu spät
    deine Seele ist fort
    an einem anderen Ort
    Jetzt bist du frei
    von jeder Pflicht befreit
    und ich bin noch da
    mein Mut und mein Stolz
    verbieten mir nicht
    zu weinen um dich.


    Gruß Amalie :wave

  • Bist du sicher, dass du nicht lieber in die Anfängerecke gehen möchtest?
    Die ist u.a. besonders für junge Autoren eingerichtet worden.


    Meine Meinung zum Gedicht... gefällt mir ehrlich gesagt nicht so, es hat weder Reime (die ja nicht immer nötig sind, aber ich mag sie) noch ein erkennbares Metrum (was ich bevorzuge). Meine Gefühle werden auch nicht angesprochen.... ist nicht allzu sehr mein Ding.


    Zitat


    Du dachtest ich verachte dich
    doch wusstest du
    du warst wie ich


    Erscheint mir irgendwie widersprüchlich....

  • Ich habe das Gedicht in diesen Bereich verschoben, weil ich sicher bin, dass es dort besser aufgehoben ist.


    Einige Anmerkungen :


    Mir fiel gleich die wechselnde Perspektive auf: Du sprichst irgendeine Lesergruppe ("ihr") an, um dich dann unmittelbar dem Objekt deiner Trauer ("könntest du doch..."). Dieser Wechsel stellt einen Bruch dar, der dem Text nicht gut tut. Die Stelle, die Kim bereits ansprach, erscheint auch mir unlogisch "und unklar.


    Dein Thema "Traurige Gedichte" hat mich sehr an meine Tochter erinnert (hoffentlich liest sie das jetzt nicht;-) )


    Hauptsache traurig ... Das Dumme ist nur, dass diese bewusst traurigen Texte manchmal für neutrale Leser unfreiwillig komisch klingen. Der fehlende Reim würde mich nicht sehr stören, wenn er denn wirklich fehlen würde. Aber es erscheinen ständig Quasireime:


    "in meiner Trauer bin ich ganz allein
    könntest du doch wieder bei mir sein


    Du dachtest ich verachte dich
    doch wusstest du, du warst wie ich


    deine Seele ist fort
    an einem anderen Ort


    verbieten mir nicht
    zu weinen um dich."


    Versuch, dich innerhalb des Textes auf einen Stil zu konzentrieren. Wenn reimen, dann richtig, wenn Rhythmus, dann durchgehend.
    Und versuche immer, dich von einer Versuchung fernzuhalten: Ein Gedicht zu schreiben, um Gefühle zu verarbeiten ;-)

    „Streite niemals mit dummen Leuten. Sie werden dich auf ihr Level runterziehen und dich dort mit Erfahrung schlagen.“ (Mark Twain)

  • Zitat

    Original von churchill
    Und versuche immer, dich von einer Versuchung fernzuhalten: Ein Gedicht zu schreiben, um Gefühle zu verarbeiten ;-)


    Einspruch. Gedichteschreiben eignet sich hervorragend, um Gefühle zu verarbeiten. Nur in die Öffentlichkeit gehören solche Therapiegedichte in den meisten Fällen nicht. ;-)

    Surround yourself with human beings, my dear James. They are easier to fight for than principles. (Ian Fleming, Casino Royale)

  • Meiner Meinung nach ist zwar nahezu jedes Gedicht eine Verarbeitung von Gefühlen...


    nur eben...Gedichte sind einem gewissen Versmass unterworfen (Rhythmik, Metrik) ansonsten erscheinen sie eher wie ein etwas wildes Aneinanderreihen von Gedanken eben...


    ...so als Prosatext (im erweiterten Sinne) könnte man soetwas noch am ehesten durchgehen lassen...

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    Diese Plastik steht auf seinem Grab. (Friedhof Fluntern, Zürich)
    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)

  • Es gibt Gedichte, die leben davon, dass in ihnen kein einheitliches Metrum auszumachen ist. Wie Trakls Grodek.
    Es gibt durchaus, gerade zu Zeiten des Expressionismus, "erzählende", fast schon Prosa-artige Gedichte.
    (Derartige Stile sind auch in anderen Ländern und Sprachen anzutreffen, wie im Hindi. Aber Hindi ist ein weites Feld und nun auch nicht grad mein Acker.)

  • Waldläufer


    das was Du sagst hat auch seine Berechtigung...ich denke da jetzt vor allem an die Gedichte von Else Lasker-Schüler...
    ...sie hat die damaligen Ansprüche an das Versmass sozusagen über den Haufen geworfen...ihr eigenes Versmass ge- oder erfunden.....


    ....aber ihre Gedichte weisen trotzdem Rhythmik und Metrik auf...

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  • Waldläufer


    nun habe ich mal nachgegoogelt Metrik/Poetik....


    ....aber es ist wie immer bei Google, für meinen bescheidenen IQ eine zu hochgegriffene Beschreibung... :cry


    ....jedoch das Wort >Poetik< gefällt mir ausserordentlich gut und könnte vielleicht das was wir beide sagen/ausdrücken möchten auch gut umfassen....
    Das Wort >Metrik< erscheint mir irgendwie so kalt und fern... im Zusammenhang mit Poesie und Lyrik...


    ...was meinst Du dazu?

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  • Hm. Poetik ist aber nicht Metrik.
    Metrik ist in der Tat ein Kriterium zur Betrachtung von Gedichten.
    Aber auch eine fehlende Ordnung hinsichtlich der Metrik kann dann als Gestaltungsmerkmal gewertet werden.
    Das ist ja das Schöne an der Kunst und der Kunsttheorie.
    Man hat ein viereckiges Backblech, auf das eine runde Kuchenglocke gestülpt werden soll. Ist doch klar, dass da mal was nicht passt.


    Und das Problem mit dem Wort Poetik ist: Was meinst du damit?


    Die Gattungsaufteilung der Poetik bei Aristoteles?
    Den Disput zwischen Regelpoetik und irgendwelchen Einmaligkeitsthesen des Kunstwerks in der Renaissance?
    Manchmal spricht man ja auch gut und gerne von Poetiken...


    Der Begriff klingt wirklich gut.
    Aber leider weiß ich dann nie, was damit im Konkreten bezeichnet werden soll, weil er zu viele Bestimmungen und Inhalte hat.


    Und ich weiß auch gar nicht mehr, was ich sagen wollte.
    Doch: Das Dichtung und ihre Entstehung doch irgendwie auch mit Gefühlen zusammenhängen kann.


    Und ich meine, dass ich endlich zum Einkauf fahren sollte. ;-)

  • Waldläufer


    Wenn ich jetzt Poesie und Metrik zusammensetze dann spukt mein Kleinhirn das Wort >Poetik< aus :pille


    ....das ist jetzt nur meine eigene Logik, natürlich ohne jeglichen Anspruch auf Richtigkeit... :rolleyes

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  • Klar, ich stimme zu, dass viele Gedichte gerade deswegen so gut sind, weil sie die "Dichtregeln" verändern, missachten, brechen.


    Aber um Regeln brechen zu können, muss man sie kennen, bzw. damit umgehen können. Find ich.

  • Kim_Meridian


    ...das was Du einbringst ist auch ein hochinteressanter Aspekt....und da ist sicher viel Wahres dran...


    ....und fordert mich geradezu auf, wieder einmal in meine Gedichte-Bücher reinzugucken...vor allem bei den Expressionisten :gruebel
    Da kommen mir auf Anhieb in den Sinn: Benn, E. Lasker-Schüler, Klabund, Max Hermann-Neisse, und vor allem Jakob van Hoddis, der mit seinem Gedicht >Weltende< dem Expressionismus in der Literatur Tür und Tor öffnete:


    Dem Bürger fliegt vom spitzen Kopf
    der Hut
    In allen Lüften hallt es wie Geschrei,
    Dachdecker stürzen ab und gehn
    entzwei
    Und an den Küsten - liest man -
    steigt die Flut


    etc. etc. (weitere Verse darf ich ja nicht schreiben....wegen dem Copyright)


    Dieses Gedicht steht übrigens geschrieben im Buch DIE VERBRANNTEN DICHTER v. Jürgen Serke


    ******************************


    Kurzbeschreibung v. Amazon
    Dieses Buch ist eine Jubiläumsausgabe, aktualisiert und erweitert, versehen mit einer CD, auf der Angela Winkler, Christian Quadflieg und Otto Sander Texte der "verbrannten Dichter" lesen.
    Von wenigen Ausnahmen abgesehen, blieb die Wiederentdeckung der von den Nazis 1933 verbotenen Dichter nach 1945 aus - die Bücherverbrennung wirkte nachhaltig weiter. Jürgen Serke ging den Spuren verfolgter, vergessener und verdrängter Autoren und Autorinnen nach. Entstanden ist eine eindrucksvolle Dokumentation einer zweimal totgeschwiegenen Dichtergeneration, die zu einem unverzichtbaren Werk geworden ist. In der Verknüpfung der Lebenswege von rund 30 Autorinnen und Autoren mit persönlichen Zeugnissen, Texten, dokumentarischem Bildmaterial bleiben diese Literatur und deren Dichter lebendig. Das Buch wurde vor 25 Jahren erstmals im Programm Beltz & Gelberg veröffentlicht. Seither war es ununterbrochen lieferbar. Jetzt erscheint der Band in einer Jubiläumsausgabe mit einem Vorwort von Prof. Jakob Hessing, einem aktualisierten Nachwort von Jürgen Serke und einer ergänzten Bibliographie. Weiteres Novum: Dem Buch liegt erstmals eine CD mit Texten "verbrannter und verbannter Dichter" bei. Es lesen Otto Sander, Christian Quadflieg und Maria Winkler aus den WErken von Carl Einstein, Max Herrmann Neiße, Albert Ehrenstein, Ernst Toller, Yvan Goll, Jakob Haringer und Else Lasker-Schüler.

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  • Das wird sicher wieder eine Jahrhundert-Diskussion. Und alles wegen eines Texts, der nicht mal das Einloggen lohnt.


    (Die größten Kritiker der Molche ... :grin)


    In Gedichten werden durchaus Gefühle verarbeitet.
    Der eingestellte Text ist aber weder ein 'Gedicht' noch gehen die geäußerten 'Gefühle' über das hinaus, was man gemeinhin zu ersehnen meint, wenn man in der Schnulze grad an der einschlägigen Stelle angekommen ist.


    Es ist einfach ein Textstück, ein Konglomerat von Versatzstücken, die man meint, zusammenschustern zu müssen, wenn das persönliche Stimmungsbarometer auf 'Tief' steht.


    Dafür gibt es Tagebücher. Wunderschöne sogar. Ich rate zum Kauf eines solchen.


    Wenn man rein persönliche Gefühle mit etwas verbindet, das zugleich außerhalb des ureigenen Erlebens liegt, es in weitere Kontexte einordnet, an bestimmte Traditionen - hier etwa die Verarbeitung von Liebesschmerz - knüpft, kann ein Gedicht auf den Weg gebracht werden.


    Wenn dann noch Beherrschung der Sprache, origineller Einsatz von Stilmitteln sowie eine klare Entscheidung bezüglich der Formgebung des Ganzen dazukommen - also: Reim/kein Reim, Versmaß oder frei, Textgestaltung z.B. als konkretes Gedicht etc. pp. - dann kann am Ende möglicherweise ein inhaltlich wie formal stimmiges Gebilde herauskomen, das man als 'Gedicht' bezeichnen könnte.


    Das alles ist hier sicher nicht der Fall.


    Viele fühlen sich berufen, aber die wenigsten sind auserwählt.

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Zitat

    Original von magali
    Dafür gibt es Tagebücher. Wunderschöne sogar. Ich rate zum Kauf eines solchen.


    Magali


    Es gibt Bücher von Tagebüchern....(wobei da manche Autoren beim Schreiben derjenigen bereits mit einem Auge auf die Veröffentlichung schielten... :rolleyes)


    ....aber ich denke jetzt, Du meinst wohl Tagebücher mit unbeschriebenen Seiten...oder? :gruebel

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  • Joan


    klar meine ich die unbeschriebenen, hübsch eingebundenen, die, die zueilen mit den süßen Worten 'Liebes Tagesbuch' beginnen.


    Die Diskussion um 'Betroffenheitstexte' läuft hier seit Jahren :grin
    Seit Jahren ist der Hinweis aufs Tagebuch üblich.
    Ich muß doch die Formen einhalten.


    Übrigens: als Schlagertext hätte das eingestellte Textstück evtl. Chancen. Mich hat es spontan an, nun, Andrea Berg erinnert?
    :gruebel


    :lache

    Ich und meine Öffentlichkeit verstehen uns sehr gut: sie hört nicht, was ich sage und ich sage nicht, was sie hören will.
    K. Kraus

  • Die Andrea Berg kenne ich nicht....aber ich würde sagen etwas zwischen Kastelruther Spatzen und Udo Jürgens... :keks


    Edit meint, der Keks ist für Amalie gedacht...
    Und ich denke, ich werde mich wohl hüten meine selbstgezimmerten und selbstgeschusterten Gedichte ins Forum zu stellen...
    Ein Reich-Ranicki oder ein Alfred Kerr sind ja Waisenknaben in Sachen Literaturkritik gegen einige von den Eulen.... :lache

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    "An Joyces Grab verweht die Menschensprache." (Yvan Goll)

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